Bozen – Die deutsche Bundestagsabgeordnete Petra Hinz trat kürzlich wegen ihres gefälschten Lebenslaufs zurück: Sie hatte sich Abitur, Studienabschluss und Jus-Staatsexamen erfunden.
Karl-Theodor zu Guttenberg, über Plagiate in seiner Dissertation gestolperter ehemaliger deutscher Verteidigungsminister, hat laut F.A.Z. auch sein Curriculum Vitae etwas aufgeblasen und aus zwei mehrwöchigen Praktika während seiner Studienzeit „berufliche Stationen in Frankfurt und New York“ gemacht.
Beppe Pezzoni trat im Dezember 2015 als Bürgermeister der lombardischen Stadt Treviglio zurück und kündigte bei seinem Arbeitgeber, dem Centro Salesiano Don Bosco di Treviglio, bei dem er unterrichtete und die Position des Schulpräsidenten innehatte, nachdem herausgekommen war, dass er – entgegen eigenen Angaben – keinen Studienabschluss hat.
Und vor einigen Wochen sorgte Melania Trump, Ehefrau des amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump, für Schlagzeilen, weil sie im Lebenslauf auf ihrer (mittlerweile gelöschten) Website angeführt hatte, sie habe ein Diplom in Design und Architektur der Universität von Ljubljana – obwohl sie dieses Studium laut Medienberichten nie beendet hat.
Diese prominenten Beispiele zeigen, was viele Personalverantwortliche von Unternehmen und Organisationen und zahlreiche Bewerber auch längst wissen: Wenn es um eine gute Selbstdarstellung bzw. eine interessante Arbeitsstelle geht, wird die Vita manchmal etwas zurechtgebogen.
Laut Schätzungen enthalten fünf bis zehn Prozent der Lebensläufe von Bewerbern handfeste Lügen
Zehn Prozent aller Lebensläufe von Bewerbern enthalten handfeste Lügen, vermutet Wolfram Tröger, Vorsitzender des Fachverbandes Personalberatung und Personalberater im Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU), laut „Welt Online“. Hannes Mair, Inhaber der Bozner Personalberatung „look4u“, schätzt, dass in etwa fünf Prozent der Bewerbungen „schwerwiegende Unwahrheiten“ zu finden sind. „Nicht korrekt allerdings – also mit geschönten Sprachkenntnissen, fehlerhaften Bezeichnungen der Qualifikation und Ähnlichem – sind deutlich mehr; ich würde meinen, so in etwa die Hälfte“, sagt Mair.
Bei Studienabschlüssen werde kaum geschwindelt, weil der Großteil der Arbeitgeber die entsprechenden Diplome im Original nachfragt. Und Sprachkenntnisse oder Fachwissen könnten relativ einfach überprüft werden. „Wenn jemand zum Beispiel angibt, Lohnbuchhalter zu sein, eigentlich aber das Stundenregister der Mitarbeiter führt, dann findet man das mit ein wenig Hintergrundwissen über den jeweiligen Beruf schnell heraus“, so Mair. „Ich empfehle meinen Kunden, eine Liste von vom Bewerber gewünschten Fähigkeiten zu erstellen, die durch kleine Aufgaben überprüft werden können.“
Manchmal, so Mair, seien Unternehmen auch selbst schuld am Geltungsbedürfnis bzw. am Schwindeln der Bewerber. „Für viele Positionen wird heutzutage eine hochtrabende Umschreibung gefunden, ganz nach dem Motto: Hauptsache ein ‚Manager‘ in der Arbeitsbezeichnung“, führt Mair aus. „Deshalb haben Bewerber manchmal den Drang, eigene Position und Verantwortungsbereich größer und wichtiger zu machen, als sie waren.“
Das Phänomen, die eigene Position überzubewerten – zum Teil deutlich –, kennt auch Tatiana Coviello, Leiterin der Direktion Human Resources der Südtiroler Volksbank. „Ich kann mich an einen Fall erinnern, als sich bei einer Stellenausschreibung über einen Headhunter eine Person gemeldet hat, die in ihrem Lebenslauf eine frühere Position als Assistentin einer Führungskraft zur eigenen Führungsposition gemacht hat“, so Coviello. „Über unser Netzwerk ist das aber schnell herausgekommen.“
Als Lügner möchte Coviello die Bewerber jedoch nicht bezeichnen. „In den meisten Fällen würde ich es eher ein Verschönern des Curriculums oder der bisherigen Arbeitsbedingungen nennen.“ Da das relativ häufig vorkomme, prüfe die Volksbank stichprobenartig nach, ob die angegebenen Infos in den Lebensläufen der Bewerber den Tatsachen entsprechen, etwa indem bei ehemaligen Arbeitgebern nachgefragt werde. „Da das beispielsweise bei Jungakademikern nicht möglich ist, holen wir über Mitarbeiter und unser Netzwerk Referenzen ein“, so Coviello.
Gerne wird über angebliche bisherige Vergünstigungen die Unwahrheit gesagt
Die wohl häufigsten Falschangaben beträfen die Sprachkenntnisse, doch gerne schwindeln Bewerber auch bei „Hard Facts“ wie dem früheren Gehalt oder Benefits. „Es ist mir zum Beispiel einmal passiert, dass ein Bewerber angegeben hat, er hätte ein Firmenauto, doch auf Nachfrage beim Arbeitgeber habe ich dann erfahren, dass die Person einfach auf ein Auto aus dem Unternehmensfuhrpark zurückgreifen konnte, falls für eine Aufgabe nötig“, erzählt Coviello. Die Angaben zum früheren Gehalt würden durch das Einfordern eines CUD oder der letzten Gehaltsabrechnung überprüft.
„Lügen“, unterstreicht Coviello, „haben bei Bewerbungen wirklich kurze Beine, denn über das Internet und das persönliche Netzwerk findet man mittlerweile so viel heraus …“ Deshalb empfiehlt sie Bewerbern, stets offen und ehrlich zu sein und sich über das jeweilige Unternehmen zu informieren – „und sich in ihrer Bewerbung abzuheben, zum Beispiel durch ein außergewöhnliches Motivationsschreiben.“ Beruf liche Online-Netzwerke wie Linkedin oder Xing sieht Coviello zwiegespalten. „Ich habe den Eindruck, dass nur etwa die Hälfte der Profile den Tatsachen entspricht und dass die Portale für viele vor allem ein Marketingtool sind“, sagt die Volksbank-Führungskraft. „Deshalb finde ich die Plattformen gut, um potenzielle Kandidaten zu finden, doch dann muss genau überprüft werden, ob alle Angaben auch tatsächlich der Wahrheit entsprechen.“
Ulrike Oberrauch, Human Resources Managerin beim Bozner Unternehmen Technoalpin, bewertet die beruflichen Netzwerke als „absolut positiv“, obwohl sich mancher in
ein besseres Licht rückt und Marketing in eigener Sache betreibt. „Alles glauben“, bringt es Oberrauch auf den Punkt, „was jemand schreibt, tue ich eh schon lange nicht mehr. Es ist schon fast normal geworden, dass sich Bewerber überbewerten, zum Beispiel wenn es um die Sprachkenntnisse geht.“
Deshalb überprüft Technoalpin von Kandidaten angegebene Kenntnisse und Kompetenzen einerseits – und so weit möglich – in der Bewerbungsphase. „Andererseits ist es in der Privatwirtschaft aber auch so, dass der Verantwortliche meist recht schnell begreift, ob ein neuer Mitarbeiter die nötigen Kompetenzen hat oder nicht. Deshalb gibt es auch eine Probezeit bzw. befristete Verträge“, so Oberrauch.
In ihrer Zeit im Personalwesen habe sie lediglich einen eklatanten Fall von Täuschung miterlebt. „Das war vor mehr als zehn Jahren und betraf eine Person aus Deutschland, die gefälschte Universitätsdiplome vorgelegt hat“, erinnert sich Oberrauch. Die Fälschung zu entlarven, sei ihr damals durch eine Recherche im Internet gelungen.
Bestes Mittel gegen Lügen und Unwahrheiten im Lebenslauf: ein persönliches Gespräch
Auch im Gastgewerbe ist Schwindeln gang und gäbe. „Gefälschte Diplome waren vor 20 Jahren ein Problem: Die damals noch Nicht-EU-Bürger aus Osteuropa durften nur angestellt werden, sofern sie ‚qualifiziert‘ waren – Diplome und Zertifikate, die eine solche Qualifikation nachweisen sollten, wurden häufig gefälscht“, erinnert sich Wilfried Albenberger, Leiter der HGV-Personalberatung.
Heute dagegen betreffen die Un-
wahrheiten eher den Stand von Kenntnissen, die häufig nicht schriftlich („Tabellarische Lebensläufe sind im Gastgewerbe nicht für alle Positionen die Regel“), sondern bei Telefongesprächen abgefragt werden. „Ein Beispiel: Ein Gastwirt sucht ein Zimmermädchen mit Deutschkenntnissen; telefonisch meldet sich jemand, der gut Deutsch spricht, doch die Person, welche die Stelle dann antritt, ist nicht dieselbe, mit der der Gastwirt telefoniert hat“, so Albenberger. „Oder wenn etwa ein Koch gesucht wird, dann kann ein Bewerber von auswärts durchaus schon seit Jahren als Koch gearbeitet haben, das bedeutet aber noch lange nicht, dass er auch der Südtiroler Küche mächtig ist.“
Es komme auch vor, dass bestimmte Informationen einfach nicht angegeben werden – wohl bewusst. „Mancher führt beispielsweise seine bisherigen Arbeitgeber an, aber nicht die jeweilige Tätigkeit“, führt Albenberger aus. Das beste Gegenmittel gegen Lügen und Unwahrheiten sei meist ein persönliches Gespräch und eine Überprüfung der Kenntnisse. „Das ist aber nicht immer möglich. Wenn sich etwa auf eine Stellenausschreibung jemand aus Ungarn, jemand aus Polen und ein Dritter aus Kalabrien meldet, dann ist es schwierig, persönliche Gespräche zu vereinbaren“, sagt Albenberger. Und so werde häufig auf telefonische Vorstellungsgespräche gesetzt, was mitunter die genannten Schwierigkeiten mit sich bringt. Doch da mancher Gastwirt sich beim Besetzen bestimmter Stellen schwer tue, würden diese Unannehmlichkeiten in Kauf genommen.
Chefs und Personalverantwortliche haben es also quer durch die Wirtschaftssektoren nicht leicht mit dem Suchen und Finden neuer Mitarbeiter: Nicht nur den – zumindest auf dem Papier bzw. laut Bewerbung – passenden Kandidaten zu finden, ist mitunter schwierig. Denn ist dieser Schritt erst einmal gelungen, gilt es zu überprüfen, ob alle Angaben des Bewerbers tatsächlich stimmen. Ganz nach dem Motto: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.