Bozen – Vier Seiten umfasste die Südtiroler Wirtschaftszeitung vom 5. Dezember 1945, einem Mittwoch. Im Leitartikel dieser ersten Ausgabe nach Ende des Zweiten Weltkriegs hieß es: „Heute, nach zehn Jahren, sind wir nun auf Grund der endlich wieder hergestellten Pressefreiheit in der Lage, die Herausgabe des so lange entbehrten Blattes als ‚Südtiroler Wirtschaftszeitung‘ wieder aufzunehmen.“
Es waren besondere Wochen: Südtirol lag zwar in Trümmern, aber es herrschte Aufbruchstimmung, auch in der Medienlandschaft. Die Tageszeitung Dolomiten war bereits am 19. Mai erstmals wieder erschienen, nun folgte die Wirtschaftszeitung, die am 27. Oktober 1935 zuletzt gedruckt worden war, bevor Präfekt Giuseppe Mastromattei sie mit dem fadenscheinigen Argument verboten hatte, dass wegen des Äthiopienkrieges Papiereinsparungen notwendig seien. In Wirklichkeit war dies nur ein Vorwand, um die von den Faschisten ungeliebte deutschsprachige Wochenzeitung mundtot machen zu können.
Am 27. Oktober 1935 war die Wochenzeitung zuletzt gedruckt worden. Präfekt Giuseppe Mastromattei hatte sie mit dem fadenscheinigen Argument verboten, dass wegen des Äthiopienkrieges Papiereinsparungen notwendig seien.
Nun also die Wiedergeburt. Großen Anteil daran hatte Luis Santifaller. Von 1921 bis zum Verbot 1935 war er Schriftleiter der Industrie- und Handels-Zeitung gewesen, die 1919 von Wirtschaftstreibenden ins Leben gerufen worden war. Nun sorgte er als Chefredakteur und gleichzeitig Herausgeber maßgeblich für deren Wiederbelebung unter dem neuen (und bis heute gebliebenen) Namen Südtiroler Wirtschaftszeitung. Um die Kontinuität zu unterstreichen, wurde im Zeitungskopf demonstrativ der 17. Jahrgang angeführt und nicht der erste. Die Botschaft: Der Name ist neu, die Zeitung ist die alte. Die Einzelnummer kostete 10 Lire, das Jahresabonnement 530 Lire.
Eine Erschwerung der Lebensmöglichkeiten
Der 75. Jahrestag der Wiederbelebung samt Umbenennung von Industrie- und Handels-Zeitung in Südtiroler Wirtschaftszeitung ist gleichzeitig Anlass, um an die über 100-jährige Geschichte dieser Zeitung zu erinnern. Sie erschien erstmals am 20. Dezember 1919, als die wirtschaftliche Situation kritisch und Südtirols Einverleibung in das Königreich Italien längst nicht verdaut war. Die Gründer wollten einerseits ein Informationsblatt für die Wirtschaftstreibenden schaffen, andererseits ein Sprachrohr für deren Anliegen. In der ersten Ausgabe steht zu lesen, dass „die Einverleibung Deutsch-Südtirols durch Italien, ganz abgesehen von den völkischen Belangen, eine Erschwerung der Lebensmöglichkeiten des heimischen Handels und Gewerbes darstellt“.
Die „Industrie- und Handels-Zeitung“ bewährte sich, auch wenn die faschistische Unterdrückung und Zensur Schwierigkeiten bereitete – bis zum erwähnten Verbot.
Luis Santifaller blieb übrigens bis zum Eintritt in den Ruhestand 1961 Chefredakteur und Herausgeber. Damals wurde als neue Herausgebergesellschaft der „Neuer Südtiroler Wirtschaftsverlag“ gegründet – sie ist es bis heute geblieben.
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