SWZ: Herr Hasler, das Baukollegium hat grundsätzlich positiv auf die von der Landesregierung erlassene Verordnung zu den Wohnungen mit Preisbindung reagiert, allerdings auch angemerkt, dass sie nicht den eigenen Vorstellungen entspricht und einige kritische Punkte enthält.

Thomas Hasler: Das Baukollegium brachte in den Jahren 2016 bis 2018 den Vorschlag des Wohnens mit Preisbindung ein. Das nun von der Landesregierung beschlossene System unterscheidet sich aber in vielerlei Hinsicht von unseren Ideen. Die Ansätze sind grundsätzlich zwar gut, und wir freuen uns, dass die Möglichkeit der Wohnungen mit Preisbindung endlich geschaffen worden ist, aber es gibt doch einige Knackpunkte. So wurde viel an Bürokratie geschaffen, die entsprechende Kontrollen erfordert und zusätzliche Kosten verursacht.
Nennen Sie uns Beispiele.
Wir sehen etwa die Regelung zur Zuweisung der Wohnungen kritisch. Die Gemeinden müssen dafür gleich drei neue Rangordnungen erstellen: eine für die Personen mit den Voraussetzungen für den Kauf und den Mietkauf, eine für jene betreffend den geförderten Wohnbau und eine für Wohnungen für Ansässige. Danach müssen die Rangordnungen jeweils in zwei Abschnitte geteilt werden: jene, die eine Wohnung kaufen wollen, und jene, die zuerst mieten und später eventuell kaufen wollen. Gibt es unter den Interessierten keine Einstimmigkeit bei der Wohnungsauswahl, wird gelost. Das klingt zwar gut, es entsteht danach aber das Problem, dass jeder vom Kaufinteresse zurücktreten kann. Eine vierköpfige Familie kann klarerweise nicht in eine Zweizimmerwohnung einziehen, die ihr zugelost wird. Für das Unternehmen, das die Wohnungen errichtet, schafft dies Unsicherheit. Ein weiteres bürokratisches Problem sind die festzulegenden Höchstpreise. Die Preisrechtfertigung ist in unseren Augen viel zu kompliziert.
Inwiefern?
Die Politik möchte vermeiden, dass Schindluder betrieben wird, und hat eine komplexe Berechnung festgeschrieben. Die Zielsetzung ist verständlich, aber es wäre viel einfacher, wenn die jeweilige Gemeinde den Preis definieren kann. Denn sie weiß Bescheid, wie hoch vor Ort die Preise sind und welcher für die Wohnungen mit Preisbindung angemessen ist. Verschiedenste Berechnungen und Validierungen hingegen führen wieder zu höheren Kosten, die am Ende die Wohnungseigentümer bezahlen müssen. Ein weiterer Knackpunkt: Noch vor der Erteilung der Baugenehmigung müssen neben den baulichen Merkmalen auch alle zu verwendenden Materialien einschließlich der Baustoffe angegeben werden. Man muss also schon wissen, wo welcher Boden hineinkommt. Das ist etwas schwierig. Kritisch sehen wir weiters die Sozialbindung, die nach 20 Jahren ausläuft. Für eine geförderte bzw. preisgedeckelte Wohnung sollte unserer Auffassung nach die Bindung auf ewig bestehen bleiben, sodass sie nur um den bezahlten Kaufpreis zuzüglich der Inflationsaufwertung weiterverkauft werden darf.
In einer ersten Stellungnahme hat das Baukollegium von einer Ungleichbehandlung zwischen dem klassischen geförderten Wohnbau und den Wohnungen mit Preisbindung gesprochen. Wie ist das zu verstehen?
Im klassischen geförderten Wohnbau gibt es fünf Förderungen. Erstens die Enteignung des Grundstücks zum halben Marktwert. Zweitens die Zuweisung des Grundstücks an den Empfänger zum halben Enteignungspreis. Drittens den Infrastrukturkostenbeitrag in Höhe von 36 Prozent der anerkannten Kosten. Viertens den Kapitalbeitrag, also die Wohnbauförderung. Und fünftens den Verzicht auf die Baukostenabgabe bei Wohnungen für Ansässige. Damit fördert die öffentliche Hand einen Hektar gefördertes Bauland mit insgesamt 2,4 bis 3,6 Millionen Euro – abhängig von der Gemeinde. Beim Wohnen mit Preisbindung fehlen die Förderungen zwei und drei. Laut unseren Berechnungen spart sich die öffentliche Hand damit 0,6 bis 1,9 Millionen Euro pro Hektar. Das ist durchaus positiv, allerdings braucht es eine Angleichung, wenn die beiden Systeme vergleichbar sein und miteinander konkurrieren sollen. Unser Ansatz ist es ohnehin, lieber das Subjekt anstelle des Objektes zu fördern. Mit dem eingesparten Geld kann die öffentliche Hand viel höhere Kapitalbeiträge auszahlen, wodurch das Wohnen für bedürftige Familien erreichbarer wird.
Die genannten 0,6 bis 1,9 Millionen Euro pro Hektar an geringerer Förderung gehen zulasten des Wohnungsverkäufers, richtig?
Ja – und dies schränkt den preislichen Spielraum stark ein. Muss ein Bauunternehmen bzw. ein Immobilienentwickler für eine ganze Wohnbauzone einen gedeckelten Preis anbieten, wird es schwierig, die Wohnungspreise spürbar zu senken. Enthält die Zone hingegen einen Teil an freiem Wohnbau, kann dieser den Wohnraum für Ansässige teils mitfinanzieren.
Wie sieht die Aufteilung einer Wohnbauzone beim Wohnen mit Preisbindung aus?
Die klassische Aufteilung des Bauvolumens lautet 60 Prozent gefördert und 40 Prozent frei. Die 60 Prozent gefördert teilen sich auf in mindestens 40 Prozent für den geförderten Wohnbau und bis zu 20 Prozent für Wohnungen für Ansässige – in beiden Fällen mit Preisbindung. Bei den restlichen 40 Prozent hängt es von der Gemeinde ab: In Gemeinden mit mehr als zehn Prozent an Zweitwohnungen sind diese 40 Prozent ebenfalls Ansässigen vorbehalten. Anderswo sind 24 Prozent für Ansässige und 16 Prozent als freier Wohnbau vorgesehen.
Der Landeshauptmann hat angekündigt, die 100-prozentige Konventionierung, also den Vorbehalt für Ansässige, auf alle neuen Wohnungen auszuweiten. Das würde den Spielraum für die Bauunternehmen und Immobilienfirmen wohl weiter einschränken.
Grundsätzlich sind wir nicht gegen die Konventionierung und deren Ziele. Allerdings trifft sie vielfach die falschen Personen und führt durch eine unklare Ausrichtung zu einer weiteren Verknappung des Wohnraums und somit zu Preissteigerungen. Eine 100-prozentige Konventionierung halten wir deshalb für den absolut falschen Weg.
Ohne sie würde der Zweitwohnungstourismus aber nicht eingebremst.
Wenn man die nackten Zahlen anschaut, so führt eine 100-prozentige Konventionierung nicht zur Eindämmung der Zweitwohnungen. Der Grund ist, dass viele vor Jahrzehnten geförderte Wohnungen bzw. Reihenhäuser nach Ablauf der Sozialbindung und der Konventionierungspflicht nun frei verkauft werden können. Vielmehr müsste man in dieser Thematik den Artikel der Konventionierung neu schreiben und ausrichten.
Wie kann man sich eine Wohnbauzone mit Preisbindung und freiem Anteil vorstellen? Zwei große Kondominien und daneben zwei Villen für betuchte Nicht-Einheimische?
Nein, dafür reicht die Wohnbaudichte nicht. Zudem baut ein Unternehmen so, dass die Zone architektonisch schön und landschaftlich passend ist. Es ist aber legitim zu sagen, dass die Käufer von freien Wohnungen mehr Platz haben, während die preisgedeckelten Wohnungen verdichteter sind.
Es braucht aus Sicht der Bauunternehmen also einen freien Teil, der zudem eine gewisse Attraktivität für Käufer hat, damit sich ein Wohnprojekt mit Preisbindung insgesamt rechnet?
Ja, resultierend auch aus der angesprochenen Ungleichbehandlung bei den Förderungen. Diese macht den Spielraum kleiner. Nach ersten Berechnungen unserer Mitgliedsunternehmen können wir sagen: Das Konzept Wohnen mit Preisbindung kann dazu beitragen, dass günstigere Wohnungen auf den Markt kommen und Bauunternehmen ein Interesse an der Verwirklichung haben. Es kann aber nur beim Neubau funktionieren – und unter der Voraussetzung, dass die Unternehmen ein Areal mit einem freien Anteil entwickeln können. In bestehenden Zonen wird es hingegen schwierig. Ob sich ein Projekt wirtschaftlich auszahlt, hängt auch von der Baudichte ab: Je mehr Kubatur realisiert werden kann, desto niedriger sind die Gesamtkosten pro Quadratmeter.
Sind die von Landesrat Peter Brunner kolportierten 20 bis 25 Prozent an Reduzierung der Wohnungspreise wirklich realistisch oder hat die Politik damit zu viel versprochen?
Es ist sehr schwierig, jetzt schon Zahlen zu nennen. Erst einmal müssen wir mit der praktischen Umsetzung starten – und dann gilt es, an den Stellschrauben zu drehen, falls Probleme auftauchen. Grundsätzlich bin ich überzeugt, dass das Wohnen mit Preisbindung einen neuen Markt in Südtirol eröffnet, der das Wohnen günstiger machen kann und auch für die Unternehmen interessant ist.
Wird das Konzept im ganzen Land funktionieren oder nur in Gemeinden, wo es genügend potenziellen Baugrund gibt und ein entsprechender Wettbewerb entstehen kann?
Es kann im ganzen Land funktionieren. Für die Gemeinden entsteht eine neue Möglichkeit in der Ausweisung von Zonen – und sie können mit Grundeigentümern in Verhandlung treten. Eine Grundvoraussetzung ist es, die Siedlungsgrenzen weit genug zu ziehen, denn ohne ausreichend Spielraum gibt es auch keine Verhandlungsmöglichkeit. Wenn es nur eine oder zwei potenzielle Wohnbauzonen gibt, ist der Grundstückspreis entsprechend hoch.
Interview: Heinrich Schwarz
Info
Wohnungen mit Preisbindung
Die Verordnung der Landesregierung zu den Wohnungen mit Preisbindung steht. Es handelt sich um ein neues Konzept, das die Wohnungspreise deutlich senken soll. Demnach können Bauunternehmen, Immobilienentwickler oder Grundstückseigentümer:innen mit der Gemeinde eine Vereinbarung zur Verbauung einer Wohnbauzone abschließen, wobei für mindestens 60 Prozent der Wohnungen ein Preisdeckel vorzusehen ist. Gibt es zu wenig Kaufinteressierte, müssen diese Wohnungen zum Landesmietzins vermietet werden. Laut Urbanistiklandesrat Peter Brunner sollen die Kaufpreise mit diesem Konzept um 20 bis 25 Prozent sinken.