Wien/Hamburg – Wenn plötzlich der Computerbildschirm, der Tablet- oder Smartphone-Touchscreen schwarz bleibt, weil ein Defekt das Gerät lahmlegt, stockt zahlreichen Besitzern der Atem – denn häufig sind große Teile des Arbeits- und Privatlebens auf dem Gerät digitalisiert.
In solchen Momenten kommen professionelle Datenretter ins Spiel, obwohl mancher Laie erst noch selbst versucht, dem Gerät „auf die Sprünge zu helfen“ – wobei das Ergebnis nicht immer das gewünschte ist. Die kuriosesten Fälle rund um die Datenrettung, mit denen das eigene Unternehmen rund ums Jahr betraut wurde, sammelt „Attingo Datenrettung“ (Wien/Hamburg) alljährlich und gibt sie zur Veröffentlichung frei. „Datenrettung ist immer extrem spannend, denn kein Fall gleicht dem anderen“, schreibt Attingo in der diesjährigen Aussendung. „Die unterschiedlichen Datenträger und Fehlerbilder machen den Beruf des Datenretters so herausfordernd. Manchmal sind es aber auch Rahmenbedingungen oder Vorgeschichten eines Datenträgers, die einen Datenrettungsfall außergewöhnlich machen.“
Im Folgenden einige der wunderlichsten Fälle, mit denen das Unternehmen im Jahr 2017 befasst war.
1) Die Ameisenstraße – Viele kennen das Phänomen: Im Frühjahr versuchen Ameisen in Häuser, Wohnungen und auch Büros einzuziehen – das kann sogar zu Datenverlust führen. Wobei die kleinen fleißigen Tierchen in diesem speziellen Fall nicht direkt die Schuld trifft: Ein Steuerberater stellte am Montagmorgen entsetzt fest, dass übers Wochenende Ameisen in seinen Laptop eingezogen waren – eine Ameisenstraße führte aus den seitlichen Lüftungsschlitzen quer über den Schreibtisch. Wutentbrannt griff er nach einem Buch und schlug auf die Eindringlinge ein, dummerweise traf er dabei auch seinen Laptop mit voller Wucht, was einen Headcrash (laut duden.de ein „Hardwareausfall infolge des Aufsetzens des Schreib-Lese-Kopfes auf die Festplatte“) zur Folge hatte. Die Datenrettung war erfolgreich – und der Steuerberater hat sich vorgenommen, in Zukunft etwas liebevoller mit seiner Umwelt umzugehen.
2) Datenverlust nach Katzenfrust – Haustiere haben bekanntlich ihren eigenen Kopf und geben uns auch ganz ohne menschliches Sprachvermögen genau zu verstehen, was ihnen passt oder auch nicht. Besonders Katzen können schon mal ihren Unmut kundtun, wenn Frauchen oder Herrchen sich nicht wunschgemäß verhalten. So fand einer unserer Kunden nach der Rückkehr von einer einwöchigen Dienstreise seine Wohnung in einem unschönen Zustand vor: Seine Katze hatte gegen seine Abwesenheit und die Fütterungsvertretung protestiert, indem sie ihr Geschäft überall verrichtete – nur nicht im Katzenklo. Dieser Protestaktion fiel auch das MacBook zum Opfer, was der Kunde allerdings erst bemerkte, als er dieses einschalten wollte und der Katzenurin bei der Festplatte zu einem Kurzschluss führte. Er hatte jedoch Glück im Unglück, denn seine Daten waren mit geringem Aufwand rettbar!
3) Der Zahnarzt als Festplattenchirurg – Viele Betroffene versuchen selbst oder lassen (vermeintliche) Experten aus dem Bekanntenkreis an defekten Festplatten „herumdoktern“: Siegel werden gebrochen, Torx-Schrauben mit einem Kreuzschraubenzieher gelöst oder mit Zangen Deckel abgehoben, da nicht alle Schrauben gefunden werden. Weil diese Eingriffe nicht immer erfolgreich verlaufen, werden dann doch professionelle Datenretter hinzugezogen – ein besonders kurioser Fall aus dieser Kategorie erreichte Attingo vor Kurzem: Ein Zahnarzt hat in seiner Ordination ein NAS-System (ein Netzwerk einfach zu verwaltender Dateiserver) mit zwei gespiegelten Festplatten im Einsatz – an sich vorbildhaft. Zusätzlich werden die Daten in der Nacht auf eine USB-Festplatte gesichert, welche direkt an das NAS angeschlossen ist – das ist schon deutlich riskanter, wie sich herausstellen sollte: Der Versuch, den Tisch zu tauschen, auf dem das in Betrieb befindliche NAS und die externe Festplatte standen, endete fatal. Sowohl NAS als auch die externe Sicherungsplatte fielen auf den Boden – zwar ungut, aber eine Datenrettung ist in solchen Fällen noch problemlos möglich. Hier versuchte der Arzt jedoch selbst Hand anzulegen und öffnete eine Festplatte nach der anderen und werkelte im Inneren des Datenträgers herum. Zwar konnte noch der größte Teil der Daten rekonstruiert werden, der Aufwand war jedoch enorm.
4) Der schmale Grat zwischen Vorsicht und Paranoia – Sensible Daten sollten immer verschlüsselt werden, um unbefugten Zugriff möglichst zu verhindern. Die Geschäftsführerin eines Unternehmens für Steuerprüfung hat es aber dann doch etwas übertrieben: Sie verwendete insgesamt vier (!) ineinander verschachtelte unterschiedliche Verschlüsselungssysteme auf ihrem Laptop. Als es zu einem Hardwareschaden mit massiven Oberflächenschäden auf der Laptop-Festplatte kam, stellte sich heraus, dass die Kundin die Sicherungskopien der Verschlüsselungs-Keys nicht gesichert hatte – ohne diese in Kombination mit den Kennwörtern ist eine Entschlüsselung nur mehr mit sehr großem Aufwand möglich.
5) Der verwirrte Wissenschaftler – Das Klischee des konfusen Wissenschaftlers im Labormantel und mit zerzaustem Haar dürfte wohl jedem bekannt sein. Verwirrt war offenbar auch der wissenschaftliche Mitarbeiter eines Geologieinstituts, der Attingo wegen einer defekten SSD, eines elektronischen Speichermediums, kontaktierte. Er versprach, den Datenträger zur Untersuchung ins Labor zu senden, und tatsächlich traf am nächsten Tag per Botendienst ein Päckchen vom Institut ein. Beim Öffnen fiel sofort die vorschriftsmäßige Verpackung auf, und auch das ausgefüllte Diagnoseformular war vorhanden. Umso erstaunter war der Techniker, der die SSD unter die Lupe nehmen sollte, als er die Luftpolsterfolie entfernte und statt eines Datenträgers ein paar Gesteinsproben vorfand. Wie sich herausstellte, wusste auch der Geologenkollege des Kunden in Berlin, der die Proben ursprünglich erhalten sollte, mit der defekten SSD nichts anzufangen.
6) Eine Festplatte aus der Computersteinzeit – Mit einem langwierigen und außergewöhnlichen Fall sahen sich die Attingo-Techniker im Sommer konfrontiert: Sie erhielten eine Festplatte des Herstellers Tandon mit einer ST506-Schnittstelle – ein echtes Festplatten-Urgestein aus einem Atari. Neben Hardwareschäden an den Magnetscheiben war zusätzlich Flüssigkeit aus dem Lager ausgetreten. Der Kunde benötigte vor etwa 30 Jahren geschriebene Dokumente und Quellcodes von Programmen. Die große Herausforderung bestand nun darin, die Daten auf eine moderne PC-Technik zu übertragen, da die MFM-Festplatte (MFM ist ein Aufzeichnungsverfahren bzw. eine Leitungscodierung, die u. a. bei magnetischen Datenträgern angewandt wird) eine alte und wenig verbreitete spezielle Übertragungstechnik verwendete. Insgesamt dauerte es neun Monate, alle nötigen Hardwarekomponenten über Tauschplattformen zusammenzukaufen, da die Teile weltweit kaum mehr erhältlich waren. Zusätzlich mussten Prozessoren und elektronische Komponenten dazugelötet werden. Schließlich konnten die Dateien im Umfang von 21MB ausgelesen und an den Kunden ausgeliefert werden.
7) NAS(s) am Boden – Im Zuge seines Wohnungsumbaus integrierte ein Kunde ein Gästezimmer inklusive Badezimmer in seinen Keller, der unter Kanalniveau lag. Für die Dusche und das WC ließ er eine Hebeanlage für das Abwasser installieren. Da die Strategie für die Heim-Netzwerkinfrastruktur zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgereift war, blieb das als kleiner Homeserver genutzte NAS vorerst ebenfalls im Kellergeschoss stehen – am Boden. Wie sich herausstellte, war dies keine gute Idee, da die Hebeanlage ihren Dienst nicht ordnungsgemäß verrichtete. Entdeckt wurde das, als kein Zugriff mehr auf das private Film- und Fotoarchiv auf dem NAS möglich war. Auf dem Weg zur NAS war bereits ein strenger Geruch zu vernehmen, und der Kunde stellte fest, dass diese bereits in Fäkalien „ertrank“. Wie man sich vielleicht denken kann, riss sich keiner der Attingo-Techniker darum, den übelriechenden „Patienten“ im Labor zu behandeln. Trotz allem konnten alle Erinnerungen erfolgreich rekonstruiert und geruchlos ausgeliefert werden.