Es fing ja ganz harmlos an. 2008 war mein damaliger Laptop fast zehn Jahre alt, ein Dinosaurier, ein klobiges, dickes Ungetüm. Ein neuer musste her. Damals wohnten wir in Chur, der Hauptstadt von Graubünden, mein Mann arbeitete dort an der Stadtschule. Einer seiner Kollegen hatte einen guten Tipp für mich. Wenn du ein neues, verlässliches Gerät suchst, das noch ein paar tolle Extras mitbringt, warum nicht ein MacBook Pro ausprobieren? Es gäbe da zurzeit ein gutes Angebot, das er selbst jedenfalls nutzen werde.
Ich war skeptisch. Ein Apple-Gerät? Hieß es nicht immer, die seien so teuer? Der Kollege beruhigte: Erstens: Das gute Angebot! Und zweitens: Da ist ganz viel drin. Außerdem: Wolltest du nicht schon längst eine eigene Homepage machen? Das MacBook Pro hat ein Programm für so etwas!
Na schön, ich ließ mich weichklopfen. Das MacBook wurde gekauft. Ich nannte es „Hugo“, weil vorerst mal mein Erspartes für den Hugo war (ja, das ist genau mein Humor). Und dann legte ich los. Ich richtete mein Apple-Konto ein, baute meine Homepage, und schon nach kürzester Zeit waren Hugo und ich gute Freunde. Er verwaltete meine E-Mails, meine Fotos, meine Zugangscodes und Passwörter, und er lief, und er lief, und er lief. Ich schrieb meine Bücher auf ihm, ich nahm ihn zu Vorträgen mit, er leistete mir auf Bahnfahrten Gesellschaft, immer verlässlich, freundlich, unaufdringlich. Nicht ein einziges Mal hatte ich einen Virusalarm, Hugo stürzte nie ab, stellte mich nie vor anderen bloß, er war einfach für mich da. Bis er an einem kalten Jännertag im Jahr 2013 nicht mehr einzuschalten ging. Bumm. Tot. Das Ende einer fünfjährigen Freundschaft, abrupt und unwiderruflich.
Ich geriet natürlich in Panik. Ich brauchte mein Gerät! Ich brauchte meine E-Mails, meine Dokumente! Smartphone hatte ich damals noch keines, und nun stand ich plötzlich völlig hilflos da. Was jetzt?
Na, was wohl. Innerhalb von drei Tagen kaufte ich mir ein neues MacBook. Ich nannte es Dumeng, weil wir mittlerweile im Engadin wohnten und ich den Gedanken lustig fand, meinen Laptop „Du Mensch“ (so wird „Dumeng“ ausgesprochen) zu schimpfen.
Dank der TimeMachine-Funktion konnte ich meine Backup-Festplatte an Dumeng anschließen, mit der alle Inhalte des verstorbenen Hugo übertragen werden konnte, und ein paar Stunden später konnte ich reibungslos weiterarbeiten, als ob nie etwas geschehen wäre. Sogar das Desktop-Hintergrundbild war dasselbe.
Bis hierher klingt das alles wie ein Apple-Werbetext, nicht wahr? Keine Sorge, jetzt kommt die Wende. Dumeng zu kaufen, war eine notwendige, aber schmerzhafte Entscheidung. Seit 2008 hatten sich die Preise von Apple-Geräten immer weiter vom übrigen Laptop-Markt entfernt. Und wenn ich nun mit Dumeng irgendwo auftauchte, wurde ich von selbsternannten oder tatsächlichen Kennern mit schrägem Grinsen bemitleidet. Oh, eine Apple-Jüngerin. Gibt zweimal so viel Geld als notwendig für ein Gerät aus, das gar nicht so viel kann. Den Spruch hab ich oft gehört. Selbstverständlich liebe ich Dumeng genauso, wie ich Hugo geliebt habe, er ist mein Freund, mein Gefährte, mein Vertrauter, läuft jeden Tag den ganzen Tag. Aber der nagende Zweifel bleibt: Rechtfertigt das den hohen Preis?
Diesmal, so schwor ich mir, würde ich es anders machen. Nicht warten, bis mein MacBook mich plötzlich schmählich im Stich lässt. Sondern gerüstet sein.
2017 schien es, als wäre es bald so weit. Dumeng wurde langsamer, nach nur vier Jahren Dauerbetrieb, das Homepage-Programm wurde eingestellt und lief nicht mehr (seither schläft meine Webseite den Dornröschenschlaf). Ich hielt den Zeitpunkt für gekommen, mir ein neues Gerät anzuschaffen und mich allmählich umzustellen. Ich nenne die Marke nicht, es reicht zu sagen, dass es eben mit Windows arbeitet statt mit MacOS. Ganz billig war es übrigens auch nicht, weil ich doch recht anspruchsvoll bin. Kurz und gut, ich nahm es in Betrieb. Richtete das E-Mail-Konto ein, übertrug Dokumente, importierte Fotos, kaufte mir eine Filmschneide-App (iMovie gab’s ja nicht mehr). Überlegte mir sogar einen Namen für das Gerät. Umsonst. Nach wenigen Wochen musste ich es zurückgeben. Das Motherboard hatte einen Fehler und musste komplett ausgetauscht werden. Ich erhielt dasselbe Gerät, aber in neu. Alles, was ich eingerichtet hatte, war weg. Ich musste von vorne anfangen. Ich war sauer.
Dumeng lief übrigens immer noch, und ich benutzte ihn zwischendurch weiterhin. Vor allem für E-Mails diente er mir nach wie vor verlässlich, während mein Windows-Laptop nur herumzickte. Ich verabschiedete mich schließlich von Windows-Mail und richtete Thunderbird als Mail-Programm ein. Dem Apple-Mail-Programm kann jedoch auch das nicht das Wasser reichen.
Heute, zwei Jahre später, läuft Dumeng noch immer. Zwar nicht mehr so gut wie vorher, er hat so manches Zipperlein. Aber ich nehme ihn nach wie vor zur Arbeit mit. Daheim am Schreibtisch steht mein Windows-Laptop. Ich liebe ihn nicht. Ich habe ihm auch keinen Namen mehr gegeben. Ich beschimpfe ihn manchmal, und er treibt mich in den Wahnsinn. Ich weiß, wenn Dumeng den digitalen Geist aushauchen wird, gibt es kein neues MacBook mehr für mich. Die Preise sind meiner Kaufkraft davongeklettert. Ich werde mit dem Windows-Gerät weiterwursteln. Und immer ein bisschen traurig sein. Eines weiß ich aber: Hätte ich das nötige Kleingeld, dann hätte ich mich sicher nicht aus meinem Apfel-Paradies vertreiben lassen. Womöglich hätte ich sogar ein iPhone, auch wenn die Fenster-Fans über mich den Kopf schütteln würden. Ich wäre gefangen im Apple-Ökosystem, aber ziemlich sicher nicht unglücklich.
Prada-Handtaschen oder teure Autos können mir gestohlen bleiben. Wenn ich aber irgendwo das Apfel-Logo sehe, werde ich nostalgisch. Hach.
Ich wette, dass es auch Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ganz ähnlich geht, oder? Manchmal ist es eben doch nicht nur eine Marke.