Dubrovnik – Wer derzeit beim Urlaub an der Mittelmeerküste den Sprung ins kühle Nass sucht, ist mit den Strandduschen besser bedient als mit dem Meer. In mehreren Regionen wurden zuletzt bis zu 30 Grad Wassertemperatur gemessen. In der Nähe der kroatischen Stadt Dubrovnik waren es 29,7 Grad: ein neuer Rekord. Vier bis fünf Grad Celsius liegen die Werte derzeit über dem langjährigen Durchschnitt.
Bereits 2022 widmete der Weltklimarat IPCC dem Mittelmeer ein eigenes Kapitel und bezeichnete es darin als „Hotspot des Klimawandels“. Das Expertengremium zeichnet eine stetige Erwärmung von Luft und Meer seit etwa 1980 nach. Im Mittelmeerraum würden „alle derzeit prognostizierten Pfade des Klimawandels die Risiken für die menschliche Gesundheit und das menschliche Wohlergehen verschärfen und Ökosysteme wie auch die Wirtschaft unter Druck setzen“, resümiert der IPCC.
Flora und Fauna leiden, unerwünschte Bewohner vermehren sich
Besonders zu leiden haben derzeit Flora und Fauna. Während vergleichbarer maritimer Hitzewellen Ende der 2010er-Jahre im Mittelmeerraum kam es bei rund 50 Arten zu einem Massensterben zwischen der Wasseroberfläche und 45 Metern Tiefe, wie eine 2022 in der Zeitschrift „Global Change Biology“ veröffentlichte Studie nachwies.
Zugleich nehmen unerwünschte Bewohner überhand. Einige Quallenarten vermehren sich zunehmend, ebenso tropische Fische wie der giftige Rotfeuerfisch. Er kam mutmaßlich über den Suezkanal ins Mittelmeer, wo er kaum natürliche Feinde hat und einheimische Arten verdrängt. Heuer plagt außerdem Algenschleim die Adriaküste. Er wird von der ungiftigen Mikroalge „Gonyaulax fragilis“ freigesetzt und ist ungefährlich, wenn auch unappetitlich. Was ihn genau verursacht, ist noch nicht hinreichend erforscht.
Das Ökosystem des Mittelmeeres habe Tausende Jahre Zeit gehabt, sich an die klimatischen Bedingungen anzupassen, erklärte Manuel Vargas vom spanischen Institut für Meereskunde gegenüber der deutschen Tagesschau. Nun gebe es einen Wandel in nur 100 oder 150 Jahren. „Einige Arten werden das nicht schaffen. Wir verlieren die Artenvielfalt.“ In dieselbe Kerbe schlägt Katrin Schröder, Ozeanografin am „Istituto delle Scienze Marine“ – Ismar: „Viele einheimische Arten sind gezwungen, sich in kühlere Gewässer zurückzuziehen oder stehen am Rande des Aussterbens.“
Erhöhte Unwettergefahr
Mit Sorge beobachten auch Meteorologinnen und Meteorologen die hohen Wassertemperaturen. Eine Folge des wärmeren Meerwassers ist nämlich eine erhöhte Unwettergefahr. „Je wärmer das Meerwasser ist, desto mehr Feuchtigkeit wird in die Atmosphäre transportiert“, erklärt Landesmeteorologe Dieter Peterlin. Vor allem im Herbst sei mit intensiveren Tiefs zu rechnen. Dann ist der Temperaturkontrast zwischen Norden und Süden besonders stark.
„Je wärmer das Meerwasser ist, desto mehr Feuchtigkeit wird in die Atmosphäre transportiert“, erklärt Landesmeteorologe Dieter Peterlin.
Doch damit nicht genug. Dadurch, dass sich der kühlende Effekt des Mittelmeers abschwächt, legen die Temperaturen an Land ebenfalls zu. „Wenn die Hitzewellen immer intensiver werden, könnte der Sommertourismus darunter leiden. Reisende kommen dann vielleicht eher im Frühjahr und Herbst“, sagt Peterlin.
Kurzfristig mehr Medicanes
Zugleich weist er darauf hin, dass in Zukunft auch vermehrt mit sogenannten Medicanes zu rechnen sei. „Medicane“ ist ein Kofferwort aus den englischen Begriffen „mediterranean“ („das Mittelmeer betreffend“) und „hurricane“. Dabei handelt es sich um eine Art Tropensturm, der auf den Mittelmeerraum begrenzt ist. Ähnlich wie Hurrikans kennzeichnen ihn Wolkenbänder, die gegen den Uhrzeigersinn um ein wolkenfreies Auge im Zentrum des Tiefs wirbeln. Typisch sind zudem starke Niederschläge mit mehr als 500 Litern pro Quadratmeter in 24 Stunden. Aufgrund des sehr viel kleineren Einzugsgebiets im Mittelmeer bauen Medicanes aber kein sich selbst stabilisierendes Wettersystem auf und zerfallen nach wenigen Stunden bis maximal zwei Tagen. Außerdem erreichen sie einen kleineren Durchmesser als Hurrikans (70 bis 200 Kilometer vs. 100 bis 1.500 Kilometer). Die Windgeschwindigkeiten fallen ebenfalls geringer aus und erreichen meist die eines tropischen Sturms, also 63 bis 112 Kilometer pro Stunde, während Hurrikans mit mehr als 118 Kilometer pro Stunde wüten (Windstärke zwölf nach Beaufort).
Im Vorjahr zeigte Medicane Daniel, welche Auswirkungen derartige Stürme haben können. Als Sturmtief traf er Anfang September mit Starkregen und Überflutungen Griechenland, Bulgarien und die Türkei. Anschließend zog er weiter vor die Küste Nordafrikas und entwickelte sich zu einem vollwertigen Medicane, gespeist von der Energie des Mittelmeers, das zu jenem Zeitpunkt bis zu 30 Grad warm war, ähnlich wie derzeit. Besonders stark getroffen wurde Libyen, wo Tausende Menschen starben.
Langfristig könnten Medicanes allerdings seltener werden, so eine Studie, die im Fachjournal „Geophysical Research Letters“ veröffentlicht wurde. Der Temperaturgegensatz zwischen Nord und Süd nehme nämlich ab. Zugleich heize sich das Mittelmeer weiter auf. Wenn ein Medicane in so einem Szenario dann doch zustande käme, dürfte er intensiver ausfallen.
Globalen Ausstoß an Treibhausgasen rasch senken
Die wichtigste Gegenmaßnahme wäre, den globalen Ausstoß an Treibhausgasen zu senken, und zwar so schnell, dass die Erderwärmung möglichst unter 1,5 Grad Celsius bleibt und in jedem Fall unter zwei Grad. Zwischen den verschiedenen Szenarien des Weltklimarats liegen gerade im extrem klimasensiblen Mittelmeerraum regelrecht Welten, schreibt das Wissensmagazin „Spektrum“ in seiner Onlineausgabe. Der Mittelmeerraum habe großes ungenütztes Potenzial und könne vor allem Fotovoltaik und Solarthermie stärker nutzen. Zudem seien Seegraswiesen wichtige Kohlenstoffspeicher. Ihr Erhalt und ihre Renaturierung seien daher sehr wichtig. Ebenfalls forciert werden muss laut spektrum.de die Errichtung von Schutzgebieten, in denen Arten sich abgeschirmt von menschlichen Eingriffen besser vermehren können.
Dieser Artikel ist in der gedruckten SWZ mit folgendem Titel erschienen: „Sprung ins warme Nass“.
Interview
„Der Temperaturanstieg ist besorgniserregend“

SWZ: Wie groß ist der Temperaturanstieg im Mittelmeer?
Katrin Schroeder*: Der Temperaturanstieg im Mittelmeer ist besorgniserregend. Die Temperaturen steigen hier um etwa 20 Prozent schneller als im globalen Durchschnitt. In den vergangenen Jahrzehnten hat es sich bereits um eineinhalb Grad Celsius erwärmt. Die Erwärmung an der Oberfläche ist deutlich stärker ausgeprägt als in den tieferen Wasserschichten. Das liegt daran, dass sie direkter der Sonneneinstrahlung und atmosphärischen Bedingungen ausgesetzt ist. Die Oberflächentemperaturen können sich deshalb schneller ändern und reagieren auch sensibler auf kurzfristige Klimaschwankungen und Wetterereignisse. Im Gegensatz dazu erwärmt sich das Tiefenwasser langsamer. Diese Schichten sind weniger von der Sonneneinstrahlung betroffen und die Wärmeübertragung erfolgt hauptsächlich durch vertikale Durchmischungsprozesse und Ozeanzirkulation. Diese Prozesse sind wesentlich langsamer und effizient, was zu einer verzögerten und geringeren Erwärmung im Vergleich zur Oberfläche führt.
Was bedeuten die höheren Temperaturen für die Flora und Fauna?
Die höheren Temperaturen haben erhebliche Auswirkungen auf die Flora und Fauna im Mittelmeer. Viele einheimische Arten sind gezwungen, sich in kühlere Gewässer zurückzuziehen oder stehen am Rande des Aussterbens. Gleichzeitig breiten sich invasive Arten aus, die die einheimischen verdrängen. Dies führt zu einem Verlust der biologischen Vielfalt und stört die maritimen Ökosysteme erheblich. Ein weiteres besorgniserregendes Phänomen ist das Auftreten von lang anhaltenden Meereshitzewellen. Diese extremen Wärmeereignisse können Tage bis Monate andauern und haben verheerende Auswirkungen auf maritime Lebensräume. Sie führen zu Korallenbleichen, dem Absterben von Seegraswiesen und beeinträchtigen die Fortpflanzung und das Wachstum vieler Meeresorganismen. Die Häufigkeit und die Dauer dieser Hitzewellen haben in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen, vor allem im Mittelmeer, und werden voraussichtlich weiter steigen.
Was bedeutet ein tropisches Mittelmeer insgesamt für Europa?
Ein tropisches Mittelmeer hätte weitreichende Folgen für Europa. Es könnte zu häufigeren und intensiveren Wetterphänomenen wie Hitzewellen und Stürmen führen. Die Veränderungen in den maritimen Ökosystemen könnten auch die Fischerei und den Tourismus beeinträchtigen, was wirtschaftliche Auswirkungen hätte. Zudem könnten neue Krankheitserreger auftreten, die sowohl die menschliche Gesundheit als auch die Tierwelt bedrohen würden.
Was besorgt Sie persönlich am meisten angesichts der steigenden Meerestemperaturen?
Dass die steigenden Temperaturen zu irreversiblen Schäden an den maritimen Ökosystemen führen könnten, vor allem an einem biologischen Hotspot wie dem Mittelmeer, wo es eine besonders große und einzigartige Artenvielfalt gibt. Der Verlust der biologischen Vielfalt und die Veränderungen in den Lebensräumen könnten langfristige Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesellschaft haben. Zudem macht mir der Anstieg des Meeresspiegels große Sorgen, zumal ich in Venedig wohne. Die Erwärmung der Ozeane führt zur thermischen Ausdehnung des Wassers und zur Abschmelzung der Polkappen, was den Meeresspiegel steigen lässt. Dies erhöht das Ausmaß an Überschwemmungen in Venedig und andernorts und bedroht menschliche Siedlungen langfristig.
* Katrin Schroeder ist Ozeanografin am „Istituto delle Scienze Marine – Ismar“ in Venedig.