Bozen – Anfang November wurde bekannt, dass Bozen eine zweite Produktionsstätte für Wasserstoff bekommen soll. 20 Millionen werde sie kosten, finanziert würde sie vorwiegend aus Geldern aus dem PNRR-Fonds und der Wasserstoff solle für Busse der Sasa produziert werden, hieß es. Viel mehr Details über die neue Anlage in Bozen Süd gelangten nicht an die Öffentlichkeit.
Mehrere Fragen sind noch offen: Warum bauen Alperia und Sasa in Bozen überhaupt eine zweite Anlage? Wäre es nicht möglich, das bereits existierende Wasserstoffzentrum zu modernisieren, wo Alperia und A22 Mehrheitseigentümer sind? Und was wird daraus, wenn eine zweite Anlage günstigeren Wasserstoff verkaufen wird als die bestehende? Die SWZ hat nachgefragt.
Die neue Produktionsanlage
Die neue Produktionsanlage wird nicht weit vom bereits existierenden Wasserstoffzentrum entfernt errichtet, und zwar auf dem Areal des alten Müllverbrennungsofens, wie Martin Vallazza, Direktor des Ressorts Infrastrukturen und Mobilität, erklärt. „Das Areal ist aus strategischer Sicht sehr interessant, denn es liegt in der Nähe des Sasa-Parkplatzes sowie der Autobahn in Bozen Süd, und im Umkreis gibt es zahlreiche Transportunternehmen.“
Dass die neue Anlage grauen, sprich mit fossilen Brennstoffen produzierten Wasserstoff erzeuge, wie es vor einiger Zeit hieß, ist falsch.
In wenigen Monaten sollen die Bagger auffahren. Im Sommer 2026 soll die Anlage bereits eröffnen.
Geplant ist, wie Vallazza erklärt, die Errichtung einer H2-Produktionsanlage sowie einer Photovoltaikanlage. Diese soll eine Kapazität von 1,8 Megawatt haben. „Der restliche Strom, der für die Produktion genutzt wird, stammt aus Wasserkraft. Dieser wird von Alperia bezogen“, so Vallazza. Dass die Anlage grauen, sprich mit fossilen Brennstoffen wie Erdgas, Kohle oder Öl produzierten Wasserstoff erzeuge, wie es vor einiger Zeit in den Medien hieß, sei schlichtweg falsch. „Es wird sich um grünen Wasserstoff handeln. Sonst ergibt das alles keinen Sinn.“
Energie aus der Müllverbrennung? Geht nicht
Eine der ursprünglichen Ideen der beiden Projektpartner und künftigen Betreiber und Inhaber der Anlage, Sasa und Alperia, war es, Energie aus dem Müllverbrennungsofen zu nutzen, um die H2-Anlage zu betreiben. „Das Problem dabei ist, dass in Italien – anders als in Deutschland zum Beispiel – Energie aus Müllverbrennungsöfen nicht als grüne Energie anerkannt wird. Der produzierte Wasserstoff würde damit nicht grün, sondern grau eingestuft.“ Sollte sich etwas hinsichtlich der Reglementierung ändern, gebe es aber nach wie vor die Option, die Anlage baulich anzupassen. Darüber habe man auch bereits mit dem Ecocenter, den Betreibern des Müllverbrennungsofens, gesprochen.
Die neue Anlage wird eine Leistung von zwei Megawatt haben, wobei sie auf insgesamt vier Megawatt erweiterbar sein wird. Mit der Sasa, die derzeit 21 Wasserstoffbusse betreibt (neun weitere sollen bald dazukommen), hat sie schon einen sicheren Abnehmer. „Sollten sich weitere Abnehmer finden, sind wir dafür offen. Es ist vorgesehen, dass die Bietergemeinschaft den überschüssigen Strom verkauft“, sagt Martin Vallazza. Finanziert werde die neue Produktionsstätte beinahe vollständig mit Geldern aus dem PNRR, unterstreicht Vallazza. Der Landeshaushalt bleibe unangetastet. Trotzdem drängt sich eine Frage auf: Ist die neue Produktionsanlage wirklich notwendig?
2013 wurde die erste Anlage eröffnet
Zwölf Jahre ist die Eröffnung des Wasserstoffzentrums mit dem großen blauen H2 an der Autobahnausfahrt Bozen Süd mittlerweile her. Maßgeblich daran beteiligt, die damals noch neue Technologie nach Bozen zu bringen, war Walter Huber. „Bereits Ende der 90er-Jahre sind wir nach Deutschland gefahren, unter anderem zu BMW, um die Technologie kennenzulernen“, erinnert er sich.
„In Zukunft macht jeder seine eigene Sache.“
Weil das Land nicht selbst Wasserstoff herstellen durfte, gründete Walter Huber im Jahr 2004 als Privatmann und einziger Gesellschafter ein Unternehmen: das heutige IIT Hydrogen, das das Wasserstoffzentrum in Bozen Süd betreibt. Bis 2013 sollte es allerdings dauern, ehe das Zentrum samt Wasserstofftankstelle in Betrieb ging. In der Zwischenzeit hatte IIT Hydrogen mit den heutigen Mehrheitseigentümern Brennerautobahn AG und Alperia finanzkräftige Gesellschafter erhalten.
Doch so richtig in Schwung wollte das Projekt nicht kommen. Zwar hat sich IIT Hydrogen viel Know-how aufgebaut und dieses auch weitergegeben, doch die Wasserstofftechnologie setzt sich nur langsam durch. Vor ein paar Jahren sprang dann Sasa als Kundin ab. Der Grund: Der in Bozen produzierte grüne Wasserstoff sei zu teuer.
Jeder kocht sein eigenes Süppchen

Die Busbetreibergesellschaft baute sich also eine eigene Tankstelle, nur wenige Hundert Meter vom Wasserstoffzentrum entfernt, und karrte den grauen (!) Wasserstoff fortan unter anderem von Mantua nach Südtirol. Im November sagte Martin Vallazza diesbezüglich gegenüber Rai Südtirol: „Der Wasserstoff aus Bozen kostet 20 Euro pro Kilogramm, anderswo kaufen wir ihn für ca. elf Euro ein.“ Mit der neuen Anlage wolle man künftig günstig produzieren und obendrein wieder auf grünen Wasserstoff umsteigen.
Für das bereits bestehende Wasserstoffzentrum in Bozen Süd bedeutet all das: Die Produktion läuft derzeit auf Sparflamme. Es wird deutlich weniger produziert, als eigentlich möglich wäre, weil die Nachfrage nicht vorhanden sei, erklärt Claudio Vitalini. Er ist der Geschäftsführer von IIT Hydrogen. Aber er unterstreicht auch, dass das Unternehmen nicht die gesamte Nachfrage der Sasa bedienen könnte, dafür seien die Kapazitäten zu gering.
Wird die neue Anlage also zur Konkurrentin von IIT Hydrogen, die ohnehin schon schwer Abnehmer für ihren Wasserstoff findet? Nein, sagt Vitalini. „Wir haben keine Einwände.“ Man hätte sich vielleicht überlegen können, ob man nicht eine einzige, große Anlage errichtet, anstatt eine zweite zu bauen, aber das sei eine Entscheidung der Sasa. „In Zukunft macht also jeder seine eigene Sache.“ Dann spricht Claudio Vitalini etwas an, das neu ist: IIT Hydrogen plane ebenfalls, die eigene Produktionsanlage in Bozen Süd zu vergrößern. Und zwar bald.
IIT Hydrogen will die Produktion ebenfalls steigern
„Wir werden das Produktionspotenzial der Anlage von einem Megawatt auf acht steigern“, sagt Claudio Vitalini. In zwei oder drei Jahren soll es so weit sein. Die Produktionsfläche werde in etwa dieselbe bleiben. Vitalini: „Die Anlagen sind mittlerweile zehn Jahre alt. Sie wurden eher für demonstrative Zwecke errichtet.“ Die Geräte sollen deshalb ausgetauscht, die Produktion insgesamt modernisiert werden.
Das Projekt soll die Brennerautobahn finanzieren, Steuergelder werden nicht in das Projekt fließen, erklärt der IIT-Hydrogen-Geschäftsführer. Abnehmerin des zusätzlichen Wasserstoffs, der künftig produziert werden kann, soll eine der beiden Haupteigentümerinnen sein: die Brennerautobahn AG. Entlang der A22 entstehen in diesen Jahren nämlich mehrere Wasserstoff-Tankstellen. Ganz im Sinne des politischen Ziels, die Autobahn zu einem „green corridor“ zu machen. Die H2-Tankstelle in Bruneck, die im Herbst eröffnen soll, pünktlich vor den Olympischen Spielen, soll ebenfalls mit Wasserstoff von IIT Hydrogen beliefert werden.
Dafür werde die Produktion in wenigen Monaten schon wieder nach oben gefahren, in ein paar Jahren, wenn die Anlage saniert ist, soll dann noch mehr produziert werden. Dadurch werde man am Markt konkurrenzfähiger. „Grüner Wasserstoff ist immer teurer als grauer. Aber durch die Produktion in größerem Ausmaß werden wir von Skaleneffekten profitieren“, so Vitalini. Außerdem plane die EU, Beiträge für grünen Wasserstoff zu vergeben, um diesen gegenüber dem grauen günstiger und konkurrenzfähiger zu machen.
Die neue Strategie von IIT Hydrogen
Der geplante Ausbau der H2-Produktion am Wasserstoffzentrum ist Teil eines neuen Businessmodells, das das Wasserstoffzentrum seit ein paar Jahren verfolgt. „Anfangs ging es darum, die Wasserstofftechnologie nach Südtirol zu bringen, der Bevölkerung die Angst davor zu nehmen und sich Know-how anzueignen“, erinnert Walter Huber.
Das sei gelungen, unterstreicht Vitalini. „Der Fokus lag aber weniger auf der Wirtschaftlichkeit.“ Heute sei die Strategie eine andere. „Unsere beiden größten Gesellschafter, Alperia und A22, haben nun mit dem Zentrum den Weg des freien Marktes eingeschlagen.“ Die Forschung laufe heute nebenbei, im Vordergrund stehen Dienstleistungen, sprich Projektierung, Planung und Realisierung von H2-Anlagen. Bereits mehrere Projekte wurden realisiert, wie Vitalini sagt, unter anderem im Piemont und im Friaul.
Der blaue Traum
In den kommenden Jahren wird die H2-Produktion in der Landeshauptstadt also richtig Fahrt aufnehmen. Der Traum, Südtirol zum Silicon Valley des Wasserstoffs zu machen, wird weiterhin verfolgt. Derweil streiten Fachleute im In- und Ausland nach wie vor über Sinn und Unsinn von Wasserstoff als Energieträger. Es sei eine saubere Energiequelle und ermögliche eine schnellere Klimawende, sagen die einen. Es sei zu teuer und der Energieaufwand bei der Produktion zu hoch, sagen die anderen. Wer am Ende recht haben wird und wie sinnvoll die beiden Projekte in Bozen damit sind, wird sich zeigen.
Dieser Artikel ist in der gedruckten SWZ mit folgendem Titel erschienen: Wasserstoff mal zwei