Brixen – Das Südtiroler Wirtschaftsforum feiert am Nachmittag des 29. März im Forum Brixen ein kleines Jubiläum: Es erlebt die 15. Auflage. Längst hat es sich bei Süd- und Nordtiroler Unternehmern, Führungskräften und Entscheidern als Treffpunkt etabliert: Zum einen holen sie sich Impulse von fünf Referenten, zum anderen bieten die Veranstalter ganz bewusst viel Platz für den Austausch zwischen den Teilnehmern. Die Veranstaltung zählt mittlerweile zahlreiche Stammteilnehmer, die die Erfahrung gemacht haben, dass es sich lohnt, einen Freitagnachmittag lang aus dem Alltag auszubrechen, auch wenn es der volle Terminkalender eigentlich gar nicht zulassen würde. Mit rund 400 Teilnehmern war das Wirtschaftsforum in den vergangenen Jahren immer ausgebucht.
Es handelt sich um eine echte Euregio-Veranstaltung mit einem Gesamttiroler Organisatorenteam bestehend aus Management Center Innsbruck (MCI), Unternehmerverband Südtirol (UVS), dem Netzwerk der Auslandssüdtiroler „Südstern“, der Stiftung Südtiroler Sparkasse, dem Verlag Business Bestseller und der Südtiroler Wirtschaftszeitung SWZ, die seit den Anfängen des Wirtschaftsforums dabei ist.
„In Zeiten des Umbruchs“ lautet das Thema der 15. Auflage. Die Veranstaltung beginnt um 13 Uhr mit dem Eintreffen der Teilnehmer (und bereits Gelegenheit zum Netzwerken) und endet um 18.15 Uhr mit einem Büfett. Dazwischen gehen fünf Referenten aus fünf ganz verschiedenartigen Blickwinkeln auf die aktuellen Umbruchzeiten ein: Es geht um die Staatsschulden-Zeitbombe, um Aufstieg und Fall eines Topmanagers, um Innovation im Familienunternehmen, um Einblicke in die Disney-Unterhaltungswelt und um das Reichwerden. Die fünf Referenten werden beistehend ausführlich vorgestellt.
Das Programm
13.00 Uhr Come together
13.30 Uhr Begrüßung durch Arno Kompatscher, Landeshauptmann, und Gerhard Brandstätter, Präsident der Stiftung Südtiroler Sparkasse
13.40 Uhr Carlo Cottarelli: Öffentliche Verschuldung – eine tickende Bombe?
14.25 Uhr Thomas Middelhoff: Vom Himmel in die Hölle – Grenzgang zwischen Topmanagement und Justiz
15.15 Uhr Kommunikationspause
16.00 Uhr Daria Illy: Innovation in Familienunternehmen – Das Bessere ist der Feind des Guten
16.45 Uhr Dumëne Comploi: Imagination + Technology: Innovating Interactive Experiences
17.30 Uhr Gerald Hörhan: Viel Geld oder null Bock – Gesellschaft am Scheideweg
18.15 Uhr Get together
VORABINTERVIEWS mit den Referenten veröffentlicht die SWZ in den kommenden Ausgaben.
INFO Anmeldungen unter www.wirtschaftsforum.it; Teilnahmegebühr: 270 Euro + MwSt, (Frühbucherbonus von 10 Prozent bis 22. Februar).
Info
Die fünf Referenten des Südtiroler Wirtschaftsforums 2019
Carlo Cottarelli, 64, wäre im Mai 2018 beinahe italienischer Ministerpräsident geworden. Staatspräsident Sergio Mattarella hatte den Wirtschaftsfachmann angesichts der festgefahrenen politischen Situation mit der Bildung einer Übergangsregierung betraut. Drei Tage später einigten sich Lega und Fünfsternebewegung doch noch auf eine politische Regierung.
Cottarelli hat für die Banca d’Italia, den Energiekonzern Eni und dann 25 Jahre lang in leitender Position für den Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington gearbeitet, bevor er im November 2013 auf Wunsch von Regierungschef Enrico Letta nach Italien zurückkehrte, um als Spending-Review-Kommissar Sparvorschläge für die Regierung zu erarbeiten. Das hat ihm den Übernamen „Mister Forbici“ eingebracht. Cottarelli arbeitete unter Letta-Nachfolger Matteo Renzi weiter, doch eckte er mit seinen unpopulären Vorschlägen an. Im November 2014 schlug Renzi seinen Sparkommissar als „Executive Director“ des Währungsfonds vor und war ihn los. Seit Oktober 2017 ist Cottarelli Direktor des „Osservatorio sui Conti Pubblici Italiani“ der Universität Cattolica in Mailand und als solcher ein scharfer Kritiker der aktuellen Regierung.
Thomas Middelhoff, 65, war einer der bekanntesten Topmanager Deutschlands, bevor der tiefe Fall kam: Gefängnis, Privatinsolvenz, Scheidung, Krankheit.
Der Unternehmersohn stieg beim Medienkonzern Bertelsmann zum Vorstandsvorsitzenden auf (1998-2002). Als er 2004 – ebenfalls als Vorstandsvorsitzender – zum existenziell bedrohten KarstadtQuelle-Konzern (später Arcandor) wechselte, wurde er als Retter gefeiert, aber auch dafür kritisiert, sein Millioneneinkommen ungeniert zur Schau zu stellen. Ab 2007 war Middelhoff nebenbei Aufsichtsratsvorsitzender der Thomas Cook Group. 2009 beantragte Arcandor die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, und für Middelhoff kam der tiefe Fall. Ihm wurde vorgeworfen, den angeschlagenen Konzern endgültig in die Pleite geführt zu haben. Schließlich wurde er wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu drei Jahren Haft verurteilt, erkrankte an einer Autoimmunkrankheit und meldete Privatinsolvenz an. Seit November 2017 ist Middelhoff ein freier Mann. Aus dem schillernden Manager ist ein selbstkritischer Buchautor geworden, der über Wertegerüste und Managerfehler („Ich war ein Narzisst“) spricht und den deutschen Strafvollzug scharf kritisiert.
Daria Illy, 41, verkörpert die vierte Generation der Triestiner Kaffeedynastie Illy. Die Tochter von Riccardo Illy sitzt seit 2017 im Vorstand von illycaffè und ist gleichzeitig Geschäftsführerin von Mitaca, einem Unternehmen, das Kaffee- und Heißgetränkesysteme für Unternehmen entwickelt und vertreibt. Zuvor war sie seit 2009 bei illycaffè in verschiedenen Managementpositionen tätig gewesen. Nach dem Studium der Sport- und Ernährungswissenschaften hatte sich Illy 2002 zunächst aber selbstständig gemacht. Sie gründete „Personal Training System Studio“ und bot Körpertrainings sowie Ernährungsberatung. 2009 kam dann der Ruf des Familienunternehmens.
Nebenher sitzt Daria Illy im Vorstand der Ernesto-Illy-Stiftung, welche kulturelle und wissenschaftliche Projekte fördert. Illycaffè ist übrigens seit Jahren das einzige italienische Unternehmen, das von Etisphere in der Rangliste der 135 ethischsten Unternehmen der Welt geführt wird.
Als Vizepräsidentin der „International School of Trieste“ engagiert sich Daria Illy auch für die Ausbildung: Die Einrichtung bildet Kinder und Jugendliche vom Kindergarten bis zur Oberschule aus – Unterrichtssprache ist Englisch.
Der 35-jährige Gadertaler Dumëne Comploi schafft Traumwelten. Er arbeitet seit acht Jahren für die weltberühmte Walt Disney Company in Los Angeles, wo er eigentlich nur durch Zufall landete. Zunächst schuf Comploi mithilfe von Lichteffekten Unterhaltungsillusionen in den Disney-Parks. Derzeit leitet der Kreativdesigner ein Team von Künstlern und Programmierern, das sich mit Charakterdesign unter Verwendung von Künstlicher Intelligenz und Computervisioning befasst. Bei Charakterdesign geht es vereinfacht ausgedrückt um die Erfindung und Gestaltung neuer Figuren samt deren Eigenschaften.
Comploi, gebürtig aus St. Vigil in Enneberg, wollte eigentlich die Kunstschule besuchen. Er ließ sich dann aber zum Architekturstudium in Wien überreden und kam ausgerechnet deshalb – und über Umwege – wieder zur Kunst zurück. Bei Disney verbindet Comploi, der Mitglied des Südstern-Netzwerkes ist, nun nämlich seine künstlerische Ader mit der Begeisterung für Computertechnologie.
Comploi ist in Los Angeles mit einer Kanadierin verheiratet. Aber er sagt: „Südtirol vermisse ich regelrecht, wenn es mir nicht gelingt, alle sechs Monate auf Besuch zu kommen.“
Gerald Hörhan, 43, aus Wien, war einst Investmentbanker bei JP Morgan und McKinsey. Jetzt ist er der „Investment Punk“ und hat bei seiner Fangemeinde in Österreich und Deutschland mit seiner unangepassten Art in Kleidung, Auftreten und Kommunikation regelrecht Kultstatus erlangt. „Wenn die Leute sagen, ich bin politisch unkorrekt, dann haben sie recht“, meint er. Oder: „Wenn Leute sagen, sie verdienen wenig, dann frage ich sie: ‚Wie viel arbeitest du?‘ 35 Wochenstunden bei 52 freien Wochenenden und sechs Urlaubswochen sind doch nur ein Teilzeitjob.“ Hörhan fühlt sich wohl in der Rolle des Provokateurs.
Seit 2003 hat er sein eigenes Unternehmen, investiert in Immobilien und Start-ups (aber nicht nur), berät Unternehmen in Kapitalangelegenheiten, schreibt Bücher, lehrt an verschiedenen Hochschulen, so auch am Management Center Innsbruck (MCI), und erklärt Interessierten in seiner „Investment Punk Academy“, wie sie reich werden können. Die einfache Botschaft: Jeder kann das, aber Erfolg fällt nicht vom Himmel. Auch er selbst habe mit einer kleinen, unscheinbaren Wohnung begonnen. Und er arbeite viel: „Meine Woche hat sieben Arbeitstage, sonst wird’s langweilig.“