Ich habe an die 15 Jahre in Bozen gewohnt und mir immer eingebildet, die Stadt gut zu kennen. Vor einiger Zeit wurde ich eingeladen, an einer Führung durch die Altstadt teilzunehmen. Und siehe da: Ich kam an wunderbare Orte, die ich nicht gekannt hatte, und ich erfuhr viel Neues. Unter anderem erzählte uns die Führerin unter den Lauben, dass in Bozen einmal eine Fenstersteuer eingehoben wurde, was dazu führte, dass mit Öffnungen gegeizt und manches bestehende Fenster zugemauert worden ist. Unlängst hat dann Gregor Khuen-Belasi, der Eigentümer der Burgruine Lichtenberg oberhalb von Prad, meiner Kollegin Simone Treibenreif im Zuge einer Recherche mitgeteilt, dass früher einmal eine Dachsteuer bezahlt werden musste, was zum Verfall vieler Burgen beigetragen hat.
Da das Thema Steuern immer aktuell ist und oft vermutet wird, unsere Politiker seien bei der Erfindung neuer Steuern sehr fantasievoll (die Palette reicht von der Alkoholsteuer über die Erbschaftssteuer und die Kfz-Steuer bis zur Zündholzsteuer), habe ich ein wenig nachgeforscht, welche Steuern in früheren Zeiten so eingehoben worden sind. Dabei hat sich herausgestellt: Besteuert wurde und wird vielfach das, was die Menschen gerade gerne haben oder unbedingt brauchen, denn dafür sind sie bereit zu zahlen. Wenn es allerdings übertrieben wird mit den Abgaben, dann bewirkt dies langfristig neue Trends und Gewohnheiten. Beispiele dafür sind die stark ins Gewicht fallenden Akzisen auf Benzin und Diesel oder die Gebäudesteuer (IMU), während es einst die Hutsteuer war, die 1784 bis 1811 in England erhoben wurde, die Perückensteuer, die der Preußenkönig Friedrich I. zu Beginn des 18. Jahrhunderts einführte, oder die bereits genannte Fenstersteuer, die es seit Beginn der Neuzeit in vielen Ländern Europas gab und die zuletzt 1910 in Spanien abgeschafft wurde.
Im Altertum deckten manche Herrscher ihren Finanzbedarf durch Tribute unterworfener Völker, im alten Athen wurden dann bereits allerlei Arbeits- und Dienstleistungssteuern eingeführt und besonders die Nicht-Athener zur Kasse gebeten, und das Römische Reich kannte verschiedene Abgaben, etwa solche auf das Vermögen, aber auch eine Grund- und Kopfsteuer. Angesichts des steigenden Finanzbedarfs Roms wurden Steuern erdacht, die gut in eine Sammlung steuerlicher Kuriositäten passen. Kaiser Vespasian, der 69 bis 79 n. Chr. regierte, führte eine Steuer auf öffentliche Toiletten ein und reagierte auf ein diesbezügliches Murren mancher Bürger mit dem berühmten Ausspruch „Pecunia non olet“ (Geld stinkt nicht).
Das Mittelalter ist gekennzeichnet durch Naturalabgaben (den Zehnten), die Einhebung von Straßen- und Brücken- und Torzöllen, den Verkauf von Markt- und Stadt-, Salz-, Jagd- und Fischereirechten oder auch Monopolen (Woll- und Gewürzmonopol). Im Spätmittelalter wurden dann verstärkt indirekte Steuern wie etwa Abgaben auf Bier, Wein und Salz erhoben.
Richtig erfindungsreich wurden die Staaten und Länder in der Neuzeit. Das Büchlein „Schotts Sammelsurium“, eine Fundgrube von kuriosen, aber durchaus wissenswerten Dingen, listet neben der bereits genannten Fenster- und Hutsteuer auch eine Handschuh-, Würfel-, Haarpuder-, Parfüm- und Tapetensteuer auf. Bis zur Verbreitung des Autos gab es in manchen Staaten eine Fahrradsteuer, und auch hinter den Begriffen Katzen-, Versicherungs-, Glühlampen-, Spielkarten-, Papier- und Zuckersteuer stehen real existierende Abgaben. Zur schlimmsten Wortschöpfung war Nazideutschland fähig, das die Reichsfluchtsteuer einführte, mit welcher jeder Vermögenstransfer von Auswanderern belegt wurde.
Kurz: Es gibt wenig, was im Laufe der Jahrhunderte nicht besteuert worden wäre. Die Reihe der extravaganten Steuern beginnt mit der Schlammsteuer, die im alten Ägypten eingehoben wurde, wo der Nil jedes Jahr die Felder überschwemmte und fruchtbar machte, was der Pharao zum Abklassieren nutzte, dessen Beamte einfach Maß nahmen: je tiefer der Schlamm, umso höher die Steuer. In Deutschland, genauer: in Baden-Württemberg, wurde im 18. Jahrhundert eine Spatzensteuer eingeführt. Dieser lag die Überlegung zugrunde, dass diese Vögel Schädlinge seien, sodass jeder Bürger verpflichtet wurde, pro Jahr mindestens zwölf von ihnen zu fangen und abzugeben. Wer das nicht schaffte, musste zahlen. Heute könnten höchstens Norbert Rier und seine große Fangemeinde einer Spatzensteuer unterworfen werden.
Aber auch die Russen waren „fiskalisch“ recht erfinderisch. Zar Peter der Große (1672 bis 1725) wollte die Männer in seinem Reich umerziehen und führte deshalb eine Bartsteuer ein, nachdem er von einer Reise nach Westeuropa mit dem Eindruck nach Hause gekommen war, dass sich viele Männer dort rasieren und so moderner wirken. Der Herrscher veranlasste die Würdenträger in seiner Umgebung, sich die Bärte zu scheren und zwang alle, die in eine Stadt wollten, eine Abgabe zu entrichten, wenn sie das Zeichen ihres Mannseins behalten wollten. Wer bezahlte, erhielt als Beweis eine Kupfermedaille, und wer ohne diese ertappt wurde, kam gewaltsam unter das Rasiermesser.
Zum Abschluss die vielleicht wundersamste Steuer, die mir untergekommen ist, nämlich die Jungfernsteuer. So wurde eine Abgabe genannt, die zu Beginn des 18. Jahrhunderts unverheiratete Frauen zwischen 20 und 40 Jahren in Berlin bzw. Preußen entrichten mussten. Mit ihr wurde das Ziel verfolgt, Ledige zur Eheschließung und zum Kinderkriegen zu veranlassen.
Da kann man nur in Abwandlung eines lateinischen Ausspruches sagen: „Tempora muntantur, et tributa mutant in illis”(die Zeiten ändern sich , und die Steuern ändern sich mit ihnen).