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Wie eine Iranerin mit ihrem Start-up von London nach Bozen zog

SERIE START-UP SÜDTIROL (3) – Eine gebürtige Iranerin mit Erfahrungen bei der Weltbank und im Öl- und Gassektor zieht mit ihrem Start-up von London nach Bozen: Das ist die Geschichte von Elham Hassanzadeh, der Gründerin des Start-ups Arxax.

Silvia Santandrea von Silvia Santandrea
4. Juli 2024
in Start-ups, Südtirol
Lesezeit: 5 mins read

Elham Hassanzadeh: „Unser Ziel ist es, Autobahnen zu dekarbonisieren. Beginnen möchten wir mit der A22.“ (Foto: Ivo Corra)

Bozen – „Arxax meint eine Person, die stets nach Herausforderungen sucht. Eine, die nicht aufzuhalten ist“, erklärt Elham Hassanzadeh die Herkunft des Namens ihres Start-ups. Das Wort stammt aus der griechischen und persischen Sprache. Persisch wiederum ist die Muttersprache von Elham Hassanzadeh.

Pistazien und Erdöl

Die 39-Jährige wuchs in Kerman im Südosten Irans auf. Die Region ist bekannt für besonders hochwertige Teppiche und für Pistazien, erklärt Hassanzadeh. Ihre gesamte Familie – sie hat fünf Geschwister – ist im Anbau und Handel mit der kleinen grünen Steinfrucht tätig. Für sie selbst war das aber nichts. „Ich hatte als Jugendliche stets das Gefühl, ein zu großer Fisch in einem zu kleinen Teich zu sein“, erzählt sie. Ihre Eltern seien sehr liberal gewesen. „Wir hatten nie die Einschränkungen, die andere Menschen in religiös geprägten Ländern haben.“

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„Ich kam aus London, und das Einzige, was mir das Gefühl gab, in London zu sein, war der Noi Techpark.“

So verließ sie im Alter von 17 Jahren ihre Heimatstadt und ging nach Teheran, in die iranische Hauptstadt, zum Studieren. Mit 21 zog sie dann für ein Studium in internationalem Handelsrecht nach Cambridge. Dabei kam sie zum ersten Mal so richtig mit der Energiebranche in Kontakt: Shell, der Energiekonzern, bezahlte ihr Stipendium. „Erdöl und Erdgas waren vorher zwar ebenfalls immer präsent, schließlich ist Iran ein wichtiger Produzent. So richtig geweckt wurde mein Interesse aber erst an der Uni“, erzählt Elham Hassanzadeh. Ihren PhD erlangte sie in Schottland, am Zentrum für Energie-, Erdöl- und Bergbaurecht und -politik.

Trump kommt – und das Geschäft ist weg

Nach Jobs bei einem Thinktank, einem Forschungsinstitut und der Weltbank, wo sie als politische Beraterin zu Energiefragen tätig war, fand sie ihren Weg zu nachhaltigeren Energieressourcen. Sie gründete in London ein Unternehmen namens Energy Pioneers. Mit diesem trieb sie Energieprojekte voran, vorwiegend im Iran. Unter anderem realisierte sie dort – mit Investoren aus Europa – eine 100-Megawatt-Fotovoltaikanlage. Dann beschloss Trump einmal mehr Sanktionen gegen den Iran.

„Aufgrund der Sanktionen wurden keine Fotovoltaikanlagen und ähnliche Technologien mehr importiert – unsere Geschäftsgrundlage war plötzlich nicht mehr da.“ Also zog Hassanzadeh sich aus dem Geschäft im Iran zurück und gründete Arxax. Auch dieses Unternehmen hat sie nachhaltigen Energieressourcen verschrieben.

Geübt im Pitchen

Als die SWZ Hassanzadeh nach einem Pitch fragt, einer Vorstellung der eigenen Businessidee, denkt Elham Hassanzadeh kurz nach. Dann beginnt sie zu sprechen. Ihre Stimme wird ernster, sie klingt seriöser. Man merkt, dass sie die folgenden Sätze schon oft wiederholt hat, vor Partnerinnen und Partnern des Unternehmens, der Kundschaft und auch vor potenziellen Investorinnen und Investoren. Sie beginnt, wie es sich bei einem Pitch gehört, mit dem Problem: „Wir wissen, dass der Klimawandel ernst ist. Wir leben hier in einer Region, die großen Mengen an CO2-Emissionen ausgesetzt ist. Diese stammen großteils vom Güterverkehr.“ Der Güterverkehr sei für 77 Prozent der Gesamtemissionen des Verkehrs in Europa verantwortlich. „Das ist eine hohe Zahl“, unterstreicht die englischsprachige Start-upperin.

Mit den Transportunternehmen arbeitet Arxax auf zweierlei Weise zusammen: Es ermittelt anhand einer selbst entwickelten Software deren CO2-Emissionen und unterstützt sie anschließend bei der Umstellung auf neue Antriebsarten. „Unser Ziel ist es, Autobahnen zu dekarbonisieren. Beginnen möchten wir mit der A22.“

Dann beginnt sie über die rechtlichen Rahmenbedingungen zu sprechen. Diese stehen auf ihrer Seite, so Hassanzadeh: „Die EU hat beschlossen, dass 45 Prozent dieser Emissionen bis 2030 reduziert werden müssen. Das hat für die Unternehmen in der Transportbranche zur Folge, dass sie, wenn sie ihr Unternehmen zukunftsfit machen wollen, jetzt, also am besten heute, mit der Umstellung auf nachhaltigere Antriebsarten beginnen müssen.“ Noch dazu werden künftig Strafen bei zu hohen CO2-Emissionen fällig. „Das ist in einer Branche, wo die Gewinnmargen ohnehin sehr klein sind, ein riesiges Problem.“ Die Folge aus dieser Entwicklung werde sein, dass die Nachfrage nach emissionsärmeren Antriebsarten wie Flüssiggas oder Biodiesel steigen werde, prognostiziert die 39-Jährige.

Zufall und Schicksal

Ihr Start-up befinde sich in der Mitte zwischen Angebot (den Tankstellen) und Nachfrage (dem Schwerverkehr). Mit Ersteren erörtert das Arxax-Team, inwieweit es sich lohnt, nachhaltigere Treibstoffe ins Angebot aufzunehmen. Dafür erhebt das Start-up Daten zur Nachfrage auf bestimmten Strecken und gibt diese an die Tankstellenbetreiber:innen weiter. „Die Tankstellen, die neben Diesel noch weitere Treibstoffe anbieten, sind wiederum interessant für die Transportunternehmen: Nur wenn diese wissen, dass sie künftig irgendwo zu erschwinglichen Preisen tanken können, können sie auch ihre Flotte umstellen.“

Mit den Transportunternehmen arbeitet Arxax auf zweierlei Weise zusammen: Es ermittelt anhand einer selbst entwickelten Software deren CO2-Emissionen und unterstützt sie anschließend bei der Umstellung auf neue Antriebsarten. „Unser Ziel ist es, Autobahnen zu dekarbonisieren. Beginnen möchten wir mit der A22.“

Wie aber kommt eine gebürtige Iranerin, die in London lebt, nach Bozen zur A22? Einer der Gründe sei tatsächlich die Autobahn gewesen, sagt Elham Hassanzadeh, und ein Zusammenspiel von Zufall und Schicksal. Nachdem sie ihr Start-up 2021 in London gegründet hatte, sahen sich ihr Partner (ein gebürtiger Italiener, der zu der Zeit ebenfalls in London arbeitete) und sie sich nach einem neuen Ort zum Leben um. Ihr Mann, ein Universitätsprofessor, bekam eine Stelle an der Universität Trient angeboten, und Hassanzadeh begann daraufhin, sich in der Gegend umzusehen. „Ich kam aus London, und das Einzige, was mir das Gefühl gab, in London zu sein, war der Noi Techpark“, sagt sie (siehe beistehendes Interview).

Die erfolgreichste weibliche Gründerin

Das Kernteam von Arxax rund um die Gründerin besteht aus zwei weiteren Köpfen: einem CTO, der von New York aus arbeitet und bei Goldman Sachs in der Produktentwicklung tätig war, und einer Datenanalystin aus Trient. Dazu kommen je nach Bedarf mehrere Programmierer:innen und Softwareentwickler:innen. Außerdem ist Hassanzadeh zurzeit auf Mitarbeitersuche: Fünf neue Mitarbeitende sollen bald angestellt werden.

Möglich ist das dank einer Finanzierung in Höhe von 390.000 Euro, die Arxax kürzlich von der staatlichen Agentur Invitalia und NextGeneration EU erhalten hat. Weiteres Kapital verspricht sich Hassanzadeh von einer Finanzierungsrunde, die sie im Herbst abschließen will.

Neben der Finanzierung wurde das Engagement der 39-Jährigen kürzlich auch mit einem Preis belohnt: Beim Start-up-Event FUSE im NOI Techpark erhielt sie die Auszeichnung „Most Successful Female Founder“. „Der wertvollste Aspekt an solchen Preisen ist, dass sie vielleicht eine andere Frau dazu inspirieren, es auch zu versuchen“, sagt Elham Hassanzadeh. Immer noch sei es ein Problem, dass weibliche Gründerinnen schwerer an Kapital kämen, gerade in männerdominierten Branchen.

Die 39-Jährige, knapp 1,80 Meter große Frau wirkt nicht wie eine, die sich davon einschüchtern lässt. Eher spricht sie wie jemand, der es der Welt und sich selbst erst recht zeigen will.

Kein Cappuccino nach der Pizza

Bevor Elham Hassanzadeh 2022 nach Italien kam (sie und ihr Partner wohnen in Lavis), lebte sie in Kerman, dann in Teheran, Cambridge, London, Dundee, Oxford und wieder in London. Sie ist es gewohnt, umzuziehen und sich an einem neuen Ort zurechtzufinden. Gefragt nach einem Tipp für jemanden, dem oder der ein Umzug bevorsteht, scherzt sie: „Bleiben Sie daheim. Das ist einfacher.“ Woraufhin sie ausführt: „Man ist in neuen Ländern alleine, ist vollkommen für sich selbst verantwortlich. Auch das kulturelle Element ist nicht zu unterschätzen, wie die Einsicht, dass man nach einer Pizza keinen Cappuccino bestellen darf. Aber: Man lernt dazu.“

Apropos Cappuccino: Ihren Kaffee bestellt Elham Hassanzadeh beim Termin mit der SWZ auf Italienisch, auch wenn sie sonst Englisch spricht.

Zum Abschluss fragen wir sie noch, wie sie sich selbst mit drei Worten beschreiben würde. Sie macht eine kurze Denkpause. Dann erwidert sie: „I’m an arxax.“ Eine, die nicht aufzuhalten ist.

DIE SERIE Die SWZ stellt in diesen Wochen in der Serie „Start-up Südtirol“ junge Unternehmen und deren Gründer:innen vor, so wie bereits in den vergangenen Jahren. Alle Artikel können hier und in der SWZapp gelesen werden.

Schlagwörter: 26-24free

Interview

„Verkauft euch besser“

SWZ: Wie sind Sie nach Südtirol und zum Noi Techpark gekommen?
Elham Hassanzadeh: Wir sind durch die Dolomiten und Bozen gefahren, und ich habe mich in die Mischung aus einer sehr lokalen, aber gleichzeitig internationalen Region verliebt. Ich habe viel recherchiert, als ich versuchte zu entscheiden, wo ich mich mit meiner Firma niederlassen sollte, und dabei stieß ich auf den Noi Techpark. Die ersten Monate arbeitete ich im öffentlichen Bereich des Noi. Das war ziemlich inspirierend. Ich kam aus London, und das Einzige, was mir das Gefühl gab, in London zu sein, war der Noi Techpark.

Wie erleben Sie das Start-up-Ökosystem in Südtirol?
Es ist fantastisch. Es gibt ein hohes Maß an Engagement. Die Arbeit, die gerade am Noi geleistet wird, ist erstaunlich. Sie begleiten einen durch den gesamten Prozess und auf allen Ebenen. Das alles ist sehr unterstützend. Es ist unglaublich, dass diese Region dabei ist, sich zu einem Innovationszentrum in Mitteleuropa zu entwickeln. Sie kann locker auf europäischer Ebene mitspielen.

Sie haben in London, Schottland und im Nahen Osten gelebt. Was kann Südtirol sich von diesen Orten abschauen?
Südtirol hat definitiv das Potenzial, sich der Welt zu zeigen. Vielleicht sollte seine Präsenz in Bezug auf Marketing und Werbung stärker sein. Südtirol hat viel zu bieten – es geht nicht nur ums Skifahren oder Wandern.

Wir sollten also mehr Werbung für den Wirtschaftsstandort Südtirol machen?
Genau. Die Werbung sollte nicht nur tourismus-, sondern auch wirtschafts- und innovationsbezogen sein. Einige der innovativsten Unternehmen kommen aus dieser Region. Warum weiß das niemand? Geht hinaus und seid proaktiver, um diese großartige Gelegenheit vorzustellen!

Wie nehmen Sie die Region Trentino-Südtirol als Lebens- und Arbeitsort wahr?
Es ist wunderschön hier. Ich mag die Tatsache, dass es hier Disziplin gibt, einen Rechtsstaat und viel Transparenz.

Was sind die größten Herausforderungen für jemanden, der nach Südtirol zieht? Und was hätte es Ihnen leichter gemacht, hier Fuß zu fassen?
Ich denke, das hängt davon ab, woher man kommt. Wenn jemand aus Deutschland kommt, ist es sehr einfach, nach Südtirol zu ziehen. Wenn man von anderswo herkommt, nur Englisch spricht und in einem Unternehmen arbeiten möchte, dann ist es schon schwerer. Als Unternehmerin hatte ich hingegen nie Schwierigkeiten, mich zurechtzufinden.

Was ist Ihr Wunsch an die ­Landesregierung oder die öffentliche Hand?
Wir wurden von vielen Menschen willkommen geheißen und unterstützt. Ich denke, ich könnte nicht mehr verlangen. Wenn ich doch einen Wunsch äußern müsste, würde ich sagen: Bitte setzt den eingeschlagenen Weg fort, denn was ihr macht, ist erstaunlich. Vielleicht könntet ihr proaktiver sein und euch selbst besser ­verkaufen und die großartige Arbeit, die ihr leistet, auch anderen zeigen.

Ausgabe 26-24, Seite 6

Silvia Santandrea

Silvia Santandrea

Die Eppanerin hat in Innsbruck Politikwissenschaft und Sprachwissenschaft studiert und hat nach mehreren Praktika bei Südtiroler Printmedien sowie in Radio- und TV-Redaktionen ihren Weg in die SWZ gefunden. Herausforderungen liebt sie – im Job und auch am Berg.

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