SWZ: Herr Innerhofer, Sie betonen immer wieder, dass Sie sich für Wirtschaft interessieren, bezeichnen es neben Pilzesammeln und Fischen sogar als Ihr größtes Hobby. Ein nicht unbedingt alltägliches Hobby. Wie kamen Sie dazu?
Christof Innerhofer: Wirtschaft hat mich immer schon fasziniert, besonders das Vergleichen von Zahlen und Nummern. Ich hatte und habe Spaß mit Zahlen und Nummern – und Zahlen und Nummern waren auch meine Stärke in der Schule. In Mathematik, BWL oder Buchhaltung hatte ich „9er“; das Thema meiner Matura-Facharbeit war „Aktien und Börse“. Für die anderen Fächer dagegen hatte ich keine Begeisterung. Und deshalb passt eine Aussage, die ich immer wieder mache, nicht nur für den sportlichen Bereich, sondern auch hier: „Wenn man Spaß hat, dann hat man auch Erfolg.“
Warum haben es Ihnen die Zahlen so angetan?
In der Welt dreht sich ganz, ganz viel um Zahlen. Und aus den Zahlen, den Statistiken kann man vieles erfahren, besonders wenn man die Zahlen hinterfragt und versucht, Hintergründe zu erkennen und Erklärungen zu erhalten.
Mit welchen Wirtschaftsthemen befassen Sie sich konkret?
Mit Wirtschaftswachstum, Börse, Rohstoffen, Währungen, Zinsen etc. – doch nicht nur: Ich weiß auch, wie die Entwicklung bei Intimissimi (Das Unternehmen der Calzedonia-Gruppe, die hauptsächlich Unter- und Nachtwäsche sowie Bademoden vertreibt, ist Innerhofers Kopfsponsor; A.d.R.) ist: Wie hoch ist das jährliche Wachstum? Wie viele Geschäfte gibt es? Und ich interessiere mich dafür, wie die Entwicklung der Verkaufszahlen bei den Saisonkarten in der Wintersaison für den Speikboden (das Ski- und Wandergebiet ist ein weiterer Sponsor Innerhofers; A.d.R.) aussieht und wie viele Leute im Sommer und im Winter im Durchschnitt pro Tag die Aufstiegsanlagen nutzen.
Es heißt, Sie hätten sich mit 14 Jahren Ihre ersten Aktien gekauft. Stimmt das?
Ja. Das Interesse an Aktien hatte ich schon als Jugendlicher, das Wissen darüber allerdings nicht. Ich habe mir zu der Zeit manchmal in Zeitungen die Aktienkurse angeschaut, aber vor allem im TV-Teletext die Kurs-Charts verfolgt und gesehen, dass die Kurse ständig nach oben gehen – so wie es damals wegen der vielen neuen Internetunternehmen eben war.
In welche Aktien haben Sie als 14-Jähriger investiert?
Die ersten Aktien, die ich gekauft habe, waren vom damaligen Bürogerätehersteller Olivetti, der dann in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet und mehrmals Besitzer wechselte. Schlussendlich habe ich Aktien der Telecom besessen. Außerdem habe ich noch Internetaktien gekauft, die dann mit dem Platzen der sogenannten Dotcom-Blase im Jahr 2000 ihren Wert verloren haben. Nach diesem ersten negativen Erlebnis habe ich mich einige Jahre von Aktien ferngehalten.
Warum haben Sie als Jugendlicher in Aktien investiert anstatt in ein neues Fahrrad oder einen neuen Computer?
(lacht) Ich habe ja Aktien gekauft, damit ich mir mit dem Gewinn zwei Computer kaufen kann. Aber weil es nicht gelungen ist, wie geplant, bin ich dann erst ziemlich spät zu meinem ersten eigenen Computer gekommen.
Sie sind also gleich zu Beginn Ihrer „Börsenkarriere“ ….
… auf die Nase gefallen. Doch damals habe ich die Aktien einfach gekauft, ohne eine Strategie dahinter. Heute weiß ich, dass man an der Börse handeln muss, nicht hoffen. Und ich weiß auch, dass es an der Börse leichter ist, zu verlieren als zu gewinnen – ebenso wie beim Skifahren. Denn in der Zwischenzeit habe ich Bücher gelesen, mich im Internet informiert, mit Leuten, die sich auskennen, gesprochen usw. Nach einiger Zeit war ich so weit, dass ich wieder Aktien gekauft habe und mache das noch heute. Und ich bin ganz zufrieden damit, wie es läuft.
Ich bin niemand, der Aktien kauft, verkauft, kauft, verkauft. Ich suche eher nach langfristigen Investments. Wichtig bei Aktienkäufen ist mir, dass mir einleuchtet, dass der Geschäftsbereich und das Unternehmen eine Zukunft haben. Ich kaufe meist Aktien von Marktführern, Unternehmen die es bereits seit Jahren gibt. Ich springe nicht auf die sogenannten Megatrends auf, denn die Beispiele von den Hightech- und den Fotovoltaikfirmen haben gezeigt, dass das nicht sinnvoll ist.
Ja. Wenn sich heute jemand eine Immobilie kauft, dann schaut er sich an, mit welcher Rendite er rechnen kann. An der Börse schaut man sich das Kurs-Gewinn-Verhältnis an; dieses KGV liegt beim Elektroautohersteller Tesla beispielsweise bei 170. Das bedeutet, dass es 170 Jahre brauchen würde, bis das Unternehmen mit dem heutigen Gewinn den Wert seiner Aktien erwirtschaftet hat. Ein solches Unternehmen müsste demnach gewaltig wachsen, um dem Anspruch der Anleger gerecht zu werden. Doch wahrscheinlicher als ein solch enormes Wachstum ist – früher oder später – eine Enttäuschung der Anleger.
Ich kaufe Aktien als Beimischung für mein Portfolio. Doch ich besitze etwa auch Papiere mit Fixverzinsung.
Es gibt einen Experten, mit dem ich mich austausche. Und ich habe einen sehr guten Online-Börsenbrief abonniert.
Ich habe Bücher über Warren Buffett oder Bilanzanalyse gelesen. Mittlerweile informiere ich mich sehr viel im Internet, weil ich damit am einfachsten und schnellsten ein umfangreiches Bild erhalte: von Börsentrends über Zinsen bis hin zu Staatsverschuldung und Inflation. Gerne lese ich den Blog des Schweizer Börsenexperten und Fondsmanagers Marc Faber, der beispielsweise angekündigt hat, dass Kambodscha zum letzten Börsenparadies werden wird – ich muss allerdings zugeben, dass ich mich selbst bisher mit der dortigen, erst 2011 eröffneten Börse, an der nur sehr wenige Titel notieren, noch nicht näher befasst habe.
Ich denke, dass man vieles, das vor sich geht, automatisch erkennt. Nehmen wir zum Beispiel die Elektroautos: Bei uns hier sieht man kaum eines, und wenn man am Flughafen Los Angeles aus dem Flugzeug steigt, dann stehen dort am Parkplatz unzählige, und man sieht auch die vielen Ladestationen. Da kann man sich ausrechnen, dass die Elektroautos irgendwann auch bei uns stärker kommen werden, weil die Amerikaner in der Regel Vorreiter sind. Oder als ich vor sechs Jahren zum ersten Mal nach Argentinien zum Sommer-Skitraining gefahren bin, da war ein Euro 3,5 Pesos wert, mittlerweile sind es 14; das ist ein wahnsinniger Wertverlust für den Peso.
Ich habe den Eindruck, dass wir durch den Euro gewonnen haben. Zwar sagen viele Leute, es wäre besser für uns, wenn wir noch die Lira hätten, doch ich bin mir sicher, dass die Lira heute im Verhältnis zu anderen Währungen sehr, sehr schlecht dastehen würde. Und wenn man sieht, was den italienischen Staatsschulden bzw. den Staatspapieren in den vergangenen Jahren passiert ist, dann gehe ich davon aus, dass ohne Euro viele Leute viel Geld verloren hätten. Italien profitiert also vom Euro, während andere Länder, zum Beispiel Deutschland, nicht davon profitieren.
Erst wenn man außerhalb von Südtirol ist, sieht man, wie gut es hier läuft. Doch viele Südtiroler wissen das nicht zu schätzen – auch nicht, dass dank der vielen gut laufenden Skigebiete und des gesamten Tourismus die Wirtschaft drumherum läuft.
Der Tourismus und das, was damit zusammenhängt. Dieser Bereich macht nicht nur in meiner näheren Umgebung im Pustertal, sondern in ganz Südtirol einen sehr großen Teil der Wirtschaft und der Wertschöpfung aus.
Wenn es keinen Nutzen bringen würde, dann würden es die Unternehmen nicht machen – und meine Verträge würden nicht von Mal zu Mal erneuert werden. Die Unternehmen, für die ich als Testimonial auftrete, nutzen mich und meine Bekanntheit bestmöglich. Wir arbeiten eng zusammen, machen viel gemeinsam und auch mit Erfolg. Es wird sicher Leute geben, die sagen: „Der Christof hatte Glück, dass er in diese Tätigkeit hineingerutscht ist.“ Doch die Verträge habe ich nicht bekommen, weil ich zu Hause auf der Couch gelegen habe. Ich war immer disponibel, habe Events besucht und dort die richtigen Leute kennengelernt.
Wie eng die Zusammenarbeit und der Kontakt zwischen einem Testimonial und seinem Sponsor sind, hängt davon ab, was man will und wie man es aufbaut. Ich werde zum Beispiel um meine Meinung gefragt, so arbeite ich etwa mit Giorgio Armani an seiner Skibekleidungslinie, und wir sprechen darüber, was man anders, besser machen könnte. Ich habe sogar schon ein Angebot, nach dem Ende meiner Skikarriere bei Armani einzusteigen – in welcher Position genau, darüber haben wir noch nicht gesprochen. Aber ich bin offen für alles.
Wenn ich bei einem Großereignis eine Medaille gewinne, dann wird über mich geredet – doch wenn ich danach nichts daraus mache, dann redet nach einer bestimmten Zeit niemand mehr von mir. Und ohne gute Sponsoren sind gute Resultate nur halb so viel wert. Wenn ich meine sportlichen Erfolge bis zur Olympiade von Sotchi hernehme und die Kampagne von Intimissimi (die Fotos zeigen Christof Innerhofer in Unterwäsche bzw. „oben ohne“, A.d.R.), dann ist die Kampagne von Intimissimi für meine Bekanntheit, meinen Werbewert so viel wert, wie die gesamten sportlichen Resultate vorher. Wenn ich meine gesamtstaatliche Bekanntheit in Prozent aufteilen müsste, dann wären 40 Prozent meines Bekanntheitsgrades Intimissimi zu verdanken, 40 Prozent meinen sportlichen Resultaten und 20 Prozent Armani. Eine Olympiamedaille steigert den Bekanntheitsgrad international.
Grundsätzlich habe ich kein Problem damit. Trotzdem weiß ich: Je mehr man in der Öffentlichkeit steht, umso größer ist die Angriffsfläche für Kritik. Ich habe manchmal den Eindruck, dass es in Südtirol Leute gibt, die mir wegen meines Erfolges neidisch sind. Früher habe ich mir viele Gedanken über abfällige Bemerkungen gemacht, heute lache ich darüber. Denn diejenigen, die mich kennen, wissen dass ich noch immer der Christof bin, der ich vor zehn Jahren war.
Ich versuche, disponibel, höflich und freundlich zu sein und mir Zeit für alle und alles zu nehmen: Wenn mich jemand auf der Straße anspricht, freut es mich, mit demjenigen kurz zu „ratschen“, ein Foto zu machen oder ein Autogramm zu schreiben. Ich habe heuer zudem den Kindergarten und die Volksschule besucht und einen Skitag für Kids gemacht. Trotzdem gibt es Leute, die ein Problem mit mir haben – doch zugleich sehe ich derzeit auch so viele schöne Sachen, etwa wie sich Leute freuen, wenn sie mich treffen, oder Poster von mir in ihrem Zimmer hängen haben. Und man darf nicht vergessen, dass ich den größten Fanclub im Skiweltcup mit mehr als 1.000 Eingeschriebenen habe.
Manchmal werde ich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, in einer Bank oder als Anlageberater zu arbeiten. Aber das ist nichts für mich. In diesen Berufen kannst du nur Fehler machen: Findest du für den Kunden eine gewinnbringende Anlage, ist das normal. Verliert der Kunde Geld durch dein Tun, bist du der Depp. Was genau ich nach meinem Karriereende als Skifahrer machen werde, weiß ich noch nicht – aber mir stehen dank meiner Sponsoren einige Türen offen.