SWZ: Herr Meister, wie viele Mails und Telefonanrufe pro Tag beantworten Sie in Ihrem Leben als Fondsmanager in Frankfurt?
Florian Meister: Es sind vor allem E-Mails, da ich mich aus dem direkten Kundenkontakt größtenteils raushalte. Ich schätze, es sind um die 100 E-Mails am Tag.
Sie werden aber nicht behaupten, dass Sie sich im Sommer als Almpächter für zwei Monate komplett aus der Finanzwelt ausklinken. Haben Sie auf der Weitenbergalm Handy- und Internetempfang?
Es ist ein Segen, dass auf der Alm selber kein Handy funktioniert und es kein Internet gibt. Allerdings hat sich die Erreichbarkeit in den vergangenen Jahren wesentlich verändert oder verbessert – je nach Sichtweise. Man muss jetzt von der Alm aus nur noch zwei Minuten gehen und kann – wenn es nicht gerade regnet – auf dem Berg sitzen und recht gut im Internet arbeiten oder Anrufe tätigen. Das ist ein zweischneidiges Schwert. Vor 2009, also bevor ich meine Firma gegründet hatte, konnte ich mich der Tätigkeit auf der Alm noch viel mehr hingeben und abschalten. Inzwischen ist es ein Spagat. Ich muss jeden Tag einmal online gehen, damit diese 100 E-Mails irgendwie bewältigbar bleiben.
Welcher Gang ist für Sie schwieriger: jener von der ständigen Erreichbarkeit in Frankfurt in die abgeschiedene Bergwelt oder der umgekehrte?
Die Nichterreichbarkeit ist ein Segen. Diesen Sommer hatte ich sechs Tage lang ein Internetproblem – das war die absolute Entspannung.
Wie viele Tage dauert es, bis Sie sich wieder an die jeweils andere Welt gewöhnt haben und voll in sie eintauchen?
Ich habe diesen Sommer den Aufenthalt auf der Alm zweimal unterbrechen müssen, und das werde ich ab jetzt wohl immer in Kauf nehmen müssen. Aber die Umstellung funktioniert innerhalb von Stunden. Ich finde es total stimulierend: Wenn ich in die Stadt komme, bin ich energiegeladen, gehe ganz anders auf die Leute zu, habe vielleicht sogar kreativere Lösungen für Probleme. Die Umstellung ist sehr fruchtbar. Ich glaube sogar, dass die besten Ideen entstehen, wenn ich von der einen Denkart in die andere, von einer Geschwindigkeit in die andere übergehe.
Gibt es Tricks, wie Sie den Gang von der einen Denkart und Geschwindigkeit in die andere schaffen?
Es braucht das Bewusstsein, dass bei der Rückkehr nach Hause gewisse Dinge, die sich angesammelt haben, möglichst zügig abzuarbeiten sind – zum Beispiel die Post. Aber insgesamt finde ich gerade diesen Kontrast zwischen den beiden Welten in meinem Leben so bereichernd. In einem Moment schleppe ich in schmierigen Kleidern Käse herum, im anderen Moment sitze ich frisch geduscht und mit Krawatte in irgendeiner Sitzung.
Nun dürften Selbstständige mit wenigen Mitarbeitern – und davon gibt es in Südtirol viele – sagen: „Der hat leicht reden, er ist in seinem Unternehmen ja ‚nur‘ einer von drei Geschäftsführern.“ Ein kleiner Unternehmer kann sich kaum für zwei Monate im Jahr aus seinem Unternehmen verabschieden. Oder sehen Sie das anders?
Nein, das sehe ich ähnlich. Ich darf mich glücklich schätzen, dass ich zwei Kolleginnen habe, die unheimlich eifrig sind und mit denen ich mich exzellent ergänze. Wenn das nicht der Fall wäre, denke ich nicht, dass ich das mit unseren nunmehr 130 Mitarbeitern so jonglieren könnte. Das wäre unverantwortlich. Ich lebe eine besondere Situation.
Oder handelt es sich auch um eine Frage der Organisation – auch in kleinen Unternehmen?
Du musst halt bereit sein loszulassen und auch ein gewisses Risiko in Kauf zu nehmen, dass die Dinge in deiner Abwesenheit nicht genau nach deinem Plan laufen und vielleicht nicht genau deine Entscheidungen getroffen werden. Dann könnte auch ein kleiner Unternehmer, der einen sehr guten Stellvertreter aufgebaut hat, sich für einige Zeit ausklinken, wenn auch nicht für eine längere Zeit. Aber bleiben wir realistisch: Bei mir handelt es sich um eine sehr gute Konstellation.
Üben Sie die Nichterreichbarkeit eigentlich auch übers Jahr in Frankfurt und schalten Ihr Smartphone abends irgendwann aus?
Eher nicht. Ich bin ein kundenorientierter Mensch, und es plagt mich, wenn ich weiß, dass jemand auf meine Antwort wartet. Nur einmal war ich nicht erreichbar. Das war bei der Gründung meiner Firma. Es waren harte Verhandlungen mit Partnern notwendig, und irgendwann stellte ich den Partnern eine Art Ultimatum und war drei, vier Tage nicht erreichbar. Bei meiner Rückkehr hatten die Partner meine Konditionen geschluckt.
Ihr Leben in zwei Welten macht Sie wahrscheinlich glücklich. Macht es Sie aber auch erfolgreich – oder nehmen Sie für Ihr Glück Abstriche beim Erfolg in Kauf?
Was ist die Definition von Erfolg? Wir sind eine sehr stark wachsende Firma. Ist es wichtig, dass wir noch schneller wachsen? Ist es wichtig, dass wir noch mehr verdienen, um uns noch mehr Büroräume und Mitarbeiter leisten zu können? Für mich stimmt das Tempo. Im Übrigen sind wir jetzt am Auflegen eines Waldfonds, der in nachhaltige Waldbewirtschaftung in Südamerika und Afrika gehen wird. Mit meinem Hintergrund als Almpächter habe ich eine ganz andere Kompetenz, wenn ich über Wald und Landwirtschaft rede. Selbiges gilt für unseren Erneuerbare-Energien-Fonds, wenn ich sagen kann, dass ich eine Alm mit einem Wasserkraftwerk bewirtschafte. Ich denke, dass ich von meiner Tätigkeit auf der Alm profitiere. Man ist viel bodennäher.
Überzeugt das Ihre Geschäftspartner?
Total. Bis vor einigen Jahren hatte ich Angst, über die Sache mit der Alm zu reden. Ich befürchtete, man würde mich als Freak abstempeln. Als ich kürzlich auf einer großen Konferenz über Wald und Landschaftspflege war, habe ich in meinen Vortrag eingebaut, dass ich sehr glücklich bin, den Termin noch wahrnehmen zu können, da ich in einer Woche auf die Alm muss. Ich habe regelrecht gespürt, wie die Aufmerksamkeit im Saal stieg. Ich denke, meine Glaubwürdigkeit war viel höher, als wenn ich einfach in Anzug und Krawatte über theoretische Konzepte gesprochen hätte.
Welches Leben ist eigentlich anstrengender – jenes in Frankfurt oder jenes auf der Weitenbergalm?
Ich möchte kein Bauer sein. Das ist schon eine sehr schwere Arbeit, mit der keine Freizeit verbunden ist. Aber ich bin hier auf der Alm ja so eine Art Spaßbauer, der weiß, dass nach 90 Tagen Schluss ist. Ich tanke im Sommer unglaublich viel Energie. Ich denke, wenn ich das nicht hätte, wäre mein Leben in der Stadt grau. Wenn es im Geschäftsleben mal nicht so gut läuft und ich dann an die Alm denke oder Almvorbereitungen treffe, dann hebt sich meine Stimmung.