Villanders – Alex Gruber ist keiner, der viel Aufhebens um seine Person macht. Er ist ein ruhiger, zurückhaltender Zeitgenosse. Er weiß, dass andere Menschen die Selbstvermarktung besser beherrschen als er. Aber das ist nun mal so. Wirklich hadern tut er damit nicht. Dabei ist der 30-jährige Villanderer in seinem Sport, dem Naturbahnrodeln, so erfolgreich gewesen wie ganz wenige vor ihm.
Gewesen deshalb, weil Gruber vor gut einem Monat seinen Rücktritt vom Rennsport erklärt hat. Den Gesamtweltcupsieg, der der krönende Karriereabschluss gewesen wäre, hat Gruber knapp verpasst: Beim Weltcupfinale im Tiroler Umhausen überholte ihn der Österreicher Thomas Kammerlander mit zwei Siegen in den letzten zwei Rennen. Dafür tritt Alex Gruber als Weltmeister ab: Im Februar schnappte er sich auf der Pfösl-Riep in Deutschnofen, einer seiner Lieblingsbahnen, sogar beide Weltmeistertitel: jenen im Einsitzer genauso wie jenen im Teambewerb. Insgesamt sieben Mal wurde Gruber zwischen 2013 und 2023 Weltmeister, drei Mal im Einsitzer-Bewerb, vier Mal mit dem Team. Dazu wurde er 2022 Europameister und Gesamtweltcupsieger sowie im Laufe seiner sportlichen Karriere gleich sechs Mal (!) Zweiter im Gesamtweltcup.
Profisport und Arbeit unter einen Hut gebracht
Wer glaubt, das alles sei nicht weiter der Rede wert, weil Naturbahnrodeln eh nur von wenigen Nationen professionell betrieben wird, täuscht sich. Hinter den Erfolgen steckt harte Arbeit. „Um zu gewinnen, muss alles passen: Du musst physisch und psychisch fit sein, darfst dir keine Fehler erlauben, und das Material muss sowieso top sein.“ Deswegen hat Alex Gruber in den vergangenen Jahren nicht nur viel Zeit beim Fitnesstraining und – im Winter – auf den Rodelbahnen verbracht, sondern auch im Keller, wo er tage- und nächtelang am Material tüftelte. Seine zwei Rodeln sind perfekt auf ihn abgestimmt, viele Einzelteile hat Gruber selber angefertigt. Aber noch wichtiger sind die Schienen, 15 Paar davon besitzt Gruber. „Jede Bahn ist anders, und das Eis ist sowieso jeden Tag anders“, erzählt der Villanderer.
Seine zwei Rodeln sind perfekt auf ihn abgestimmt. Aber noch wichtiger sind die Schienen, 15 Paar davon besitzt Alex Gruber.
Mit alledem ist jetzt also Schluss, weshalb sich die Frage aufdrängt. Was kommt nun? Die Antwort ist erstaunlich, passt aber zu Grubers unaufgeregter Art: Allzu viel wird sich nicht ändern. Denn das Rodler-Dasein war schon bisher nur eine von mehreren Facetten des Alex Gruber. Allein von Preisgeldern und Sponsoren zu leben, ist im Rodeln auf Naturbahn nicht möglich. Also hatte Gruber parallel zum allwinterlichen Leben als Profisportler auch einen „echten“ Beruf. Oder besser: mehrere. Alles unter einen Hut zu bringen, erforderte Disziplin, obwohl sich das für Gruber gar nicht so anfühlte: „Der Sport ist mein Hobby.“
„Ich bin Zimmermann in fünfter Generation“, erzählt Alex Gruber. Das Handwerk hat er – nach dem Besuch der Sportoberschule in Mals – im väterlichen Betrieb in Villanders erlernt. Irgendwann war ihm das aber zu wenig, weshalb er nach einigen Jahren als Zimmermann ein dreijähriges Holztechnik-Studium am Holztechnikum Kuchl in Salzburg aufnahm. „Ich wollte meinen eigenen Weg gehen“, so Gruber. Und so hat er sich vor drei Jahren nach abgeschlossenem Studium als technischer Zeichner selbstständig gemacht und arbeitet eng mit der Rubner-Gruppe zusammen. Das Wissen, das er in Kuchl erworben hat, würde ihm aber auch nützen, sollte er irgendwann den väterlichen Holzbaubetrieb übernehmen. Das kann sich Gruber durchaus vorstellen und hilft dort aus, wenn Bedarf besteht.
Trainer und Entwicklungshelfer
Sein eigener Chef zu sein, ermöglichte es dem 30-Jährigen bisher, sich im Winter hauptsächlich aufs Rodeln zu konzentrieren. Und künftig ermöglicht es ihm die Zeit für andere Projekte. Ideen hat er, und nur auf einer Hochzeit zu tanzen, liegt Alex Gruber nicht. „Mir gefällt die Abwechslung“, sinniert er. Das ist zwar weniger bequem, aber aufregender.
So kommt es, dass der Villanderer auch im nächsten Winter auf den Rodelbahnen unterwegs sein wird. Er hat unmittelbar nach seinem Karriereende den Auftrag angenommen, künftig als Trainer für die italienische Nationalmannschaft zu arbeiten, die de facto eine Südtiroler Nationalmannschaft ist. Dort könne er den jungen Athleten und Athletinnen mit seiner Erfahrung dienen, freut er sich. Das allsommerliche Trockentraining mit der Mannschaft hätte er ohnehin mitmachen wollen, schmunzelt Gruber: „Ich will mich fit halten.“ Somit bleibt ihm der bisherige Lebensrhythmus zwischen Rodelbahn und Job mehr oder weniger erhalten.
Noch ein weiteres Projekt würde Gruber liebend gerne umsetzen. Er möchte als Entwicklungshelfer für den Rodelsport fungieren und sein Know-how an schwächere Rodelnationen weitergeben. Da seien gute Athleten und Athletinnen darunter, aber deren Material sei nicht konkurrenzfähig: „Selbst wenn sie technisch mit uns mithalten können, sind sie eine Sekunde pro Lauf langsamer.“ Aber warum den eigenen Wissensvorsprung aus der Hand geben? „Unserem Sport ist nicht gedient, wenn immer nur Südtirol und Österreich gewinnen“, antwortet Gruber.
Ziele, Disziplin, Teamfähigkeit und Lernbereitschaft
Solche Aussagen machen deutlich, dass Gruber den Rodelsport mehr liebt als das Gewinnen. Vielleicht spielt da auch die jüngste Olympia-Enttäuschung eine Rolle. Groß waren die Hoffnungen gewesen, dass Naturbahnrodeln pünktlich für Milano/Cortina 2026 endlich olympisch wird. Doch die Hoffnungen zerplatzten wie eine Seifenblase. Zu wenig international ist der Sport. Alex Gruber macht aber keinen Hehl daraus, dass er vom internationalen Rodelverband FIL enttäuscht ist: Das Naturbahnrodeln werde wie ein Aschenputtel neben dem Kunstbahnrodeln behandelt.
Wäre sein Sport olympisch geworden, er hätte weitergemacht. So aber fehlte die Motivation: „Ich habe alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt.“ 13 Jahre fuhr er im Weltcup: Sein Debüt feierte er mit zarten 17 Jahren in Umhausen (er wurde Siebter), 13 Jahre später schloss sich der Kreis wieder in Umhausen.
„Im Sport lernst du den unbedingten Willen, ständig dazuzulernen und dich weiterzuentwickeln.“
Alex Gruber strahlt Zufriedenheit aus – und eine Ausgeglichenheit, die so gar nicht zu seinem Herumspringen zwischen verschiedenen Tätigkeiten passt. Was hat ihn der Sport gelehrt? „Du lernst schon als Kind, dir Ziele zu setzen und diesen alles andere unterzuordnen. Du lernst Disziplin. Und du lernst Teamfähigkeit, obwohl Rodeln ein Einzelsport ist.“ Das sind alles Eigenschaften, die auch im Berufsleben hilfreich sind. Dann fallen Alex Gruber noch zwei weitere Punkte ein: „Du lernst, dich durchzusetzen, wenn du dir als junger Athlet erst Anerkennung erkämpfen musst. Und du lernst den unbedingten Willen, ständig dazuzulernen und dich weiterzuentwickeln.“ Ruhe zu geben, das liege ihm ohnehin nicht. Sagt’s und eilt nach Klausen, um dem Bruder in der Konditorei zu helfen. Auf eine Hochzeit mehr oder weniger kommt es auch nicht mehr an.
DIE SERIE In der Serie „Jung und hungrig“ stellt die SWZ junge Menschen in und aus Südtirol mit den verschiedensten Lebensläufen vor. Eines haben sie jedoch alle gemeinsam: Sie sind jung und hungrig nach Erfolg. Alle bisher erschienenen Artikel aus der Reihe können auf SWZonline oder in der SWZapp nachgelesen werden.