Kathmandu – Nepal ist das Ziel von Gipfelstürmern, bietet aber auch eine Vielzahl von Trekkingtouren. Auch wir folgen dem Ruf der Berge. Gleich nach der Akklimatisierung in der Hauptstadt Kathmandu machen wir uns auf nach Pokhara am Phewa-See. Von dort geht es auf teilweise abenteuerlichen Straßen zu unserem Ausgangspunkt nach Siwai.
Wandern durch abwechslungsreiche Landschaft

Ein Teil unseres Gepäckes wird auf drei Sherpas verteilt. Das Gewicht pro Person ist auf 15 Kilo begrenzt. Trotzdem ist das Tragen eine enorme Leistung: Wir kommen schon mit unseren leichteren Rucksäcken ins Schwitzen. Mit dem Wetter haben wir Glück. Bei strahlend blauem Himmel sind wir so zwischen sechs und sieben Stunden täglich unterwegs. Wir nehmen uns aber Zeit für die schönen Dinge am Wegesrand und Begegnungen. Und davon gibt es unzählige. Denn dieser Trek ist sehr abwechslungsreich und das Landschaftsbild ändert sich immer wieder.
Die Wege zwischen den Dörfern sind gut ausgebaut, starke Steigungen werden über Steintreppen überwunden. Wir wandern über terrassenförmig angelegte Reis- und Maisfelder, kommen an Wasserfällen vorbei und überqueren kleinere Flüsse auf Holzbrücken. Über tiefe Schluchten sind atemberaubende Seilbrücken gespannt.
An anderen Tagen führt unsere Wanderung auf wurzeligen Pfaden durch dichte, moosbehangene Wälder. Die uns umgebenden Nebelschleier sorgen für eine mystische Atmosphäre. Eindrucksvoll sind die riesigen, bis zu 15 Meter hohen Rhododendronsträucher mit ihren ebenfalls riesigen Blüten. Wir haben ganz bewusst den April als Reisemonat gewählt, weil dies die Blütezeit ist. Das Rot der Blüten und das Grün des Waldes bilden ein einzigartiges Farbenmeer.
Atemberaubender Sonnenaufgang vor schneebedeckten Gipfeln
Ein besonderes Erlebnis ist der Sonnenaufgang am Poon Hill. Der Wecker ist auf vier Uhr gestellt. Es ist stockdunkel und die Stromversorgung in der Lodge noch abgeschaltet. Beim Schein der Stirnlampen gibt es vor dem Aufbruch noch heißen Tee zum Aufwärmen. Dann beginnt unsere morgendliche Wanderung unter einem funkelnden Sternenhimmel.
Kurz vor der Morgendämmerung erreichen wir das Gipfelplateau des berühmten Aussichtsbergs Poon Hill auf 3.210 m. Jetzt beginnt das Warten auf den Sonnenaufgang. Ganz langsam verblassen die Sterne und die Dunkelheit macht Platz für die leichte. orangen und rosa Farben um die Bergspitzen. Kurze Zeit später erreichen die ersten Sonnenstrahlen die Gipfel und vor uns erhebt sich das überwältigende Panorama von Dhaulagiri, Annapurna Süd und Machapuchare. Die in voller Blüte stehenden Rhododendren sowie die bunten Gebetsfahnen, die im Wind vor den weißen schneebedeckten Gipfeln des Himalaya wehen, sind ein unbeschreiblicher Anblick.
Begegnung mit den Menschen
Trekking ist mehr als bloßes Gehen. Es schafft die Möglichkeit der Begegnung mit den Menschen abseits des Trubels der großen Städte. Immer wieder treffen wir Einheimische auf dem Weg zu ihrem Dorf. Sehr oft sind sie mit großen geflochtenen Tragkörben unterwegs, die sie mit einem Stirnband tragen. Es ist erstaunlich, was und vor allem wie viel sie auf ihrem Rücken tragen. Egal ob Lebensmittel, Feuerholz, Öfen oder Tiere – diese Art von Transport ist in den Bergen oftmals die einzige Möglichkeit, Dinge von einem Ort zum anderen zu bringen. Zum Transport schwerer Lasten wie Steine für den Hausbau werden Mulis verwendet.
Umgeben von den mit Getreide und Gemüse bepflanzten Terrassen liegen die Dörfer der Einheimischen. Je nach Region sind die Einflüsse der tibetischen oder hinduistischen Kultur stärker spürbar. An manchen energiestarken Stellen sowie bei den Stupas wehen die bunten Gebetsfahnen. Den Wegesrand säumen Mani-Steine, in die Sprüche eingraviert sind, die Schutz und Segen bringen sollen. Bei etlichen Dorfeingängen befinden sich Gebetsmühlen, die unsere Sherpas ehrfürchtig drehen, während sie unentwegt das buddhistische Mantra „Om mani padme hum“ rezitieren.
In den hinduistisch geprägten Dörfern entdecken wir immer wieder kleine Schreine, in denen vor allem Gott Shiva und seine Frau Parvati sowie deren Sohn Ganesha verehrt werden. Auf vielen Dächern befindet sich ein kleiner Dreizack – das Symbol von Shiva.
Der größte und schönste Ort ist das Gurung-Dorf Ghandruk auf 2.000 m Höhe in den Vorbergen des Annapurna Himal. Im alten Ortskern stehen noch Häuser im traditionellen Baustil. Sie alle haben einen rechteckigen Grundriss, sind meist zweigeschossig, aus sauber aufgeschichteten Trockenmauern errichtet und mit schiefergedeckten Dächern bedeckt. Türen und Fensterläden sind teilweise mit kunstvollen Schnitzereien verziert.
Jeep Safari im Chitwan-Nationalpark
Nepal bietet nicht nur in seiner Bergwelt beeindruckende Landschaften. Auch im Süden des Landes gibt es im Terai viel zu entdecken. In dieser einst dicht bewaldeten, von Sümpfen durchzogenen Tiefebene an der Grenze zu Indien befindet sich der 900 Quadratkilometer große Chitwan Nationalpark, der zum Unesco-Naturerbe zählt. Dort bot sich uns nach unserer Trekking-Tour ein völlig anderes Naturerlebnis.
Schon auf der ersten Erkundungstour begegnen wir Elefanten, die als Nutztiere eingesetzt werden. Uns wird demonstriert, wie aus Reisstroh, Melasse, Reiskörnern und Salz Futterkugeln hergestellt werden, die wir dann auch an einige Dickhäuter verfüttern dürfen.
Am nächsten Tag werden wir mit dem Jeep zu einer Bootsanlegestelle gebracht. Mit einer schmalen Zille, die der Bootsführer mit einer Bambusstange steuert, gleiten wir geräuschlos über den Nayarani-Fluss. Auf den flachen Sandbänken erspähen wir einige Exemplare der vom Aussterben bedrohten Gangesgaviale. Sie zählen zu den ältesten Tierarten und haben mehr Zähne als die anderen Krokodilarten. Besonderes Merkmal ist ihre lange und sehr schmale Schnauze.
An Land setzen wir unsere Safari mit einem Jeep fort. Die Parklandschaft ist sehr abwechslungsreich. Dichter Dschungel und Grasland wechseln sich ab. Im Wald stoßen wir auf mehrere Herden von Rehen und Sambarhirschen. In den Bäumen über uns turnen Languren mit ihren schwarzen Gesichtern. Manchmal marschieren wir auch zu Fuß zu verschiedenen Spots an gut einsehbaren Stellen des Flussufers. Immer wieder suchen unsere Ranger das Gebiet mit dem Fernglas ab, in der Hoffnung, einen der seltenen Bengalischen Tiger zu entdecken. Mein Freund Norbert bekam einen vor die Kamera. Alle konnten sich dann über die Begegnung mit einem der 500 Panzernashörner freuen, die hier leben.
Tika und Sadhus
Am Zusammenfluss der Flüsse Trisuli und Kali Gandaki befindet sich Devghat, einer der heiligsten Orte in der hinduistischen Mythologie. In der Umgebung gibt es verschiedene Tempel und Höhlen, die verschiedenen Gottheiten gewidmet sind. Durch Zufall wohnen wir vor der Höhle der Göttin Sita einer ausgelassenen Zeremonie bei. Zu Musik mit Trommeln und Zimbeln wird gesungen und getanzt. Wir werden schnell in die Rituale einbezogen und bekommen am Ende ein Segenszeichen (Tika) auf unsere Stirn. Auch drei in orangefarbene Tücher gehüllte Sadhus treffen wir, die sich im letzten Abschnitt ihres Lebens von allem Weltlichen losgesagt und einer streng asketischen Lebensweise verschrieben haben.
Anton Schmoll
DER AUTOR ist Dozent an Bankakademien und begeisterter Weltenbummler.