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Was wir jetzt brauchen, liebe Politik

UMFRAGE – Was wünschen sich Wirtschaftstreibende von der Politik? Wo orten sie den größten Handlungsbedarf für das kommende Jahr? Ein kurzer Rundruf quer durch Südtirol zeigt, wie unterschiedlich die Steinchen sind, die im Schuh drücken, aber auch wie ausgeprägt der Wille, den Widrigkeiten zu trotzen.

Südtiroler Wirtschaftszeitung von Südtiroler Wirtschaftszeitung
20. Dezember 2024
in Südtirol
Lesezeit: 6 mins read

Foto: Shutterstock / Agave Studio

Bea Eccel

Bea Eccel, Geschäftsführerin von Lavarent in Sarnthein

Eine meiner größten Sorgen gilt dem Wohnen. Unsere Mitarbeitenden wissen zum Teil nicht, wo sie wohnen sollen. Vor allem denke ich an Niedrigqualifizierte, die nach Südtirol kommen, vorübergehend in Aufnahmezentren unterkommen und dann ausziehen müssen, sobald sie ein gewisses Einkommen überschreiten. Sie werden gewissermaßen fürs Arbeiten bestraft, denn es ist für sie schwer, auf dem freien Markt eine Unterkunft zu finden, die zudem leistbar ist. Da bräuchte es Lösungen, denn nicht allen Arbeitgebern ist es möglich, Mitarbeiterunterkünfte zu errichten.

Das Wohnen ist das eine, das langfristige Denken das andere. Dieses fehlt in der Politik. Es wird immer nur bis zur nächsten Wahl gedacht, und je nachdem, wer gerade Landesrat oder Landesrätin ist, ändern sich die politischen Schwerpunkte. Es wäre wünschenswert, wenn definiert würde, wohin Südtirol will – im Tourismus, aber auch bei anderen Themen. In Südtirol fehlt ein roter Faden und entsprechend die Konsequenz bei den Entscheidungen.

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Christof Weissteiner (Foto: Weico)
Hubert Weissteiner (Foto: Weico)

Christof und Hubert Weissteiner, Geschäftsführer von Weico in Feldthurns

Ein großes Problem ist die mangelnde Eigenverantwortung. Niemand will mehr Verantwortung übernehmen, für alles wird ein Schuldiger gesucht, das schafft Bürokratie. Es wäre auch höchste Zeit, Jugendliche mit 14 arbeiten zu lassen. Beim Sport gilt es als selbstverständlich, dass man früh anfangen muss, um gut zu werden – im Beruf soll man mit 18 plötzlich alles können. Wir zwängen alle Jugendlichen in die Schule, auch die, die nicht wollen, und die brauchen danach alle eine Arbeit. Und dann wundern wir uns, dass es immer mehr Bürokratie gibt. Ein besonderes Kapitel sind die vielen unnützen Pflichtschulungen: Die Mitarbeiter sitzen die Kurse gelangweilt ab, fehlen aber im Betrieb.

Zudem finde ich, dass wir angesichts des Fachkräftemangels schleunigst Wege finden müssen, dass Leute nach der Pensionierung ohne finanzielle Abzüge weiterarbeiten dürfen, wenn sie das wollen, und dass Überstunden steuerlich entlastet werden. Wir verstehen, dass Mitarbeiter höhere Löhne fordern, aber wenn 150 Euro netto den Arbeitgeber mehr als doppelt so viel kosten, dann ist das nicht verkraftbar.

Martin Hitthaler

Martin Hitthaler, Lebensmittel- (Eurospin, Conad) und Gastronomieunternehmer (Mein Bistro)

Wir brauchen Personal, und das Problem ließe sich ganz einfach lösen. Wenn pro Monat bis zu zehn Überstunden pro Mitarbeiter steuerfrei wären und Pensionisten für Tätigkeiten bis zu 20 Stunden nur eine Miniabgabe entrichten müssten, dann hätten wir genug Arbeitswillige. So aber zahlt sich arbeiten einfach nicht aus. Die Leute wollen nicht. Mag schon sein, dass für die Besteuerung Rom zuständig ist, trotzdem muss dringend etwas passieren. Die Öffnung von Geschäften und Restaurants scheitert am fehlenden Personal.

Und dann gibt es da noch das ewige Thema Bürokratie. Wir müssen Auflagen ohne Ende erfüllen, und jeden Tag erfindet die Politik ein neues Gesetz, das man durchstudieren und befolgen muss. Dann ist plötzlich verboten, was gestern noch möglich war, manche Investition war dann für die Katz‘. Da fehlt die Rechtssicherheit. Damit nimmt man jungen Menschen die Lust auf unternehmerische Initiative. Und wenn Sie mich jetzt noch ein bisschen nachdenken lassen, dann fällt mir noch allerhand anderes ein.

Judith Rainer (Foto: Christian Tschurtschenthaler)

Judith Rainer, Hotelierin im Family ­Resort Rainer in Sexten

Der Tourismus darf nicht als Melkkuh für alles herangezogen werden – man darf nicht sämtliche Wünsche aus der Bevölkerung und von Interessengruppen auf unseren Sektor abwälzen. Die Politik sollte einmal definieren, was Tourismus ist, über den in Südtirol so viel Negatives und selten auch Positives gesagt wird. Tourismus ist nicht nur gewerbliche und nicht-gewerbliche Beherbergung, die über die Ortstaxe monetär zum Handkuss kommt, sondern es gehören auch Zweitwohnungsbesitzer und Tagestouristen dazu.

Das Tourismusentwicklungskonzept ist eine schöne Idee, um dem Ganzen einen Rahmen zu geben, aber bislang hat man mit dem Bettenstopp nur die gewerbliche Beherbergung getroffen. Es braucht noch viel mehr: Lobenswert ist etwa, dass Landesrat Luis Walcher nun Airbnb eingrenzen will.

Die Mobilität ist ebenfalls ein schwieriges Thema, bei dem ich mir eine erträgliche Lösung für alle Beteiligten wünsche. Und zwar, indem man den individuellen Bedürfnissen der einzelnen Gebiete Rechnung trägt, anstatt zentralistisch einen Gedanken über das ganze Land drüberzustülpen.

Gregor Stimpfl

Gregor Stimpfl, CEO und Präsident des Versicherungsbrokers Assiconsult

Wir brauchen nicht die großen politischen Visionen, sondern sollten uns zunächst auf die Tagespolitik konzentrieren, denn es gibt ein paar Hausaufgaben, die schleunigst zu erledigen wären. Stellvertretend nenne ich die Mobilität: Stauprobleme, Schließung der Dolomitenpässe, Bau der Überetscher Bahn, Verwirklichung der Umfahrung von Bozen und so weiter – es muss endlich konkret etwas getan werden, anstatt alles zu zerreden.

Eine Herausforderung ist auch die Schule, denn sie hat eine gesellschaftliche Dimension. Der Fall Goetheschule hat mich beschäftigt. Wir müssen die Schule neu denken und nicht nach Sprachen trennen, denn es gibt nun auch neue Sprachgruppen im Land.

Eine Baustelle ist weiters die Raumordnung. Dort fehlt die große Vision. Und wenn wir leistbares Wohnen wollen, dann müssen wir uns dazu durchringen, in die Höhe zu bauen. Mehr Grund haben wir nämlich nicht.

Ruth Volgger

Ruth Volgger, Unternehmerin im ­Eisacktal (u. a. Ruth Immobilien)

Ich wünsche mir, dass die ganze Bürokratie endlich abgebaut wird. Einem jungen Menschen, der eine Bar oder einen Friseursalon eröffnen möchte, müsste man heute fast schon raten, angesichts des unglaublichen Zettelwerks die Finger davon zu lassen.

Auch wünsche ich mir, dass wir wieder Politiker haben, die nicht nur bessere Beamte sind, sondern Profil zeigen, eine klare Linie haben und auch einmal etwas durchziehen. Und es braucht mehr Zusammenhalt: Wenn die Opposition einen guten Vorschlag hat, sollte man diesen im Sinne des Volkes unterstützen, anstatt nur politisch zu denken.

Außerdem sollten gewählte Politiker gleich viel arbeiten wie vor den Wahlen. Mir scheint es, als würden sie weniger arbeiten, sobald sie ihren Sitz haben. Mit Diskussionen im Landtag über sich selbst ist uns Bürgern und unserem schönen Land nicht geholfen.

Peter Trenkwalder

Peter Trenkwalder, Geschäftsführer von „Trenkwalder & Partner“ in Pfitsch und Filmproduzent

Die Politik kann uns nicht helfen, wir müssen uns schon selbst helfen. Es ist zu einfach, die Verantwortung auf die Politik abzuwälzen, denn die Herausforderungen sind so riesig, dass sie die Politik unmöglich alleine lösen kann. Wir müssen selbst Verantwortung übernehmen und an die Politik mit Ideen herantreten anstatt mit Forderungen. Wir brauchen Innovationswille. Da hapert es, wir sind satt geworden. Südtirol geht es gut, vielleicht zu gut. Dabei sehen wir derzeit am Beispiel der Autoindustrie, wie schnell sich die Situation ändern kann. Zu glauben, dass der Erfolg der heimischen Wirtschaft selbstverständlich ist und dass der Tourismus immer laufen wird, ist gefährlich. Dazu kommt, dass Nachhaltigkeit und Konsumverzicht in aller Munde sind. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass man damit rechnen muss, dass es einmal weniger wird. Sollte aber eine Krise kommen, dann steckt da auch immer etwas Positives drin: Krisen sind eine Zeit der Veränderung.

Georg Oberhollenzer (Foto: Aria Sadr-Salek)

Georg Oberhollenzer, Generaldirektor der Raiffeisenkasse Bruneck

Die Politik sollte Rahmenbedingungen für die Wirtschaftstreibenden schaffen, damit jeder erfolgreich seiner Tätigkeit nachgehen kann. Dazu braucht es etwa Rechtssicherheit, weniger Bürokratie, unternehmerische Freiräume und eine gute Erreichbarkeit. Staus sind speziell hier im Pustertal ein großes Problem – für Einheimische genauso wie für Gäste. Wir müssen aufpassen, dass die Stimmung auf beiden Seiten nicht kippt.

Was die Wirtschaft zunehmend betrifft, ist das Wohnproblem. Es ist ohnehin schon schwierig, neue Fachkräfte zu finden und die klugen Köpfe aus dem Ausland zurückzuholen – noch schwieriger ist es, wenn man keinen Wohnraum findet. Die ganze Welt hat sich von Airbnb überraschen lassen. Die Politik wird regulierend einschreiten müssen, auch weil es ein unlauterer Wettbewerb gegenüber dem Gastgewerbe ist.

Wir brauchen generell eine Strategie, wohin sich Südtirol entwickeln soll, denn das Land hat weltweit eingeschlagen: Alle wollen hier urlauben und viele sogar den Lebensabend hier verbringen. Die Frage lautet, wie weit wir gehen wollen und inwiefern wir das angesichts der sozialen Medien überhaupt noch steuern können.

Herbert Niederfriniger (Foto: holzius – Thomas Köhler Fotografie)

Herbert Niederfriniger, Geschäfts­führer von holzius in Laas

Wir im Vinschgau haben das große Problem, bei den Löhnen nicht mit der angrenzenden Schweiz mithalten zu können. Sehr viele Leistungsträger sind deshalb dort beschäftigt. Das wird von der Politik viel zu wenig berücksichtigt. Wenn der Standort Vinschgau vorankommen soll, muss etwas getan werden.

Ein wesentlicher Faktor ist – auch über den Vinschgau hinaus – die Besteuerung der Löhne. Von den Kosten, die einem Unternehmen bei Lohnerhöhungen entstehen, kommt bei den Mitarbeitern nicht einmal ein Drittel an. Auch bei Überstunden bleibt im Verhältnis zu den Kosten wenig übrig. Die Kaufkraft der Menschen steigt so nie im Ausmaß der Teuerung – und das kann nicht immer den Unternehmen angelastet werden. Die Art und Weise der Besteuerung macht uns das Leben schwer und fördert zudem die Schwarzarbeit.

Als Vorreiterunternehmen im ökologischen Holzbau würden wir uns zudem wünschen, dass bei öffentlichen Gebäuden in Südtirol – etwa Kindergärten – verstärkt auf diese Bauweise gesetzt wird. In anderen Ländern tun wir uns leichter als auf dem Heimatmarkt.

Heidi Siebenförcher

Heidi Siebenförcher, Inhaberin von ­Seven Fashion & Vintage in Meran

Im Handel gilt es, die Attraktivität und Vielfalt der Städte und Dörfer zu erhalten. Momentan ist die Situation weniger rosig, als oft behauptet wird. In Meran etwa beobachte ich, dass viele Geschäfte schließen. Die Politik muss den Handel ernst nehmen, ihn anhören und gemeinsam Strategien für passende Rahmenbedingungen entwickeln.

Das beginnt bei der Besteuerung der Onlinekonzerne. Es kann nicht sein, dass kleine Betriebe über 50 Prozent an Steuern zahlen und große Konzerne fünf Prozent. Hier wird schon viel zu lange weggeschaut. Südtirols Politiker sollten das Thema auf den höheren Ebenen ansprechen und sich für gleiche Bedingungen für alle einsetzen.

Es ist auch wenig nachhaltig, wenn kleine Pakete hin- und hertransportiert werden, wo man Dinge auch im Geschäft nebenan – wenn auch vielleicht etwas teurer – kaufen kann. Unter den Meraner Lauben sehe ich zwar viel Bewegung, aber fast keine Einkaufstaschen.

Ein weiteres Problem sind die Lohnnebenkosten. Diese müssen gesenkt werden, damit den Mitarbeitern mehr Geld in der Tasche bleibt.

Aufgezeichnet von Christian Pfeifer und Heinrich Schwarz

Schlagwörter: 49-24free

Ausgabe 49-24, Seite 2

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