SWZ: Herr Nigg, warum haben Sie die Seiten gewechselt: vom Venture-Capital-Geber zum -Empfänger bzw. Unternehmer?
Alex Nigg: Als Venture Capitalist geht es in erster Linie darum, Firmen durch die Finanzierung aufzubauen. Mich interessiert aber auch die andere Seite: der Versuch, eine Idee umzusetzen, von der man überzeugt ist, und die technische Herausforderung, der man sich dabei stellen muss. Und letztlich haben beide Seiten dasselbe Ziel: ein Unternehmen groß zu machen.
Dazu kommt, dass ich überzeugt davon bin, dass man als Venture Capitalist nur dann erfolgreich sein kann, wenn man selbst schon versucht hat, etwas aufzubauen. Denn durch eigene Erfahrungen als Unternehmensgründer kann ich als Venture Capitalist anderen Gründern auch in Bereichen jenseits des Finanziellen unter die Arme greifen.
Ist Properly Inc. dann nur ein Zwischenschritt zur nächsten Station als Venture Capitalist?
Das sehe ich nicht so: Als Gründer, als Unternehmer ist man immer voll auf das aktuelle Projekt konzentriert; was mich derzeit interessiert, ist, Properly in Kontinuität aufzubauen. Danach werde ich sehen, wie es weitergeht.
Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung von Properly?
Zurzeit schaut es sehr gut aus: Die Zahl der Aufträge, die über unsere App verschickt werden, wächst monatlich um 30 Prozent. Wir waren im Februar bei 3.200 und im Juni bei mehr als 9.000 – und wenn alles gut geht, werden wir im September bei 20.000 sein.
Properly arbeitet im Vertrieb mit den drei großen Sharing-Economy-Plattformen in der Unterkunftsvermittlung Airbnb, HomeAway und seit Kurzem auch Booking.com zusammen.
Genau. Wir sind eine der wenigen Firmen, die mit allen diesen wichtigen Plattformen zusammenarbeiten. Mit Airbnb seit September 2015, mit HomeAway seit Mai 2016; an Booking haben wir eineinhalb Jahre gearbeitet – und Anfang Juni haben sie uns erstmals vertrieben.
Wie verteilen sich die Properly-Nutzer geografisch?
Wir sind in sieben Sprachen erhältlich: Englisch, Deutsch, Italienisch, Französisch, brasilianisches Portugiesisch, Spanisch und Mandarin. Wir haben Nutzer in mehr als 50 Ländern der Welt bzw. in 200 Städten. In einigen Städten sind wir besonders stark: Zwischen 15 und 20 Prozent der Aufträge werden beispielsweise in Edinburgh verschickt. Wir finden aber auch guten Anklang in Melbourne und Sydney. In den USA konzentrieren wir uns auf Seattle, Los Angeles und New York. Zurzeit bin ich dabei, Italien zu entwickeln, genauer Rom und Mailand.
Properly ist nicht das erste Unternehmen, das Sie im Silicon Valley selbst gegründet haben. Erzählen Sie doch von Ihrem anderen Projekt!
Ich habe – das war vor etwa 15 Jahren – Walkwire gegründet. Die Firma hat Internetcafés in Hotels betrieben. Walkwire war weniger ein Start-up als viel mehr bootstrapped, also eine kleine Firma, die für die Gründung keine externe Finanzierung benötigte und bereits nach kurzer Zeit profitabel gearbeitet hat. Die Firma habe ich über zehn Jahre lang besessen und 2012 verkauft.
Seit Sie Südtirol 1989 als junger Mann verlassen haben, sind fast 30 Jahre vergangen. War es ein Ziel von Ihnen, so schnell und so weit wie möglich weg von Südtirol zu kommen?
Es war nicht so, dass ich aus Südtirol wegwollte. Es war so, dass mich bestimmte Dinge interessiert haben, und deshalb bin ich dorthin gegangen, wo die zu finden waren. Zum Beispiel waren das Universitätsstudium „International Relations“ und die LSE – London School of Economics die zwei Gründe dafür, dass ich in London gelandet bin. Dort bin ich dann mehr und mehr in die Technologiebranche gerutscht – und da ist ein Umzug nach San Francisco der „logischte“ Schritt.
Möchten Sie irgendwann nach Südtirol zurückkehren?
Südtirol wird immer meine Heimat bleiben – und wenn ich mich an Jahre zurückerinnere, die ich im Ausland verbracht habe, dann habe ich immer wieder mit Südtirolern zusammengearbeitet. Langfristig zurückzuziehen, halte ich aber für eher unwahrscheinlich, auch weil der Großteil unseres Freundeskreises im Silicon Valley und in Neuseeland lebt. Außerdem sind wir inzwischen schon fast 50 Jahre alt, was eine Rückkehr wohl zusätzlich erschweren würde.
Haben Sie noch Verbindungen mit bzw. zu Südtirol?
In erster Linie meine Mutter, die in Meran wohnt und die ich immer wieder besuche. Ich habe auch noch Kontakt mit Mitschülern aus der Oberschule. Außerdem haben wir mit Südstern eine ziemlich aktive Gruppe von Südtirolern auf der ganzen Welt. Dadurch ist vor einigen Jahren ein Freundeskreis von in San Francisco lebenden Südtirolern entstanden – mittlerweile sind aber viele wieder weitergezogen und leben nun an anderen Orten rund um den Globus. Es kommen aber auch immer wieder neue Südtiroler nach San Francisco. Und die braucht es natürlich zum Watten, ein Spiel, das außer uns Südtirolern kaum jemand beherrscht.
Sie beschäftigen im Team von Properly auch einige Südtiroler.
Ja. Etwas vom Schwierigsten im Silicon Valley ist es, gute Mitarbeiter, gute Softwareentwickler zu finden. Ich hatte ziemliches Glück, dass ich über mein Netzwerk einen jungen Südtiroler gefunden habe, der für ein Praktikum bei einer österreichischen Firma im Silicon Valley war. Ich konnte ihn überzeugen, bei uns anzufangen. Über ihn haben wir dann noch zwei weitere Südtiroler angestellt – sodass jetzt in einem Team von 14 Personen vier Südtiroler sind.
Zum Watten die perfekte Anzahl …
Eigentlich schon, aber es gibt ein „Aber“: Wir haben zwar das erste Jahr alle gemeinsam im Silicon Valley gearbeitet, allerdings ist in den Vereinigten Staaten die Visumfrage eher kompliziert. Um die Südtiroler, nachdem ihre Visa abgelaufen waren, im Unternehmen zu halten, habe ich nach einem dritten Land gesucht, in dem ich sie ein oder zwei Jahre quasi „parken“ kann – und so sind wir in Neuseeland gelandet. In der dortigen Hauptstadt Wellington befindet sich inzwischen das mit neun Mitarbeitern größte Büro von Properly, wo auch zwei der Südtiroler arbeiten – und zwar mit dem Ziel, dass sie nach einem Jahr im Ausland wieder ins Silicon Valley zurückkommen können. Dort befindet sich auch weiterhin der Hauptsitz von Properly, und dort sind drei Mitarbeiter tätig.
Was ist aus Ihrem dritten Südtiroler Mitarbeiter geworden?
Er sitzt inzwischen in Margreid, seinem Heimatdorf, und arbeitet von dort aus für uns. Außerdem haben wir noch zwei Mitarbeiter in Israel. Es ist ein Vorteil der Branche, dass die Mitarbeiter sich nicht alle an einem Ort befinden müssen, um effizient zu arbeiten. Zweimal jährlich versuchen wir allerdings, alle zusammenzuführen, weil das für die Zusammenarbeit und die Firmenkultur wichtig ist; Anfang Mai haben wir uns zum Beispiel alle in Neuseeland getroffen.
Die Art der Zusammenarbeit, die wir praktizieren, klappt relativ gut. Aber auch deshalb, weil auch diejenigen, die in Margreid und San Francisco arbeiten, zuvor längere Zeit in einem der Teams gearbeitet haben und wir uns dadurch gut kennen und gut eingearbeitet sind.
Wäre es für Sie eine Option, den Hauptsitz Ihres Unternehmens aus dem Silicon Valley weg zu verlegen, etwa nach Europa?
Wir sind ständig am überlegen, wo wir Büros aufmachen sollten und könnten. Mittelfristig werden wir wohl eines in Barcelona eröffnen. Den Hauptsitz im Silicon Valley zu haben, ist für uns jedoch wichtig – wegen des Zugangs zum Kapital der Venture-Capital-Firmen, die dort vertreten sind. Auch mein diesbezügliches Netzwerk ist dort am stärksten. Und weil Leute aus der ganzen Welt – von Koreanern über Deutsche bis zu Ukrainern – für uns arbeiten, ist es für uns außerdem wichtig, dass der Ort, an dem wir unseren Hauptsitz haben, einwandererfreundlich ist.
Aus der Ferne hat man immer den Eindruck, dass das Leben und Arbeiten, überhaupt das gesamte Umfeld im Silicon Valley, sehr besonders sind – gewissermaßen nicht von diesem Planeten. Muss man als Arbeitgeber im Silicon Valley ob der Attraktivität des Ortes weniger Gehalt bieten als sonst wo?
Eher umgekehrt: Silicon Valley ist eines der teuersten Pflaster der Welt, und so ist es sehr, sehr teuer, Leute einzustellen. Außerdem ist die Konkurrenz unter den Arbeitgebern um die Mitarbeiter sehr stark. Und wenn es für ein Start-up – und ich habe noch nie eines gesehen, bei dem es immer nur aufwärts ging – mal einen Monat lang abwärts geht, stehen schon die zehn, 15 größten und attraktivsten Firmen der Welt bereit, um dir die Mitarbeiter abzunehmen – von Google bis Facebook, alle stellen ständig neue Leute ein. Das ist auch einer der Gründe, weshalb wir Neuseeland für unseren zweiten Hauptstandort gewählt haben: Für Properly sind die Kosten dort geringer, ebenso wie die Lebenshaltungskosten für unsere Mitarbeiter. Das hat den „Nebeneffekt“, dass wir eine Firmenkultur aufbauen können und nicht ständig aufpassen müssen, dass uns unsere Mitarbeiter wieder abgeworben werden.
Wie sehen Sie das Silicon Valley und das Arbeiten dort?
Das Silicon Valley hat schon ein paar ganz besondere Charakteristiken – von denen wir allerdings auch einige in Neuseeland finden. Eine der Charakteristiken ist die Weltoffenheit: Ich bin nun mehr als 20 Jahre in San Francisco, und in meinem Freundeskreis sind nicht viele, die auch dort geboren sind. Die Gegend zieht Leute aus aller Welt an. Die zweite Sache, die interessant ist, ist, dass alles viel schneller geht als andernorts – die Leute fühlen sich weniger eingeschränkt. Es wird immer versucht, Projekte größer aufzustellen. Und die dritte Besonderheit ist, dass die kapitalstärksten Venture Capital-Firmen der Welt hier vertreten sind und deshalb Zugang zum Kapital einfacher ist.
Auch Properly Inc. hat Investoren?
Wir haben fast 30 Investoren, und viele davon von außerhalb des Silicon Valley. Mit Alexander Pichler ist beispielsweise auch ein Südtiroler darunter. Er hat uns u.a. bei der Einstellung unseres ersten Südtiroler Mitarbeiters sehr geholfen.