Bozen – Unternehmen müssen sich fortlaufend an den Markt anpassen, unabhängig davon, in welcher Branche sie tätig sind. Während bei manchen aber kleine, kontinuierliche Anpassungen reichen, sind bei anderen radikale Kurswechsel notwendig, wenn sie überleben wollen. Gerade Technologieunternehmen stehen immer wieder vor der Herausforderung, dass das Kerngeschäft irgendwann veraltet und teilweise oder ganz wegbricht.
Eine Wende gelingt aber nicht allen: Der ehemalige Handyhersteller Blackberry oder der Filmhersteller Kodak sind nur zwei Beispiele für Marken, denen es nicht gelungen ist, in einem neuen Business Fuß zu fassen, und die in der Folge in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht sind. Daneben gibt es zahlreiche Namen, die es heute nur noch gibt, weil sie einen Business Pivot hingelegt haben, also eine radikale Kursänderung.
TDK: von Kassetten zu Akkus
Jahrelang war das japanische Unternehmen TDK als Hersteller von Kompaktkassetten bekannt. Als diese vom Markt verschwanden, spezialisierte sich der Elektronikhersteller auf VHS-Kassetten, CDs und DVDs. Dann wurden diese Träger ebenfalls unbedeutender und TDK verschwand zunehmend aus den Haushalten – oder besser gesagt: dessen Präsenz wurde unsichtbar. Denn TDK stellte sich neu auf und ist heute in zahlreichen Akkus elektronischer Geräte zu finden.
Das Unternehmen zählt dem Handelsblatt zufolge mittlerweile zu den wichtigsten Zulieferern für weltweite Tech-Marktführer, darunter Apple. Auch ist TDK selbst Weltmarktführer bei Akkus für Smartphones und für Stromspeicher in Häusern. Dazu expandiert das Unternehmen im Bereich der Sensoren und Komponenten für Autos, auch will es dank KI und Elektromobilität weiter wachsen. Der japanische Konzern hat seit 2000 seine Belegschaft auf mehr als 100.000 verdreifacht. Der Umsatz stieg von 6,6 Milliarden Euro zur Jahrtausendwende auf 13,4 Milliarden im Jahr 2023.
Die Konstante im Wachstumsprozess von TDK sieht der Konzernchef Noboru Saito im permanenten Wandel.
Voraussetzung für den Erfolg war dem Handelsblatt zufolge TDKs Geschäft mit Ferriten, einem wichtigen Material für die Elektronikindustrie. Dieses war der ursprüngliche Geschäftsbereich des Unternehmens, als es 1935 gegründet wurde. Dank seiner Kompetenz in diesem Bereich konnte TDK in immer mehr Produktsegmenten tätig werden.
Die Konstante im Wachstumsprozess von TDK sieht der Konzernchef Noboru Saito im permanenten Wandel: „Wir erhalten unsere Kreativität, indem wir uns selbst verändern“, sagte er kürzlich gegenüber dem Handelsblatt und verglich sein Unternehmen mit einer Jazzband, in der jedes Mitglied durch Soli zum Gesamtwerk beitragen kann.
Youtube: Dating, dann Musik
Ein weiterer Tech-Riese, der einen erfolgreichen Wandel hinter sich hat, ist die Video-Plattform Youtube. Die drei Gründer Jawed Karim, Chad Hurley und Steve Chen lernten sich rund um die Jahrtausendwende bei ihrem damaligen Arbeitgeber Paypal kennen. 2004 planten sie dann, eine gemeinsame Videoplattform zu starten. Allerdings mit einem anderen Ziel als dem heutigen: Die drei Gründer wollten nämlich eine Dating-Plattform entwickeln. Karim, Hurley und Chen sahen darin riesiges Potenzial. Ihre Idee: Nutzer:innen sollten auf ihrem Profil auch ein Video von sich hochladen können, in dem sie sich potenziellen Partnerinnen und Partnern vorstellen.
Aber die Businessidee kam nicht gut an. Trotz des Angebots, Frauen 20 Dollar zu zahlen, damit sie Videos von sich auf Youtube hochluden, zeigte niemand Interesse. Die drei Gründer waren gezwungen, sich eine andere Strategie auszudenken. Und so öffneten sie die Plattform für Videos unterschiedlichster Art. Das erste offizielle Video der neuen Plattform war „Me At The Zoo“ des Gründers Jawed Karim im Jahr 2005. Darin steht er vor einem Elefantengehege im Zoo von San Diego und spricht über die Tiere. Etwas mehr als ein Jahr später wurde die Plattform dann von Google um umgerechnet 1,31 Milliarden Euro erworben. Der Rest ist Geschichte.
Nintendo: Super Mario kam später
Nintendo kennen viele heute wegen seiner Spielkonsolen, von Gameboy bis hin zu Nintendo Switch. Gestartet ist das japanische Unternehmen allerdings in einem völlig anderen Zweig: Nach seiner Gründung 1889 produzierte es 80 Jahre lang ausschließlich japanische Spielkarten und wurde Marktführer in Japan. Ab den 1970er-Jahren ging der Umsatz zurück, das Unternehmen orientierte sich neu und widmete sich dem damals langsam entstehenden Markt für Videospiele.
1977 wurde dann der Spieledesigner Shigeru Miyamoto eingestellt, ein Glücksgriff für das Unternehmen: Er erfand unter anderem Reihen wie Super Mario oder Donkey Kong. Super Mario Bros., das erste Spiel, in dem Super Mario der Protagonist war, verkaufte sich 58 Millionen Mal. Zwei Jahrzehnte lang war es das meistverkaufte Videospiel der Welt, dann wurde es von Wii Sports überholt – einem Spiel, das ebenfalls aus dem Haus Nintendo kam.
Heute, 135 Jahre nach der Gründung, konkurriert Nintendo mit Giganten wie Sony oder Microsoft. Die beiden haben mit ihrer Playstation bzw. Xbox Nintendo bereits überholt, was die Grafik, die Bildrate oder die Rechenleistung anbelangt. Dennoch ist Nintendo nach wie vor die Nummer eins, wenn es um den Verkauf von Spielekonsolen geht. Als Gründe dafür nannte die Neue Zürcher Zeitung kürzlich zwei: Die Firma will möglichst günstig sein und verbaut dafür auch veraltete Mikrochips, die eigentlich schon überholt sind. Noch wichtiger sei aber die Innovations- und Anpassungsfähigkeit: Anstatt zu versuchen, mit Sony und Microsoft mitzuhalten, konzentriere sich Nintendo auf die Innovation. Die „Wii“ machte Bewegungssensoren plötzlich populär, „Switch“ war die erste Konsole, mit der man unterwegs und zu Hause spielen konnte.
Slack: ein PC-Spiel als Ausgangsidee
In die Serie der Unternehmen, die mit ihrem Geschäftsmodell einmal eine Kehrtwende gemacht haben, reiht sich auch Slack ein, eine Kommunikationssoftware für Unternehmen. Slack war allerdings nur ein Nebenprodukt einer anderen Geschäftsidee.
Das Online-Spiel kam auf den Markt – aber bei den potenziellen Gamerinnen und Gamern nicht so recht an.
Das Unternehmen wurde 2009 gegründet, damals noch unter dem Namen „Tiny Speck“. Einer der Gründer war Stewart Butterfield, vormals Mitgründer von Flickr, einer Plattform zum Hochladen und Teilen von Fotos und Videos. Gemeinsam mit anderen wollte Butterfield ein Multiplayer-Online-Spiel namens „Glitch“ entwickeln. Das Spiel kam auf den Markt – aber bei den potenziellen Gamerinnen und Gamern nicht so recht an. Nach einem Jahr wurde bekannt gegeben, dass das Online-Spiel eingestellt würde. Für die Plattform, die das Unternehmen entwickelt hatte, um intern besser miteinander zu kommunizieren, gab es hingegen sehr wohl einen Markt – und so war Slack geboren.
2013 ging die Software online und die Nutzerzahlen stiegen stark an. Erfolgreich war das Unternehmen, das mittlerweile Slack Technologies heißt, vor allem aus zwei Gründen, sagen Beobachter:innen: Einerseits hatten die Slack-Gründer viele Unternehmen aus dem Silicon Valley (mit zahlreichen Nutzenden) hinter sich und andererseits hatten sie – ob bewusst oder unbewusst – genau das richtige Timing gewählt. Denn Slack wurde in den Jahren groß, in denen das Remote Work langsam Fahrt aufnahm und in denen neue Tools zur Kommunikation notwendig wurden. Slacks größter Konkurrent, Microsoft Teams, kam erst 2017 auf den Markt.
Netflix: DVDs im Briefkasten
Der Streaming-Dienst Netflix verfolgte ursprünglich ebenfalls eine andere Businessidee: Er startete 1997 als DVD-Verleih, der die Filme per Post an seine Abonnentinnen und Abonnenten verschickte. Netflix begann mit einem Sortiment von 925 Filmen. In den ersten Jahren bezahlten die Nutzer:innen noch für jeden Film einzeln. Bald einmal führte das Unternehmen eine monatliche Flatrate ein, die es bis heute beibehalten hat.
Je mehr Verbreitung DVD-Player fanden, umso erfolgreicher wurde auch Netflix. Bis zum Februar 2007 hatte die Firma eine Milliarde DVDs verschickt.
Dies war der Moment, in dem das Unternehmen begann, an einem neuen Businessmodell zu arbeiten: einem Video-on-demand- bzw. Streaming-Dienst. Damit die Kundschaft dem Dienst treu blieb, führte Netflix ein personalisiertes Empfehlungssystem ein. Außerdem sicherte es sich die Rechte am Onlinevertrieb zahlreicher Filmstudios. Im Jahr 2023 setzte Netflix 33,7 Milliarden US-Dollar um. Anfang 2024 zählte es mehr als 277 Millionen zahlende Kundinnen und Kunden.
Wie bei anderen Kurswechseln auch, waren bei Netflix mehrere Faktoren entscheidend für den Erfolg: der richtige Zeitpunkt, ein personalisiertes Angebot, die Tatsache, dass das Produkt (Streaming) zum Trend wurde, und die Innovationsfähigkeit des Unternehmens. Und eine Prise Glück dürfte wohl auch bei Netflix im Spiel gewesen sein.
Dieser Artikel ist in der gedruckten SWZ mit folgendem Titel erschienen: Einmal wenden