Bozen – „Unsere Büros befinden sich in einem Altbau in der Bozner Innenstadt. Wenn die Räume nach einigen sehr heißen Tagen einmal aufgeheizt sind und draußen 37 Grad im Schatten gemessen werden, steigt die Innentemperatur bei uns immer wieder auf 30 oder gar 31 Grad an. Wir alle leiden, und eine meiner Mitarbeiterinnen hat kürzlich angedroht, einfach zu Hause zu bleiben, wenn sich das nicht ändert. Sie hat vermutet, dass sie das Recht hat, unter diesen Umständen gar nicht zur Arbeit zu kommen bzw. zumindest Urlaub zu nehmen. Wie ist die diesbezügliche Rechtslage?“ Mit dieser Frage hat sich Anfang dieser Woche der Inhaber eines Dienstleistungsunternehmens an die Redaktion der SWZ gewandt und darauf verwiesen, dass er im deutschen Fernsehen einen Bericht gesehen hat, wonach es dort zwar kein Hitzefrei gibt, aber der Arbeitgeber ab einer Raumtemperatur von 30 Grad eingreifen muss, etwa indem er Jalousien anbringt, wenn es keine gibt, in der Nacht durchlüftet, die Arbeitszeit der Witterung anpasst, Ventilatoren einsetzt oder eine Klimaanlage einbauen lässt. Ab 35 Grad Raumtemperatur dürfe in Deutschland in der Regel nicht mehr gearbeitet werden. In diesem Fall müssen die Arbeitnehmer/-innen mit dem Chef besprechen, was zu tun ist.
Und wie ist es in Italien? Weil vermutlich auch andere Arbeitgeber mit dieser Frage konfrontiert sind, hat die SWZ ein wenig recherchiert. Das Ergebnis ist nicht sehr befriedigend, denn es besteht in der Erkenntnis, dass der Gesetzgeber diesen Bereich zwar geregelt hat, aber die Normen nur allgemeine Aussagen umfassen, so dass in der Praxis viele Fragen offen bleiben.
Da gibt es einmal den Art. 2087 des Zivilgesetzbuches, der besagt, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, die Gesundheit sowie die physische und psychische Unversehrtheit der Arbeitnehmer zu schützen. Unternehmer müssen demnach bei der Ausübung ihrer Tätigkeit aufgrund der gemachten Erfahrungen und der zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten alle jene Vorkehrungen treffen, die zum Schutz ihrer Mitarbeiter notwendig sind. Im Zweifelsfall ist es Kompetenz der Arbeitsgerichte, Verstöße festzustellen. Die Probe aufs Exempel wird immer dann gemacht, wenn es aufgrund der Hitze zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung kommt, etwa wenn ein Arbeiter wegen der Hitze einen Kreislaufkollaps, einen Sonnenstich (Irritation des Gehirns und der Hirnhaut durch starke Sonneneinstrahlung) oder gar einen Hitzeschlag erleidet, von dem man dann spricht, wenn große Anstrengung in Verbindung mit starker Hitze das Temperatur-Regulationssystem des Körpers außer Gefecht setzt.
Auch der Einheitstext der Gesetze über die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz (Gesetzesdekret 81/2008) verpflichtet Arbeitgeber, alle Risiken abzuwägen, die aus physischen Gegebenheiten resultieren, darunter aus dem Mikroklima am Arbeitsplatz, wobei diese Risiken unmittelbar die Gesundheit und Sicherheit gefährden oder auch langfristig wirken können. Bei der Risikobewertung muss der Arbeitgeber demnach auch die Temperaturen am Arbeitsplatz berücksichtigen, wo es nicht zu kalt, aber auch nicht zu heiß sein darf. Wann es zu kalt oder zu heiß ist, wird aber nicht genau umrissen. Das Dekret besagt lediglich, dass der Arbeitgeber immer dann, wenn es nicht möglich ist, die Temperatur des gesamten Umfeldes zu beeinflussen, lokale bzw. individuelle Maßnahmen gegen zu tiefe oder zu hohe Temperaturen treffen muss.
Einen Anhaltspunkt bietet laut Experten eine bald 60 Jahre alte Norm. Art. 281 des DPR 128/1959, der allerdings nur die Arbeit in Steinbrüchen und ähnlichen Einrichtungen betrifft, besagt, dass ein Achtstundentag im Freien nur bis zu einer Temperatur von 30 bis 32 Grad im Schatten zumutbar ist und die normale (körperliche) Arbeit untersagt ist, wenn die Temperatur über 35 Grad steigt.
Einen weiteren Hinweis liefert das INPS-Rundschreiben Nr. 1856/2017, mit dem das Institut auf Fragen in Zusammenhang mit der Beanspruchung der Lohnausgleichskasse laut Jobs Act (D.Lgs. 148/2015) eingeht und das ebenfalls die Arbeit im Freien betrifft. Dort heißt es, dass – abhängig von der Art der Arbeit, der Meereshöhe der Baustelle und dem Stand der Arbeiten – bei einer Außentemperatur von null Grad oder weniger die Beanspruchung der ordentlichen Lohnausgleichskasse zulässig ist. Das kann für einige Stunden am Tag sein (für die Morgenstunden, wenn es am kältesten ist), aber auch für die ganze Zeit, und zwar auch dann, wenn nicht über alle 24 Stunden des Tages Frost herrscht. Weiter schreibt das INPS, dass auch sehr hohe Temperaturen, das sind solche über 35 Grad, ein Grund für die Beanspruchung der Lohnausgleichskasse sein können, insbesondere wenn der Arbeitsplatz nicht vor Sonneneinstrahlung geschützt werden kann.
Allerdings ist die Lohnausgleichskasse für Bauarbeiter hierzulande ein Thema für die Wintermonate, wenn die Kälte gewissermaßen vorprogrammiert ist. Die Hitze im Sommer ist aber nicht dermaßen vorhersehbar, denn einmal ist es schon Ende Juni sehr heiß, einmal Mitte Juli, ein anderes Mal Anfang August. Außerdem brächte ein außerordentlicher Arbeitsstopp im Sommer viele Baufirmen in Schwierigkeiten, weil sie Termine einhalten müssen und bei Verspätungen Pönalen fällig werden.
Die Normen in Italien stellen kaum auf sehr hohe Temperaturen ab. Aber diese häufen sich, und obendrein sind die Menschen empfindlicher geworden, denn im Gegensatz zu früher werden wir heute immer öfter von Klimaanlagen verwöhnt, im Auto, in Geschäften, in Hotels und Restaurants, zuweilen auch in den eigenen vier Wänden.
Es gibt keine genauen gesetzlichen Regelungen für die zumutbaren Höchsttemperaturen am Arbeitsplatz. Andreas Leimegger von der Firma Systent in Algund, deren Leistungsangebot auch den Arbeitsschutz umfasst, verweist darauf, dass Arbeitsmediziner zuweilen Einschränkungen für Arbeiter auf Baustellen und in der Landwirtschaft erlassen, wenn deren Gesundheitszustand keine dauerhafte Beschäftigung bei großer Hitze zulässt. Für Erwerbstätige, die in geschlossenen Räumen arbeiten, seien jedoch solche Vorschriften nicht üblich und insbesondere dann weitgehend auszuschließen, wenn es sich um Büroarbeiten handelt. Das Gesetz schreibt höchstens Mindesttemperaturen vor (etwa 10 Grad in Magazinen), von Höchsttemperaturen geht kaum die Rede. Es liegt am Arbeitgeber bzw. den Verantwortlichen, für die Arbeitssicherheit zu bewerten, was zumutbar und erträglich ist und was nicht. Die Normen, so Leimegger, bestimmen nur allgemein, dass jedes Unternehmen Vorkehrungen treffen muss, um die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz zu gewährleisten. Dabei werde auch auf das verwiesen, was Stand der Technik ist: Gebäudeisolierung schützt nicht nur vor Kälte, sondern auch vor Hitze, ein Sonnenschutz oder Ventilatoren können Linderung bringen, die Bereitstellung von Getränken kann helfen und Unmut vorbeugen, in manchen Fällen wäre vielleicht auch der Einbau einer Klimaanlage eine Investition, die sich langfristig rechnet, denn bei 30 Grad im Büro sinkt die Arbeitsleistung.
Ein allgemeines Recht, wegen zu hoher Temperaturen am Arbeitsplatz einfach der Arbeit fernzubleiben, gibt es nicht. Arbeitgeber tun aber gut daran, Vorkehrungen zur Verringerung eines unzumutbaren Raumklimas zu treffen, mit Mitarbeitern über etwaige Gesundheitsprobleme zu sprechen, Erleichterungen für Hochschwangere vorzusehen oder auch mit Mitarbeitern, die im Freien tätig sind, an sehr heißen Tagen besondere Arbeitszeiten zu vereinbaren, die Tätigkeiten am frühen Morgen und höchstens bis Mittag und dann wieder in den Abendstunden vorsehen.
Denn: Im schlimmsten Falle entscheidet ein Arbeitsrichter oder gar ein Strafgericht, was ein ausreichender Schutz und was zumutbar ist. Und: Temperaturen im Büro von oft über 30 Grad könnten sogar ein Kündigungsgrund sein, sofern die Konkurrenz mit einer Klimaanlage lockt.
















