Bozen – Nach außen hin ist alles ruhig. Hinter den Kulissen aber herrscht Unruhe. Seit die Südtiroler Volksbank in ihrer Halbjahresbilanz einen Verlust von rund 100 Millionen Euro ausgewiesen hat, macht sich mancher Volksbankaktionär Sorgen und weiß nicht, ob er den beschwichtigenden Aussagen der Bankführung trauen soll. Auch ist eine alte Diskussion wieder aufgeflammt, die immer dann zurückkehrt, wenn es einer der beiden annähernd gleich großen Südtiroler Regionalbanken – der Südtiroler Volksbank oder der Südtiroler Sparkasse – schlechter geht: Müssen Volksbank und Sparkasse fusionieren, um nicht irgendwann als Happen im Bauch einer Großbank zu landen?
Südtirols funktionierendes Lokalbankensystem ist von unschätzbarem (und zuweilen unterschätztem) Wert für den Wirtschaftsstandort und ein wichtiger Finanzierungspartner. Das benachbarte Trentino dient als abschreckendes Beispiel: Es hat seine Regionalbanken an auswärtige Käufer verloren, denen jene enge Bindung zum Territorium fehlt, welche Sparkasse, Volksbank und auch Raiffeisen in Südtirol haben. Daher darf es nicht verwundern, dass der Generalrat des Unternehmerverbandes unlängst die Volksbank-Spitze eingeladen hat, um sich aus erster Hand ein Bild zu machen.
Südtirol ist mit seinen drei im Wettbewerb stehenden Bankenpolen stets gut gefahren. Nun fürchten Wirtschaftstreibende um dieses Gleichgewicht. Sie wissen, dass es nie eine gute Nachricht ist, wenn eine der drei lokalen Bankengruppen Probleme hat. Vor ein paar Jahren galt dies für die Sparkasse, und jetzt wird die Volksbank als angeschlagen wahrgenommen.
Die Sparkasse verbuchte 2014 aufgrund hoher Rückstellungen für uneinbringliche Kredite einen Verlust von 230 Millionen Euro, doch gelang es ihr Ende 2015, ihr Kapital um 204 Millionen zu erhöhen (davon entfielen 178 Millionen auf die Stiftung), so dass sie die Zielwerte für die Vermögenskennzahlen (insbesondere bezüglich der Kernkapitalquote) wieder erreichte und übertraf. 2017 erzielte die Bank einen Reingewinn in Höhe von 14 Millionen und 2018 von 23,6 Millionen.
Die Volksbank nahm fast zeitgleich mit der Sparkasse erfolgreich eine Kapitalerhöhung um rund 96 Millionen vor, inkorporierte die Popolare di Marostica, vollzog die Umwandlung in eine AG und erzielte in dieser Zeit bessere Ergebnisse als die Sparkasse. 2016 betrug der Reingewinn knapp acht Millionen, 2017 waren es 24 Millionen, 2018 gar 34 Millionen. Das Halbjahresergebnis 2019 sieht jetzt die Sparkasse im Vorteil. Sie hat einen Nettoüberschuss von gut 14 Millionen Euro erzielt, während die Volksbank den erwähnten Verlust von rund 100 Millionen ausweist. Im Vergleich zu den Raiffeisenkassen ist die Ertragslage beider Bankinstitute bescheiden: Die Raiffeisenkassen inklusive Landesbank erzielten 2018 einen Reingewinn von 106 Millionen Euro.
Die Einschätzungen über den Gesundheitszustand von Volksbank und Sparkasse gehen bei den Präsidenten Otmar Michaeler und Gerhard Brandstätter weit auseinander (siehe beistehende Aussagen). Während Brandstätter bei der Volksbank Bedarf an frischem Kapital ortet, damit überhaupt an eine Fusion gedacht werden könnte, ist für Michaeler diese Aussage haltlos und die Volksbank abseits temporärer Schwierigkeiten langfristig besser aufgestellt als die Sparkasse. Aussage steht gegen Aussage. Einige außenstehende Bankfachleute wiederum meinen, dass sowohl Volksbank als auch Sparkasse etwas mehr (Kapital-)Fett auf den Rippen guttäte, um gerüstet zu sein für Unvorhergesehenes. Allerdings fliegt den Banken das Kapital nicht mehr zu wie in den goldenen Zeiten. Im Gegenteil, viele der 26.000 bzw. 60.000 Sparkasse- und Volksbankaktionäre sind enttäuscht und besorgt, weil die Papiere, die am Hi-MTF-Markt gehandelt werden, Ladenhüter sind, so wie auch die Papiere anderer dort kotierter Banken. Der Startpreis von 14,08 Euro (Volksbank) und 9,76 Euro (Sparkasse) ist auf derzeit 11,9 bzw. 9,05 Euro gefallen – weit weg von Werten aus den goldenen Zeiten.
Fakt ist, dass die Banken ganz allgemein schwierige Zeiten durchleben: Das niedrige Zinsniveau – von der Europäischen Zentralbank erzwungen – macht das Geldverdienen schwierig, das Internet hält die Kunden zunehmend von den Bankfilialen fern und gebärt konkurrierende Angebote, die regulatorischen Auflagen treiben die Kosten, zumal in kleineren Banken. Die Bankenaufsicht drängt daher seit Jahren auf größere Einheiten, in der Hoffnung auf Stabilität.
Wäre also eine Fusion von Sparkasse und Volksbank sinnvoll? Ganz so abwegig erschiene ein Zusammengehen vor den genannten Hintergründen nicht. Es heißt, Volksbankpräsident Otmar Michaeler habe das Gespräch mit der Sparkasse bereits aktiv gesucht. Er selber bestreitet das. Zugleich gibt es Bedenken, ob eine Fusion wirklich ein stärkeres Bankinstitut ergeben würde. Bedenkenträger in der Sparkasse wähnen ihre Bank alleine stärker. Und Bedenkenträger in der Volksbank befürchten das Ende einer echten Südtiroler Unternehmerbank, weil die Sparkasse am Gängelband der Politik hänge. Sicher ist, dass sich die Marktanteile von Volksbank und Sparkasse im Falle einer Fusion nicht einfach summieren ließen – erstens wegen der Auflagen zur Risikostreuung, zweitens weil es Kunden gibt, die entweder nicht mit der Volksbank können oder nicht mit der Sparkasse. Womöglich wäre Raiffeisen der lachende Dritte.
Also doch keine Fusion? Unter Umständen genügt es, das Businessmodell zu überdenken und das Filialnetz auszudünnen, inklusive Mitarbeiterabbau, meinen Bankexperten. In Deutschland etwa haben kürzlich die Frankfurter Volksbank und die Taunus Sparkasse beschlossen, die Kooperation der Konkurrenz vorzuziehen und in ihrem gesamten Einzugsgebiet gemeinsame Filialen zu betreiben.
Die Führungsriegen von Volksbank und Sparkasse müssen schwierige Entscheidungen treffen, die nicht nur für sie selbst und ihre Bank wichtig sind – sondern auch für Südtirol.
















