Bozen – Ist der labyrinthartige Weg von der Tiefgarage des Noi Techpark bis zur Eingangshalle erst einmal erfolgreich bewältigt, begegnen einem viele junge Menschen, die im Südtiroler Forschungs- und Innovationszentrum arbeiten. In den Räumlichkeiten des Wasserstoff-Start-ups Hydrocell wird der Altersschnitt dann deutlich höher.
Im Besprechungsraum sitzt Karl Manfredi, der 61-jährige CEO des Unternehmens, mit einem Notebook vor sich und dem Handy am Ohr. Er grüßt freundlich und macht den Raum frei für den SWZ-Porträttermin mit seinem 81-jährigen Geschäftspartner Walter Huber. Der dritte Gründer von Hydrocell, Federico Giudiceandrea, 69 Jahre alt und ebenfalls noch voller Tatendrang, ist an diesem Nachmittag nicht anwesend.
Walter Huber ist CTO des Start-ups, also der Technische Direktor. Er bringt nicht nur technische Expertise ein, die in Südtirol und wohl weit darüber hinaus einmalig ist, sondern auch ein internationales Netzwerk, das er in den vergangenen mehr als 20 Jahren im Bereich Wasserstoff aufgebaut hat.
Im Gespräch mit dem Südtiroler Wasserstoff-Pionier wird schnell klar: Er lebt für dieses Thema. Und er weiß es immer noch in verständlicher Art und Weise zu vermitteln.
Beinahe in die USA ausgewandert
Walter Huber wuchs in St. Lorenzen auf und ging nach der Matura am Bozner Franziskanergymnasium 1963 zum Studium der Technischen Chemie nach Wien. Nach weiteren drei Jahren als Hochschulassistent kehrte er in die Heimat zurück – als Sachbearbeiter im Landeslaboratorium für Luftverschmutzung und Lärm.
„Im Wesentlichen ging es in diesem Job darum, Fabriken zu kontrollieren und gegebenenfalls zu strafen. Das fiel mir schwer – auch weil die Technik nicht ausgereift war und ich oft dachte, dass die Messwerte nicht stimmen können“, erinnert sich Huber. Er fasste deshalb den Entschluss, ins ferne Ausland zu gehen: „Ich schrieb Briefe ins kalifornische Weinbaugebiet Napa Valley, da ich an der Uni an osmophilen Hefen geforscht hatte.“
Es sei sein früherer Nachbar in St. Lorenzen gewesen, der ihn davon abbrachte – kein Geringerer als der damalige Generaldirektor im Landwirtschaftsressort und vormalige Landwirtschaftslandesrat, Heinold Steger. „Er bot mir an, im damals selbstständig werdenden Versuchszentrum Laimburg das Laboratorium für landwirtschaftliche Chemie aufzubauen“, erzählt Walter Huber.
20 Jahre – bis 1996 – blieb er dort, ehe sich die Gelegenheit zu einer weiteren Aufbauarbeit bot, jene für die Landesagentur für Umwelt, nachdem Rom solche Einrichtungen auf regionaler Ebene vorsah. „Nachdem die Abteilungsdirektoren des Landes zuvor stets direkt ernannt worden waren, war ich der erste, der auf Grundlage eines Wettbewerbs eine Führungsposition erhielt“, blickt der gebürtige Pusterer zurück.
Ein öffentliches Projekt als Privatmann
Der zuständige Landesrat für Umwelt und Energie war zu jener Zeit Michl Laimer. „Ihm war es immer wichtig zu verfolgen, welche Neuerungen es in der Welt gibt und welche Möglichkeiten sich daraus für Südtirol ergeben“, sagt Huber. So sei man Ende der 90er-Jahre nach mehreren Exkursionen in Deutschland der Wasserstofftechnologie nähergekommen. Unter anderem bei BMW, das ein Auto mit Flüssigwasserstoff als Kraftstoff in einem Verbrennungsmotor entwickelte.
„Für mich war klar, dass es sich um eine Technologie der Zukunft handelt und dass Südtirol das Thema aktiv verfolgen muss“, betont der Chemiker. Weil das Land nicht selbst Wasserstoff herstellen durfte, gründete Walter Huber im Jahr 2004 – damals wurde er auch Ressortdirektor von Michl Laimer – als Privatmann und einziger Gesellschafter ein Unternehmen: das heutige Institut für Innovative Technologien (IIT), das das Wasserstoffzentrum in Bozen Süd betreibt.
Nach seiner Pensionierung Ende 2008 widmete sich Huber schließlich voll dem Projekt, das unter anderem mit den heutigen Mehrheitseigentümern Brennerautobahn AG und Alperia finanzkräftige Gesellschafter erhalten hatte.
Warum nicht die Rente genießen, sondern in voller Auslastung weiterarbeiten? „Ich war gesundheitlich in guter Verfassung. Warum also nicht weitermachen, solange man kann und gebraucht wird? Zudem war und bin ich alleinlebend – und ich kann Vernünftigeres tun, als jeden Tag auf den Berg zu gehen“, lacht er.
Lange Vorarbeit – und dann gebremste Entwicklung
Zwischen bürokratischen Hürden und anderen Verzögerungen dauerte es bis 2013, ehe das Zentrum samt Wasserstofftankstelle in Betrieb ging. Gleichzeitig verkehrten die ersten fünf Wasserstoffbusse in Bozen. „Uns ging es auch stets darum, die Bevölkerung mitzunehmen, sie zu informieren und zu zeigen, dass Wasserstoff nicht gefährlich ist, sondern die Umwelt verbessern kann“, so Walter Huber.
„Es gibt immer wieder neue internationale Entwicklungen, die mir keine Ruhe lassen.“
Dass es mit der Wasserstofftechnologie deutlich langsamer voranging als erwartet – vor allem in der Autoindustrie –, habe ihn nie davon abgehalten, an die Sache zu glauben und weiterzuarbeiten. Ausschlaggebend für diese Entwicklung sei ganz besonders der Erfolg von Elon Musk und dessen Tesla-Elektroautos gewesen. „Autohersteller sagten mir, sie hätten Angst davor, dass Musk ihnen den Rang abläuft. Also konzentrierten sich alle auf Batterieantrieb, was die Wasserstoffentwicklung bremste“, erzählt Walter Huber.
Er war bis 2016 Präsident des IIT und bis 2020 Verwaltungsrat. Das Institut bezeichnet er als Erfolgsmodell, das ein Alleinstellungsmerkmal im Bereich Wasserstoff habe: Produktion, Speicherung, Anwendung, Information und Ausbildung, alles aus einer Hand. „Ich kann mit Stolz behaupten, dass weltweit sehr viele von unserem Know-how profitiert haben“, sagt Huber, der unterstreicht, beim IIT nie ein Gehalt bezogen zu haben.
Mit 78 Start-up gegründet
Sein Start-up-Vorhaben mit Hydrocell startete Huber vor drei Jahren. Karl Manfredi, der ehemalige Brennercom-Geschäftsführer, der zur gleichen Zeit wie Huber Ressortdirektor beim Land war, sei nach einem Gespräch interessiert gewesen, ein Wasserstoffunternehmen aufzubauen. Huber holte dann noch den Elektroingenieur und Microtec-Gründer Federico Giudiceandrea, den er seit Langem kannte, ins Boot.
Im wahrsten Sinne des Wortes ins Boot, denn das erste große Projekt von Hydrocell ist die Umrüstung eines 17 Meter langen Ausflugsbootes in Venedig vom Diesel- zum Wasserstoff- und Elektroantrieb. Dabei kommt ein von Hydrocell entwickeltes Steuergerät zum Einsatz.
Walter Huber zeigt auf ein Werbebanner mit einem Rendering des Bootes, auf dem unter anderem eine große Photovoltaikanlage auf dem Dach zu sehen ist (siehe Foto): „In Kürze wird das Boot für den Umbau in eine Werft gebracht. Und im Februar oder März werden wir es zu Wasser lassen.“ Interessenten für die Technologie von Hydrocell, aber auch für Beratungen gebe es inzwischen im gesamten Mittelmeerraum, in arabischen Ländern und in Singapur.

Die Zukunftsvisionen
Ein weiterer Tätigkeitsschwerpunkt, den Huber mit Hydrocell vorantreibt, ist die Wasserstoff-Speichertechnologie. „Um die Energiewende zu schaffen“, so Huber, „braucht es Zwischenspeicher, denn erneuerbare Energie ist nicht 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr verfügbar. Wir in Südtirol etwa haben im Sommer Strom im Überfluss und müssen ihn um billiges Geld verkaufen, während wir im Winter zukaufen müssen, weil zu wenig Wasser in den Flüssen ist. Würden wir den Strom im Sommer speichern, wären wir autonomer.“
Derzeit testet Huber die Speicherung von Wasserstoff in einem Öl, das 200-mal recycelt werden könne. „Damit könnte etwa ein Skigebiet, das im Sommer Strom produziert, diesen aber nur im Winter benötigt, vollkommen autonom sein.“
Generell großes Zukunftspotenzial für Wasserstoff sieht er darüber hinaus im Schwerverkehr auf der Straße, sprich für Lkw. Denn die für Elektro-Lkw nötigen Batterien seien zu schwer.
„Bevor ich 100 werde, höre ich auf“
Walter Huber sagt, er komme noch jeden Tag vormittags in den Noi Techpark. Falls ihm nachmittags Ideen kommen, setze er sich daheim an den Computer. Er wisse aber, dass seine Kraft inzwischen begrenzt sei. „Ich merke, dass alles langsamer geht. Es gibt jedoch jüngere Leute, die kompetent und schnell sind. Ich helfe ihnen, wo ich kann.“
Außerhalb seines Lebens für den Wasserstoff treffe er sich regelmäßig mit pensionierten Kollegen. Und er sei Mitgründer der Weinbruderschaft. Gesellschaft sei ihm wichtig.
Auf die Frage, wie lange er noch arbeiten möchte, antwortet Huber lachend: „Bevor ich 100 werde, höre ich auf.“ Seine Arbeit bereite ihm jedenfalls immer noch große Freude. „Ich mache sie nicht aus finanzieller Notwendigkeit, denn ich beziehe eine gute Rente und meine Wohnung ist abbezahlt.“ Ihm sei es stattdessen immer um Innovationen gegangen – darum, etwas auf die Beine zu stellen. „Und es gibt immer wieder neue internationale Entwicklungen, die mir keine Ruhe lassen“, schmunzelt der 81-Jährige.