SWZ: Herr Friedrich, Sie haben zusammen mit Ihrem Partner Matthias Weik das Buch „Der größte Raubzug der Geschichte“ geschrieben. Für ein Sachbuch ist das ein reißerischer Titel. Der Klappentext verspricht eine „spannende Reise in die Welt des Wahnsinns, der Lügen, des Betrugs und der größten Kapitalvernichtung, die die Menschheit je erlebt hat“. Lieben Sie es, dick aufzutragen, um wahrgenommen zu werden?
Marc Friedrich: Die Gegenwart zeigt uns doch, dass wir geradezu untertrieben haben. Ich gebe zu: der Titel ist reißerisch, aber nach Abschluss der zweieinhalbjährigen Recherchen zu unserem Buch haben wir keinen treffenderen Titel gefunden. Das, was gerade live vor unseren Augen abläuft, ist wirklich der größte Raubzug der Geschichte. Und wir alle sind die Opfer. Das, was passiert, hat mit Marktwirtschaft und Demokratie nichts mehr zu tun, auch nicht mit Kapitalismus. Wir reden nämlich von der Zwangsenteignung von Sparern. Sparer müssen geradestehen für Banken, die sich verzockt haben. Was wir angekündigt haben, beginnt Wirklichkeit zu werden, vor allem im Süden Europas. Und es wird leider alles noch viel schlimmer kommen.
Wo liegt denn der sprichwörtliche Hund begraben?
Ein Blick zurück zeigt: Alle Papiergeldsysteme, die ungedeckt waren und durch Zins und Zinseszins exponentiell gewachsen sind, sind gescheitert. Auch alle Währungsunionen sind gescheitert, und deshalb war der Euro von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Man kann einfach nicht Volkswirtschaften wie Griechenland und Portugal mit Volkswirtschaften wie Deutschland oder Österreich unter ein Zinskorsett zwängen. Der Euro ist eigentlich schon gescheitert, und er wird uns um die Ohren fliegen und viel Wohlstand kosten.
Das Buch heißt im Untertitel „Warum die Fleißigen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden“. Lässt sich mit Arbeit, mit Realwirtschaft kein Geld mehr verdienen?
Leider nicht. Selbst große Produktionsunternehmen sind mit Finanzgeschäften befasst. Wir haben errechnet, ab wann man Profiteur unseres derzeitigen Finanzsystems sein kann. Und das ist man in Europa, wenn man mindestens eine Million Euro aus Zinseinnahmen erzielt. Rein monetär profitieren demnach nur sehr wenige Menschen vom System. Dieses ungerechte System muss so verändert werden, dass es möglichst vielen Menschen dient. Die Niedrigzinsphase, die wir gegenwärtig erleben, ist ja schon eine schleichende Enteignung, denn ein Durchschnittssparer bekommt Zinsen unter der Inflationsrate. Da kann jemand mit ehrlicher Arbeit kein Vermögen mehr aufbauen. Die reichsten Menschen auf der Welt werden aber immer reicher, und dies auf Kosten der Allgemeinheit, da wir ein Schuldgeldsystem haben – die Schulden der einen sind die Vermögen der anderen.
Geld muss man im Normalfall verdienen, aber es gibt auch Einrichtungen, die Geld einfach schaffen können. Wer denn?
Das ist eine sehr wichtige oder gar die entscheidende Frage. Wir haben ein Notenbankensystem, und dieses kann Geld aus dem Nichts schöpfen. Das scheint genial. Aber auch jede Bank in Europa kann fast aus dem Nichts Geld schöpfen. Fiat lux, es werde Licht, heißt es in der Bibel, und wir haben daraus fiat money gemacht. Wenn eine Bank 100 Euro in bar bei der EZB hinterlegt, kann sie daraus 10.000 Euro machen. Ein Sparer bekommt für 100 Euro von der Bank vielleicht einen halben Prozent Zinsen, die Bank schafft damit aber 10.000 Euro, die sie für fünf Prozent oder mehr verleihen oder anlegen kann. Das ist ein geniales Geschäftskonzept, aber leider sittenwidrig und unsozial. Weil es exponentiell wächst, ist es auch zum Scheitern verurteilt durch eine mathematisch begrenzte Lebensdauer.
Was bedeutet das für die Investments?
Matthias Weik und ich waren früher Turbokapitalisten und haben in Aktien und alle möglichen Finanzprodukte investiert. Aber dann ist uns klar geworden, dass es so nicht weitergehen kann. Die Lösung lautet eindeutig: raus aus Papierwerten, rein in Sachwerte, egal, ob es Edelmetalle sind, ein Wald, Ackerland, eine Obstwiese, schottischer Whiskey oder eine schuldenfreie Eigentumswohnung. Natürlich können die Aktienkurse noch eine Weile laufen, denn es ist so viel Geld im System wie noch nie zuvor in der Geschichte der Menschheit. Dieses billige Geld vagabundiert um die Welt und sucht immer neue Anlagemöglichkeiten. Der DAX kann auch noch auf 10.000 Punkte steigen oder gar auf 80.000, aber dann haben wir eine galoppierende Inflation. Und Inflation ist immer eine schleichende Enteignung der Sparer und Bürger.
Tragen nur die Großbanken die Schuld an der aktuellen Misere oder müssen auch die politisch Verantwortlichen Gewissenserforschung betreiben?
Finanzbranche und Politik gehen da Hand in Hand. Dabei hüte ich mich davor, Banken-Bashing zu betreiben, denn die Banken haben eigentlich eine wichtige Funktion: Sie sammeln Geld von den Sparern und versorgen die Unternehmen und privaten Verbraucher mit Krediten. Aber die Deregulierung der Märkte hat dazu geführt, dass sich die Finanzwirtschaft von der Realwirtschaft abgekoppelt hat und ein gefährliches Eigenleben entwickelt. Sie dient nur noch sich selbst und muss auf den Pfad der Tugend zurückgeführt werden. Die Exzesse haben eine unglaubliche Blasenökonomie entwickelt. 2008 war ein Kinderfasching gegenüber dem, was uns jetzt droht. Wir haben seit damals ja eine Krise nach der anderen erlebt, nach der Subprime- oder Finanzkrise eine Wirtschaftskrise, Staatsschuldenkrise, Bankenkrise, Euro-Krise und insbesondere Vertrauenskrise. Wir erleben eine gesellschaftliche Systemkrise. Die Halbwertszeit der Rettungspakete wird immer kürzer und die Einschläge kommen immer näher und werden immer heftiger, das System ist am Ende – und es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Politik-Kaste etwas in die richtige Richtung treibt. Der Euro und die EU sind eine beispiellose Serie von Vertragsbrüchen, Lug und Betrug von oberster Stelle. Es werden am laufenden Band geltende Gesetze gebrochen, um das Überleben des Euro zu sichern, und dies ist für eine Währung, die lediglich auf Vertrauen basiert, ein sehr schlechtes Fundament. Ich befürchte, das notwendige Umdenken wird erst durch ein katastrophales Ereignis erzwungen, durch ein finanzielles Fukushima oder gar einen Bürgerkrieg. Der Druck wird von unten kommen.
Sie reden ja wie der italienische Anti-Politiker und Komiker Beppe Grillo, der auch mit dem alten System aufräumen will und bei den letzten Wahlen große Erfolge gefeiert hat.
Ja, absolut. Man mag von Grillo halten was man will, aber in den Grundthesen muss ich ihm leider zustimmen, denn die Politik ist nicht bereit, eine Kehrtwende einzuleiten. Das Einzige, was seit 2008 betrieben wird, ist volkswirtschaftliche Schadensmaximierung auf Kosten der Allgemeinheit. Und die Enteignung der Sparer in Zypern ist eine neue, dramatische Eskalationsstufe der Bankenrettung, die gezündet worden ist. Jetzt sollte jedem in Europa klar sein, dass sein Geld auf der Bank nicht sicher ist. Dies ist ein weiteres Indiz, dass das System geändert werden muss, Banken müssen pleite gehen dürfen, auch wenn sie systemrelevant sind, wie es heißt. Dieses System kann noch ein paar Jahre überleben, aber es wird zusammenbrechen, das gebe ich Ihnen schriftlich. Zuletzt wurde ja sogar mit Verstaatlichungen gearbeitet, auch in den USA; wenn Kernländer des Kapitalismus Instrumente des ehemaligen Erzfeindes Kommunismus anwenden, Unternehmen und Banken enteignen und gar die Enteignung von Sparern ins Auge fassen, dann sind das untrügliche Zeichen, dass etwas faul ist.
Was braut sich denn da zusammen?
Es wird immer deutlicher, dass die gegenwärtige Entwicklung einen gefährlichen Nährboden schafft für Extremisten, Nationalisten, Separatisten, aber auch für bürgerkriegsähnliche Zustände. Was in Griechenland geschehen ist, sollte eine Warnung sein, Katalonien will von Spanien weg, Schottland aus dem Vereinigten Königreich austreten, in Italien propagiert die Lega den Staat Padanien, auch in Südtirol gibt es Tendenzen zu einer Abspaltung. Die Arbeitslosenzahlen steigen, in manchen Gebieten der EU ist schon jeder zweite Jugendliche ohne Arbeitsplatz, die Schulden wachsen weiter, die Sozialsysteme und das Rentensystem drohen langfristig dem nicht mehr gewachsen zu sein. Da haben die Menschen keine Perspektive mehr, sie werden auf die Straße gehen und eventuell eine Revolution machen. Ich bin überzeugter Europäer, aber der Euro eint nicht Europa, der Euro zerstört Europa. Das Experiment muss ad acta gelegt werden, bevor noch Schlimmeres passiert.
Die Alternative wäre, Banken und Staaten Bankrott machen zu lassen. Aber das ist ja auch schlimm für die Bevölkerung.
Absolut. Ich habe ja den Staatsbankrott in Argentinien miterlebt, der hat mich geheilt und mein Weltbild verändert. Da hat man gesehen, wie schnell ein ungedecktes Papiergeldsystem implodieren kann, wie schnell das Vertrauen weg ist. Ein Staatsbankrott ist natürlich verheerend, und man darf nie vergessen, dass die Bürger die Zeche zahlen. In Argentinien wurde die gesamte Mittelschicht ausgelöscht, der Peso um 75 Prozent entwertet. Wenn man Staaten und Banken Pleite gehen lässt, dann hat dies auch eine reinigende Wirkung, und es wird der Boden bereitet für Neues. Schauen Sie sich das Beispiel Island an. Island hat alles richtig gemacht, nämlich die Banken Bankrott gehen lassen, die Verantwortlichen vor Gericht gestellt und die ausländischen Gläubiger nicht bedient. Die Isländer haben einige harte Jahre durchgemacht, aber sie stehen heute wieder besser da als je zuvor. Wir dagegen haben uns für einen schleichenden Tod entschieden.