Bozen – Während am Montagvormittag die Stimmenauszählung zur geschlagenen Landtagswahl lief und zahlreiche Kandidaten gebannt vor den Bildschirmen hockten, war der Freiheitliche Sigmar Stocker mit Kunden unterwegs. Stocker produziert gemeinsam mit seinem Vater in Terlan etwa 7.000 Flaschen Sekt pro Jahr, zur Gänze aus eigenem Anbau (Stocker Sekt). Diese Tätigkeit hat er auch in den vergangenen fünf Jahren als Landtagsabgeordneter weitergeführt. „In einem kleinen Familienbetrieb geht das gar nicht anders“, sagt er. Am Sonntag wurde Stocker als Landtagsabgeordneter wiederbestätigt und ist somit einer von acht Mandataren, die der „Wirtschaft“ zugeordnet werden können. Selbiges gilt für Stockers Parteikollegen Roland Tinkhauser, der die operative Tätigkeit im elterlichen Hotel- und Heimtextiliengroßhandel Commint in Bruneck seit seiner erstmaligen Wahl 2008 zwar ruhen lässt, als Gesellschafter die Unternehmensentwicklung aber nach wie vor aufmerksam verfolgt, wie er schmunzelnd verrät.
Der Selbstständigenanteil in den Reihen der gewählten Freiheitlichen ist beeindruckend: Zu den wiederbestätigten Stocker und Tinkhauser gesellt sich ab sofort die 31-jährige Mühlbacherin Tamara Oberhofer, welche ihre Dienste als Übersetzerin und Werbetexterin auf Honorarbasis anbietet – bisher für die Werbeagentur Dialogwerkstatt in Brixen – und damit ebenfalls als Selbstständige bezeichnet werden kann. Drei der sechs gewählten Freiheitlichen sind folglich selbstständig – ob sie auch eine wirtschaftsnahe Politik betreiben werden, wird sich zeigen. In den vergangenen fünf Jahren fiel Roland Tinkhauser als freiheitlicher Spezialist für Wirtschaftsthemen auf.
Drei Wirtschaftsvertreter stellt auch die SVP: Thomas Widmann, Dieter Steger und Christian Tschurtschenthaler. Widmann ist amtierender Wirtschaftslandesrat und ehemaliger Unternehmer: Er produzierte gemeinsam mit Elisabetta Foradori und Giovanni Podini Wein in der Toskana, ist aus der gemeinsamen Gesellschaft aber ausgestiegen. Steger ist Direktor des Handels- und Dienstleisterverbandes hds. Tschurtschenthaler schließlich hat, bevor er 2000 zum Brunecker Bürgermeister wurde, als Kaufmann im elterlichen Modegeschäft Tschurtschenthaler gewirkt und begleitet laut Eigenangaben auch heute noch „meine tüchtige Frau“, die inzwischen das Geschäft führt, in einigen Angelegenheiten.
Die SVP-Wirtschaft hat nur drei ihrer fünf offiziellen Kandidaten durchgebracht, was dasselbe (schlechte) Ergebnis ist wie vor fünf Jahren: Damals schafften zwar vier der fünf empfohlenen Wirtschaftskandidaten den Einzug in den Landtag, einer von ihnen war aber Landeshauptmann Luis Durnwalder, und der spielte so oder so in einer anderen Liga. Die anderen hießen Hans Berger, Thomas Widmann und Dieter Steger, während LVH-Direktor Hanspeter Munter scheiterte.
Als wirtschaftsnah gehen im neuen Landtag schließlich Elena Artioli (Forza Alto Adige – Lega Nord – Team Autonomie) und Paul Köllensperger (Movimento Cinque Stelle) durch. Artioli, Tochter des ehemaligen Bugatti- und Lotus-Besitzers Romano Artioli sowie Ehefrau des Energieunternehmers Heimo Staffler, saß vor ihrem politischen Engagement in mehreren Verwaltungsräten von Unternehmen ihres Vaters und Ehemanns – unter anderem war sie Präsidentin von Alpengas. Auch gründete sie nach ihrem Studium das auf Alternativmedizin spezialisierte Unternehmen Diagnostic, das heute allerdings nicht mehr existiert.
Paul Köllensperger besitzt gemeinsam mit zwei Partnern das kleine Unternehmen KVP, das E-Commerce-Portale aufbaut und dann verkauft. Vor der Gründung von KVP war Köllensperger Teilhaber des Internetdienstleisters Xtend, der an Opera21 verkauft wurde. Hauptberuflich wirkt Köllensperger derzeit als Geschäftsführer einer im Energiebereich tätigen Unternehmensgruppe mit Sitz in Bozen und Anlagen außerhalb Südtirols. Mehrmals hat Köllensperger in Interviews übrigens bereits betont, sich einer liberalen Wirtschaftspolitik verpflichtet zu fühlen.
Widmann, Steger, Tschurtschenthaler, Tinkhauser, Stocker, Oberhofer, Artioli und Köllensperger sind somit die acht wirtschaftsnahen Abgeordneten im neuen Landtag. Zehn hatten vor fünf Jahren die Wahl geschafft: Für die SVP waren dies neben den drei erwähnten offiziellen Kandidaten Hans Berger, Thomas Widmann und Dieter Steger noch zwei echte Unternehmer, und zwar der Bauunternehmer Christian Egartner (Wipptaler Bau) und der Obstbrände- und Edeldestillatebrenner Seppl Lamprecht (Bauernbrennerei Lahnerhof), für die Freiheitlichen Roland Tinkhauser, Sigmar Stocker und Thomas Egger (Immobilien Wipptal in Sterzing), dazu für die Lega Nord Elena Artioli und für Unitalia der diesmal gescheiterte Donato Seppi, Inhaber von „Geomm. Larcher M. & Seppi D. OHG“ mit Sitz am Bozner Boden. Detail am Rande: Nach dem Ausscheiden von Egartner, Lamprecht (verstorben), Steger und Berger und dem Nachrücken von Julia Unterberger, Hanspeter Munter, Walter Baumgartner und Martina Ladurner saßen zuletzt im Landtag nicht mehr zehn, sondern nur mehr acht wirtschaftsnahe Mandatare – genau gleich viele wie im neuen Landtag.
Die Wirtschaftsvertretung war in den vergangenen 30 Jahren auch schon schlechter: Die Zahl der wirtschaftsnahen Abgeordneten fiel nur 1988 (neun) und 2008 (zehn) höher aus als diesmal, während 1983, 1993, 1998 und 2003 jeweils sechs Wirtschaftskandidaten den Einzug in den Landtag schafften. Auffallend ist jedenfalls, dass die Wirtschaftsvertreter in der SVP von fünf auf drei dezimiert wurden, während die anderen Parteien unverändert bei fünf wirtschaftsnahen Mandataren bleiben.














