Brixen – Mütter können es schwer allen recht machen. Bleiben sie bei ihren Kindern, sind sie faul, gehen sie arbeiten, vernachlässigen sie den Nachwuchs, versuchen sie es mit Teilzeit, reicht die Zeit gefühlt weder im Job noch zuhause. Obwohl sie alle unterschiedliche Lebensentwürfe haben, verbindet sie etwas, sagt Barbara Plagg: „Ein schlechtes Gewissen.“
Care-Arbeit mit Manager-Gehalt
Die Humanbiologin ist Gast in der neuesten Folge unseres Podcasts „Die SWZ trifft“. Die Brixnerin forscht an der Claudiana, lehrt an der Uni Bozen – und sie ist Feministin und Aktivistin.
Ihr Wunsch an die gute Fee: Gleichberechtigung. „Dabei geht es nicht darum, Männern etwas zu nehmen und Frauen etwas zu geben, sondern neuere und adäquatere Lebensentwürfe zu ermöglichen – auch für Männer“, erklärt Plagg.
In einer idealen Welt müsste Care-Arbeit geschätzt werden wie die Arbeit eines hohen Managers – auch finanziell, damit Mütter und Väter in Zukunft frei entscheiden können, wie sie ihr Leben gestalten möchten, zeigt sich die Brixnerin überzeugt. Die Vorstellung sei noch utopisch und werde zu unseren Lebzeiten wohl nicht mehr Realität werden.
Momentan gäbe es in jeder Domäne des Lebens eine Schräglage zu Ungunsten der Frauen, sei es im Privaten, in der Arbeitswelt oder in der Sexualität.
Würden Männer schwanger werden…
Besonders wichtig anzugehen wäre Plagg zufolge die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Sie nennt es „das Thema der Gleichberechtigung“. Und betont: „Damit steht und fällt alles. Gäbe es die Mutterschaft nicht oder würden auch Männer schwanger werden, wäre die gesamte Diskussion eine völlig andere.“
Weil dem nun mal aber nicht so ist, gibt es heute zwar mittlerweile in zahlreichen Bereichen mehr hochqualifizierte Frauen als Männer, dennoch werden Führungspositionen nach wie vor öfters männlich besetzt. „Frauen“, sagt Plagg, „haut es mit der Mutterschaft raus.“ Während der Pause überhole der Mann tatsächlich die Frau. „Dieser objektive Vergleich ist eine Lüge. Solange wir Kompetenz quantifizieren anhand einer Leistung, die du nicht erbringen kannst, wenn du auch nur ein paar Monate weg bist, werden wir es nie schaffen, dass Frauen gleich beurteilt werden.“
Einfach nur peinlich
Aus Sicht der Unternehmen zahle es sich jedenfalls aus, familienfreundlich zu sein, denn dies verspreche statistisch gesehen größere wirtschaftliche Erfolge. Flexible Arbeitszeiten und -orte, dort wo sie möglich sind, müssten zur Normalität werden. „Nur weil jemand von ‚9 to 5‘ im Büro sitzt, heißt das nicht, dass er bessere Arbeit leistet als die Kollegin, die das Kind von der Betreuung abholen muss, die nur bis 14 Uhr gewährleistet ist“, so Plagg.
Zur Kinderbetreuung in Südtirol fallen ihr ganz allgemein keine positiven Attribute ein: „veraltet, inadäquat, unflexibel, einfach nur peinlich.“
Online nachhören
Darüber, wie es besser gehen würde, warum Gleichberechtigung auch zentral im Kampf gegen den Brain Drain ist und was die Politik tun könnte, spricht Barbara Plagg in der aktuellen Folge. Das Gespräch können Sie hier online nachhören, aber ebenso über Spotify, Apple Podcasts und Google Podcasts. Neue Folgen gibt es ebendort jeden zweiten Mittwoch. (sd)