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Walther Andreaus, der „Stirgger“

PORTRÄT – Walther Andreaus ist Südtirols bekanntester Verbraucherschützer. Auch fünf Jahre nach seiner Pensionierung legt er sich mit den Großen an – ob mit der Volksbank oder der Landespolitik. Wer der Mann ist, der sich ehrenamtlich für die Kleinen einsetzt und dabei gerne polemisch auftritt.

Heinrich Schwarz von Heinrich Schwarz
7. Oktober 2025
in Südtirol
Lesezeit: 5 mins read

Walther Andreaus ging mit 58 Jahren in Rente, macht aber weiter von sich reden. (Fotos: SWZ)

Margreid – Walther Andreaus lebt in einer idyllischen Lage. Sein Haus steht im kleinen Weiler Lafot südlich von Margreid, unmittelbar am Fuße der steilen Felswände des Fennbergs. Der Ausblick geht über das Unterland mit seinen schier endlosen Weinbergen und Apfelwiesen. Es ist grün, riecht nach Natur – und es ist kein Lärm zu vernehmen.

Da drängt sich die Frage auf: Warum genießt dieser Mann nicht seinen wohlverdienten Ruhestand, sondern legt sich ehrenamtlich und öffentlichkeitswirksam mit Größen aus Wirtschaft und Politik an?

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Eine Nacht- und Nebelaktion

Walther Andreaus ist der Südtiroler Verbraucherschützer. Er war maßgeblich an der Gründung der Verbraucherzentrale Südtirol (VZS) im Jahr 1995 beteiligt. Und er war ihr erster Geschäftsführer – bis zu seiner Pensionierung zum Jahresende 2019. Als solcher war der heute 64-Jährige ein bekanntes Gesicht in den Medien. Denn der Unterlandler scheute sich nicht, medial in Erscheinung zu treten, immer wieder einmal auch mit scharfer Zunge.

Dabei schien es in jungen Jahren so, als würde Andreaus im Gastgewerbe seine berufliche Heimat finden. Nach der Mittelschule begann er eine Kochlehre. „Ich schloss sie aber nicht ab, weil ich in der Praxis wenig lernte. Mir wurde kaum etwas gezeigt, sondern ich wurde hauptsächlich für einfache Arbeiten wie Pommes schneiden und Salat waschen eingesetzt“, erinnert er sich. Es folgte die Berufsschule für Kellner und Hotelsekretäre. Für einige Jahre arbeitete Andreaus dann in Hotels in Gröden und Bozen.

„Weil ich dabei sah, wie damals die Arbeitsbedingungen im Land waren, wechselte ich zur Gewerkschaft ASGB“, erzählt Andreaus. Rund 20 Jahre blieb er dort, zuständig für den Bereich Industrie und mit der Zeit auch für Verbraucherthemen.

Schließlich kam es zur Gründung der VZS. An die zehn Vereine und Organisationen, darunter die Gewerkschaften, bemühten sich um eine ständige Einrichtung für den Verbraucherschutz. „Damals waren die SVP-Arbeitnehmer noch stark und der Fraktionsvorsitzende Hubert Frasnelli griff das Anliegen in Zusammenarbeit mit Landesrat Otto Saurer auf, während Landeshauptmann Luis Durnwalder von der Idee nicht sehr angetan war. In einer Nacht- und Nebelaktion, als der Landeshauptmann abwesend war, beschloss der Landtag das Gesetz zur Gründung der Verbraucherzentrale“, erzählt Walther Andreaus schmunzelnd.

Bereits mit 58 in Rente

In die Vorbereitungen war er federführend involviert. Und als es um die Frage ging, wer die VZS effektiv aufbauen und leiten sollte (und der Andrang laut Andreaus nicht groß war), nahm er die Herausforderung an. Zuerst war es ein Teilzeitjob, nach einigen Jahren kamen die ersten Mitarbeiter:innen hinzu. „Es gab mit dem Land immer große Kämpfe um die finanzielle Ausstattung der VZS“, erklärt Andreaus den Hintergrund und fügt hinzu: „Das tat uns aber gut. Denn mit viel Geld wird man gemächlicher. Wir hingegen mussten um jeden Schritt kämpfen und waren deshalb ständig auf Leistung und Ergebnisse fokussiert.“

So sei die VZS zu einer stattlichen Institution geworden. Bei seiner Pensionierung Ende 2019 habe sie mehr als 30 Mitarbeitende an mehreren Standorten gezählt, ist Andreaus stolz.

Er ging in einem Alter in Rente, das zukünftig unvorstellbar ist: mit 58 Jahren. Zu dieser Zeit hatte Walther Andreaus bereits 43 Beitragsjahre angesammelt. „Ich ging zwar noch gerne ins Büro, war aber auch teilweise froh, nicht mehr jeden Tag dasselbe tun zu müssen“, erklärt er den frühen Renteneintritt. Letztendlich blieb er dem Verbraucherschutz trotzdem treu, jedoch in eigenständiger Weise und ohne Verantwortung für eine ganze Institution mit all ihren Aufgaben.

Ein Gästehaus als Vereinssitz

Andreaus bittet beim SWZ-Porträttermin nicht in sein Wohnhaus, sondern in ein kleineres, angrenzendes Häuschen, das bereits beim Gang vom Auto zum Eingangstor durch seine moderne, riesige Fensterfront ins Auge fällt. „Das ist der Sitz des Verbraucherschutzvereins Robin“, sagt Andreaus mit einem Lächeln im Gesicht. Beim Raum, den wir betreten, handelt es sich um eine geräumige Wohnküche.

Vor der Fensterfront steht ein großer Tisch mit vier Stühlen, daneben ein kleiner Kasten mit einem Drucker. Zwischen dem Tisch und einer roten Couch in der Ecke ist ein Roll-up-Banner des Verbrauchervereins positioniert. Die Türen neben der Küchenzeile führen vermutlich zu einem Schlafzimmer und einem Bad. Ein Chalet zur touristischen Vermietung? „Nein“, lacht Walther Andreaus, „das würde ich nie tun. Es ist ein privates Gästehaus. In diesem Gebäude wohnte mein Großvater, deshalb ist es Wohnraum.“

Andreaus in seinem Gästehaus, das er als Vereinssitz für Robin nutzt.

Im Haupthaus wuchs Andreaus mit seinen Eltern und seinem Bruder auf. Der Vater war Elektriker, die Mutter Obstsortiererin. Schon als Kind habe er Verbraucherschutz miterlebt, wie er erzählt. Damals führte die Hauptstraße direkt an den Häusern des Weilers Lafot vorbei. Lärm und Gestank – unter anderem von den Lkws einer nahen Asphaltfabrik – hätten zur Tagesordnung gehört. „Es gab Bürgerinitiativen. Und Landespolitiker wurden eingeladen, hier zu schlafen, um die Belastung selbst mitzuerleben. Schlussendlich wurde eine Umfahrung gebaut“, blickt Andreaus zurück.

„Mit wenigen Mitteln viel bewegen“

Dass er dem Verbraucherschutz nach der Pensionierung in irgendeiner Form erhalten bleiben will, sei für ihn klar gewesen, sagt er. „Ich wollte die Erfahrungen, die ich über Jahrzehnte gesammelt hatte, nicht über Bord werfen.“ Nachdem immer wieder Menschen um Hilfe gebeten hätten („und ich ein Helfersyndrom habe“), habe sich eine durchaus aufwendige, ehrenamtliche Tätigkeit über den Verein Robin ergeben, in dessen Logo der Hut von Robin Hood zu sehen ist.

„Ich bin bereit, die Energie, die ich habe, anderen zur Verfügung zu stellen. Vor allem Schwächeren, denn das Interessante ist es, gegen Starke anzukämpfen. Es reizt mich, mit wenigen Mitteln viel zu bewegen“, betont Andreaus. Für seine Tätigkeit wende er täglich im Schnitt einen halben Arbeitstag auf – mal mehr, mal weniger.

Das Reisen lässt er als leidenschaftlicher Wohnmobilist dennoch nicht zu kurz kommen. So sei er den ganzen Sommer weg gewesen, vorwiegend in Frankreich, und habe sich täglich ein bis zwei Stunden an den Laptop gesetzt.

Unter anderem mit diesen Themen macht Andreaus immer wieder medial von sich reden: Sammelklagen gegen die Volksbank wegen des Aktien-Wertverlustes, freier Zugang zum Kalterer See und mehr Südtirol-Autonomie im Bereich Strom. Er tritt dabei mitunter mit scharfen und polemischen Tönen auf – und zwar aus Kalkül (siehe Interview).

„Robin“ sei übrigens nicht nur er. Im Verein würden rund zehn Menschen ehrenamtlich mitarbeiten, Fachleute aus unterschiedlichen Bereichen. Nur sei Andreaus der Einzige, der bereit ist, sich in der Öffentlichkeit zu exponieren.

Einer, der nicht locker lässt

Walther Andreaus ist ein „Stirgger“, hat die SWZ-Redaktion befunden. Ein Wort aus dem Südtiroler Dialekt, das ihn besser beschreibt als ein hochdeutscher Begriff. Wer es nicht kennt: „Stirggen“ bedeutet so viel wie stochern, nachbohren – und zwar auf eine (zumindest für die Gegenseite) lästige Weise.

Der Margreider nimmt das Wort „stirggen“ beim Gesprächstermin selbst in den Mund. Es reize ihn, gewissen Dingen nachzugehen und nicht locker zu lassen.

Wie nützlich öffentliche Sichtbarkeit sein kann, habe er in den ersten Tagen der VZS gesehen, blickt er zurück: „Es gab bei einem Fensterhersteller einen großen Brand samt Giftstoff-Alarm wegen verbranntem Plastik. Ich warf die Frage auf, ob man Fenster nicht auch aus Holz statt aus PVC herstellen könnte. In der ‚Dolomiten‘ erschien daraufhin ein großer Artikel und es wurde gepoltert, was sich der ‚Genosse Andreaus‘ getraut zu sagen. Jedenfalls wussten die Südtiroler in der Folge, dass es eine Verbraucherzentrale gibt.“

Der Fervida-Versuch

Und wie verbringt Walther Andreaus seine Rentenzeit, wenn er gerade nicht Verbraucherthemen nachgeht und/oder auf Reisen ist? „Ich sportle gerne – laufen, Rad fahren, langlaufen. Und ich lese viel. So vergeht ein Tag ziemlich schnell.“

Landwirtschaftlich habe er sich – schließlich lebt er mitten im Grünen – mal an der Weinproduktion versucht. Um aus einer kleinen Rebfläche hinterm Haus guten Wein herzustellen, sei aber der Aufwand zu groß gewesen.

Sein neues Eigenbauprojekt heißt Fervida. „Das ist eine alte Fermentationstechnik aus Thailand, die in Europa unbekannt ist, die aber ein Italiener hierhergeholt hat. Bäuerinnen aus Kurtinig haben mir die Technik beigebracht.“

Andreaus führt uns in den Keller des Wohnhauses. Dort stehen zwei Behälter mit seinen ersten Fervida-Versuchen. Er erklärt: „Man setzt Wasser, Zucker und Obst oder Gemüse für rund ein Jahr an. Das Endprodukt ist gesundheitsfördernd und kann für verschiedenste Zwecke eingesetzt werden: unter anderem für Kosmetikprodukte, als Reinigungsmittel, Pflanzenschutz oder als Zugabe zu Nahrungsmitteln.“

Alles in allem scheint sich Walther Andreaus einen guten Ausgleich in der Rentenzeit geschaffen zu haben. Er meint selbst: „Ich habe eine Form gefunden, um Hilfesuchenden einen Dienst zu erweisen und gleichzeitig die Ruhe zu genießen.“

Schlagwörter: 39-25free

Interview

„In Südtirol wird viel ausgesessen“

SWZ: Herr Andreaus, Sie treten in der Öffentlichkeit oft scharf und polemisch auf. Hätten Sie das auch als Geschäftsführer der Verbraucherzentrale gerne öfter getan, konnten es in dieser institutionellen Rolle aber nicht, um es sich mit niemandem zu verscherzen?
Walther Andreaus: Sie haben die Antwort bereits in der Frage mitformuliert. Ich musste aufpassen, was ich sage, denn ich hatte Verantwortung für 30 Mitarbeiter, hinter denen 30 Familien stehen. In so einer Rolle muss man sich anders bewegen, als wenn man frei ist. Derzeit verfolge ich zudem Themen, die schon lange brodeln und endlich eine Entscheidung benötigen – etwa der freie Zugang zum Kalterer See, eine Entschädigung für die Volksbank-Aktionäre oder die Stromautonomie. In Südtirol wird viel ausgesessen. Es reizt mich, dem nachzugehen.

Und Sie scheinen zu wissen, wie man Aufmerksamkeit erregt.
Ja, die Öffentlichkeit ist für die schwächere Seite ein zusätzliches Instrument, das seine Wirkung zeigt, wenn man auch mal ein bisschen polemisch ist. Ich könnte meine Zeit genauso gut dafür nutzen, um zu wandern oder Rad zu fahren – aber um die Dinge voranzubringen, muss man präsent sein. Das ist auch Teil der Demokratie: Die besten Ideen sollten sich durchsetzen – nur müssen diese Ideen erst einmal auf den Tisch kommen, um diskutiert werden zu können.

Die VZS scheint seit Ihrer Pensionierung zahmer geworden zu sein. Stört Sie das?
Nein. Anders als wir als privater Verbraucherschutzverein ist die VZS in der Lage, im großen Stil persönliche Beratung anzubieten. Das macht sie hervorragend. Sie ist vielleicht nicht mehr so mutig und militant wie früher, aber das machen wir mit unserem Verein wett.

Ist das abgesprochen?
Nein. Ich habe das zwar vorgeschlagen, es war aber nicht erwünscht. Das passt für mich, wenn der alte Chef keine Rolle mehr spielt, denn ich weiß mein Kind in guten Händen. Dieser Mechanismus kann grundsätzlich jedoch sehr erfolgreich sein. Wir kennen ihn etwa von den Verhandlungen zur Südtirol-Autonomie: Während Alfons Benedikter in Rom hart verhandelte, war Silvius Magnago der ausgleichende Diplomat.

Bekommen Sie durch Ihre Art viel Gegenwind auf persönlicher Ebene, etwa aus Kreisen der Wirtschaft und Politik?
Eigentlich nicht. Es gibt freilich Kritik, aber solange sie konstruktiv ist und ein neues Argument auf den Tisch bringt, finde ich sie gut. Von Interessen geleitete Kritik bestärkt mich hingegen und zeigt, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Und gehässige Kommentare in den sozialen Medien gehören leider dazu, wenn man sich so exponiert.

Ausgabe 39-25, Seite 6

Heinrich Schwarz

Heinrich Schwarz

Der Passeirer arbeitete ab 2013 bei der „Südtiroler Tageszeitung“ in den Bereichen Wirtschaft und Politik und ist seit 2022 Teil der SWZ-Redaktion. Er liebt die Recherche und Aufbereitung wichtiger und spannender Themen.

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