Brixen/Bozen – 2009 gründete die aus Cremona stammende Chiara Ferragni (gemeinsam mit ihrem damaligen Freund) den Blog The Blonde Salad, auf dem sie anfangs Fotos von sich selbst in verschiedenen Outfits veröffentlichte. Inzwischen ist aus dem Blog ein florierendes Unternehmen geworden: Die 30 Jahre alte Ferragni wohnt mittlerweile in Los Angeles, arbeitet mit Designern und Modehäusern zusammen, hat eine eigene Schuhkollektion und ziert die Cover von Modemagazinen rund um den Erdball. Ferragni gilt als eine der einflussreichsten Fashion-Bloggerinnen der Welt, verdient jährlich zweistellige Millionenbeträge und hat 9,4 Millionen Follower auf Instagram, dem kostenlosen Onlinedienst zum Teilen von Fotos und Videos. Was Chiara Ferragni macht und mag, interessiert die Netzgemeinde. Die junge Italienerin zählt damit zu den sogenannten Digital Influencern, Personen, die in einem oder mehreren sozialen Netzwerken stark präsent sind und zugleich hohes Ansehen genießen und deshalb für Marketing- und Werbungzwecke interessant sind.
Etwa 300 Dollar (ca. 275 Euro) pro Post koste Influencer-Marketing im Durchschnitt, war kürzlich in „Adweek“, einer US-amerikanischen Fachzeitschrift für Werbung und Marketing, zu lesen; wobei in der Reisebranche im Schnitt Kosten von „nur“ rund 205 Dollar (ca. 190 Euro) anfielen – ebenso viel wie im Beautysektor. Es geht aber auch deutlich billiger oder teurer: Die Mitglieder des auf Selbstinszenierung spezialisierten Kardashian/Jenner-Clans aus den USA beispielsweise sollen für einen (Werbe-)Post auf Instagram bis zu 360.000 Euro erhalten.
Zurück zu Chiara Ferragni: Der Social-Media-Star war im vergangenen Dezember (gemeinsam mit ihren beiden jüngeren Schwestern, die ebenfalls in diversen sozialen Netzwerken sehr aktiv sind) für einige Tage im Hotel Alpina Dolomites auf der Seiser Alm zu Gast. Auf Anfrage beim Hotel Alpina Dolomites hieß es, dass aus Gründen des Datenschutzes keine Fragen zu eventuellen Abmachungen und Verträgen beantwortet, aber auch allgemein keine Auskünfte zur Online-Marketingstrategie des Betriebs gegeben würden.
Fest steht: Auf ihrer Instagram-Seite hat Chiara Ferragni einige Fotos von dem Aufenthalt gepostet, zwei davon erreichten rund 150.000 Likes. Für Ferragni-Verhältnisse übrigens keine hohe Zahl, ihre Posts erreichen zum Großteil weit mehr als 200.000 Likes; die fast 740.000 Likes für ein Foto vom Heiratsantrag ihres Verlobten dürften in den vergangenen Wochen Rekord gewesen sein.
Die Seiser-Alm-Posts der jungen Bloggerin dürften dennoch – einer Analyse der Brixner Werbagentur Marketing Factory zu den Instagram-Aktivitäten von Südtiroler Hotels im Jahr 2016 zufolge – die reichweitenstärksten Instagram-Posts in Bezug auf heimische Hotelbetriebe sein. Dahinter folgen ein Post des Reiseblogs „Beautiful Destinations“ (9,1 Millionen Abonnenten auf Instagram) im Hotel Rosalpina Dolomites oberhalb von Brixen mit mehr als 141.000 Likes sowie ein Foto des deutschen Models Stefanie Giesinger (2,7 Millionen Instagram-Follower) im Hotel Therme Meran mit gut 97.000 Likes.
Marketing Factory hat für die Analyse, die im April anlässlich des siebenten Barcamps Südtirol in Meran präsentiert wurde, mehr als 55.000 Fotos von über 35.000 Instagram-Usern in mehr als 1.300 Hotels in Südtirol und dem Trentino erfasst und untersucht. „Mit Social Media werden Hotelgäste immer mehr zu Werbeträgern für Gastbetriebe. Wir möchten dies mit unserer Analyse messbarer machen. Durch den Einsatz einer Social Media Wall konnten wir bei einigen unserer Kunden bereits eine spürbare Steigerung dieser Aktivitäten erzielen“, erklärt Martin Tauber, Managing Partner der Marketing Factory, zur Analyse.
Neben den am häufigsten gelikten Instagram-Posts aus Südtiroler Hotels wurde unter anderem auch erhoben, welches Hotel im vergangenen Jahr die auf Instagram aktivsten Gäste hatte: Es ist dies das Miramonti Boutique Hotel in Hafling mit 1.686 Posts– durchschnittlich fünf Posts pro Tag, wobei der beeindruckende Infinitypool des Hauses ein besonders beliebtes Motiv war (siehe beistehendes Interview mit Miramonti-Inhaber Klaus Alber). Auf Platz zwei der Südtiroler Hotels mit den Instagram-aktivsten Gästen findet sich die Adler Spa Resorts (1.171 Posts) in Gröden, auf Rang drei das Bozner „Four Points by Sheration“ (934 Posts).
Die „reichweitenstärksten“ Gäste dagegen hatte das Hotel Rosalpina Dolomites: Mehr als 455.000 Mal wurden die rund 300 Fotos der Gäste geliked – also jedes Foto im Schnitt gut 1.500 Mal. Auf den Plätzen zwei und drei in dieser „Kategorie“ folgen das Miramonti Boutique Hotel sowie das Alpina Dolomites: Die fast 1.690 Posts, die das Miramonti betrafen, wurden ca. 413.000 Mal geliked (245 Likes/Post), die 234 Posts zum Alpina Dolomites holten etwa 250.000 Likes (1.067 Likes/Post).
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„Es kann auch negative Auswirkungen haben“
SWZ: Sie sind mit Ihrem Hotel nicht nur auf Instagram sehr aktiv, sondern grundsätzlich in den Social Media. Warum?
Klaus Alber: Weil wir an diese Marketingschiene sehr glauben. Wenn man sich umschaut, haben heutzutage viele – nicht nur junge – Leute ständig ihr Handy in der Hand und schauen immerzu, was passiert. Dazu kommt, dass wir ein relativ junges Unternehmen sind, welches vor fünf Jahren alles auf eine Karte gesetzt hat: Wir mussten mit Händen und Füßen kämpfen, um die richtigen Gäste auf das Miramonti Boutique Hotel aufmerksam zu machen und haben dafür auch Social Media genutzt.
Bringt diese Strategie den gewünschten Erfolg?
Ja. Wir hören von unseren Gästen immer öfter, dass sie Fotos auf Instagram gesehen und dass diese den Ausschlag dafür gegeben haben, einen Aufenthalt zu buchen. Vor 100 Jahren oder vor 50 Jahren war die Mund-zu-Mund-Werbung etwas vom Wichtigsten, heute ist sie genauso wichtig und funktioniert aber zum Teil über Social Media. Es spielen aber noch andere Dinge eine wichtige Rolle, denn die Hausaufgaben muss man letztendlich im Betrieb selbst machen. Man kann einem schlechten Produkt durch eine geschickte Marketingstrategie nicht zu einem langfristig positiven Erscheinungsbild verhelfen.
Inwiefern?
Man kann nicht nach außen „wow“ sagen bzw. sagen lassen, wenn es im Betrieb nicht funktioniert. Das heißt, die Qualität des Services und des Produkts selbst müssen passen. Je spitzer das Produkt ist, desto einfacher ist es, es am Markt zu positionieren: Wenn man dagegen zugleich ein Wellness- und ein Kinder- und ein Romantikhotel sein möchte, stellt sich viel öfter die Frage, wo man Werbung machen soll.
Sie haben vor fünf Jahren gesagt: „Wir sind das Boutique Hotel“…
Wir waren damals das erste, oder zumindest eines der ersten in Südtirol. Und entsprechend haben wir uns ausgerichtet. Boutique-Hotels unterscheiden sich durch persönlichen Service und Gestaltung. Täglich richten wir unser Handeln darauf aus, für Atmosphäre, Qualität und Individualität zu sorgen.
Wer kümmert sich bei Ihnen im Betrieb um den Bereich Social Media?
Meine Frau und ich machen das selbst. Wenn es um unsere eigenen Posts geht, dann braucht es im Grunde genommen nicht viel: ein Smartphone zum Posten sowie die Technik und „das Auge“, um ein schönes Foto zu machen. Dann gibt es ja vor allem noch die Gäste und besonders die Influencer, die ihren Weg zu uns finden und die uns mit ihren Posts in die Welt hinausbringen.
In diesem Sinne leisten wir selbst mit unseren Posts nur einen kleinen Beitrag dazu, uns zu präsentieren, sondern es sind vielmehr die Influencer. Und je interessanter das Produkt ist, desto eher posten diese, vor allem wenn es Highlights gibt.
Laden Sie auch Influencer, also Personen, die reichweitenstarke Social-Media-Accounts betreiben und die zu Ihrer Zielgruppe passen, in Ihr Haus ein?
Bisher habe ich noch nie einen Blogger oder eine Agentur angeschrieben und jemanden aktiv eingeladen. Bis dato war es so, dass wir gefunden wurden. Wenn Leute, die auf uns aufmerksam wurden, anfragen, dann geht es darum, als Unternehmer offen dafür zu sein: Wenn der Influencer oder Blogger im Haus ist, muss man ihn betreuen – stets wissend, dass immer wieder Personen dabei sind, die einen oder zwei Tage gratis im Haus wohnen. Wenn man diese Leute als Schmarotzer sieht, die für einen Gratisurlaub ein paar Fotos posten, dann funktioniert es natürlich nicht.
Laden Sie alle Blogger, Vlogger etc., die eine Anfrage schicken, zu sich ein?
Nein. Wir bekommen immer mehr Anfragen und selektieren dementsprechend stark – das ist sehr wichtig.
Sie schauen sich bei jeder Anfrage die Onlineauftritte des Anfragenden an und prüfen, wie viele Follower er hat, ob der Auftritt zum Miramonti Boutique Hotel und seiner Zielgruppe passt etc.?
Genau, das ist unbedingt notwendig. Denn schließlich ist man als Betrieb dann auf einer Website präsent, und wenn man auf „falschen“ oder „unpassenden“ Instagram-Seiten, Blogs oder Portalen präsent ist, kann das negative Auswirkungen auf das eigene Unternehmen haben. Wir arbeiten bei dieser Prüfung eng mit der MGM – Marketinggesellschaft Meran zusammen, der ich Anfragen von Bloggern weiterschicken darf und die mir dann bei der Auswahl helfen. Eine wirklich gute Unterstützung, wie ich finde.
Haben Sie für sich selbst Kriterien festgelegt, wie viele Follower ein Blogger, ein Influencer haben sollte, damit Sie ihn kostenlos bewirten oder ab wie vielen Likes ein Post rentabel ist?
Die Menge der Follower oder Likes finde ich weniger wichtig als die Qualität der Follower oder Likes.
Und wann passt die Qualität?
In unserem Fall ist das eine persönliche Einschätzung. Zum Beispiel ist die Qualität der Fotos ein Gradmesser oder auch die Follower – allerdings nicht die Menge derselben, sondern ob darunter welche sind, die zu uns in Urlaub kommen könnten.