Bozen – Zahlreiche Südtiroler Betriebe suchen nach wie vor dringend nach Arbeitskräften. Umso wichtiger ist es für sie, dass Mitarbeitende nach der Elternzeit ihre Arbeit wieder aufnehmen können. Viele Eltern würden gerne arbeiten, wenn da nur nicht eine große Frage wäre: Wohin mit den Kindern? Oma und Opa sind vielfach selbst berufstätig oder können nur bestimmte Zeiten abdecken. Und einen Platz in einer Kindertagesstätte zu ergattern, ist gar nicht mal so einfach.
Rund 3900 Betreuungsplätze für Kinder im Alter zwischen drei Monaten und drei Jahren gibt es in Südtirol. Im Vergleich: Allein 2021 kamen hierzulande 5.173 Kinder zur Welt.
2022 gab es in Südtirol insgesamt 15 Horte, 108 Kitas und 226 Tagesmütter. Das ergibt rund 3.900 Betreuungsplätze für Kinder im Alter zwischen null Monaten und drei Jahren. Im Vergleich dazu: Allein im Jahr 2021 kamen hierzulande 5.173 Kinder zur Welt. Zwar benötigen nicht alle Kleinkinder einen Betreuungsplatz, trotzdem geht die Rechnung nicht auf.
Die Gemeinden hinken hinterher
„Die wirtschaftlichen Veränderungen der vergangenen Zeit räumen der Kinderbetreuung einen ganz neuen Stellenwert ein“, betont Barbara Fulterer, Geschäftsführerin der Sozialgenossenschaft „Tagesmütter“. „Die Betriebe brauchen die Arbeitskräfte und die Eltern ihre Arbeit. Seit der Krise können es sich viele Mütter nicht mehr leisten, zu Hause bei ihren Kindern zu bleiben. Oft ist leider nicht einmal mehr Teilzeit eine Option, sondern eine Vollzeitstelle ein Muss.“ Fulterer weiß aus dem Arbeitsalltag, dass dringend mehr Plätze für die Kleinkindbetreuung nötig sind.
Zur Sozialgenossenschaft „Tagesmütter“ gehören 56 Tagesmütter und 33 Kindertagesstätten. „Neue Finanzierungsmöglichkeiten haben zwar ermöglicht, dass Gemeinden Kindertagesstätten neu bauen beziehungsweise erweitern, doch das dauert. Schließlich nehmen die Bürokratie und die Errichtung der jeweiligen Infrastrukturen eine Menge Zeit in Anspruch.“
Die Wartelisten sind lang
Die Sozialgenossenschaft „Die Kinderfreunde Südtirol“ führt 17 Kitas verteilt aufs ganze Land. Aktuell stehen für diese Betreuungseinrichtungen 364 Kinder auf der Warteliste. „Die Wartezeit schwankt von Fall zu Fall. Manchmal sind es einige Monate, oft melden Eltern ihre Kinder auch schon kurz nach der Geburt an“, erklärt Christiane Innerkofler, Bereichsleiterin der Kleinkindertagesstätte der Kinderfreunde. „Die Gemeinden können die Nachfragen oft einfach nicht stemmen. Manche haben sich zu lange auf die Kita-Plätze der Nachbargemeinden verlassen.“
Doch nicht nur das Fehlen von Räumlichkeiten ist schuld an der Knappheit der Betreuungsplätze, sondern auch der Personalmangel. Bis vor Kurzem waren die Entlohnung und die vertraglichen Bedingungen im Vergleich zu den Kindergärten einfach wenig attraktiv. Vor allem während der Coronazeit haben Betreuer und Betreuerinnen die Möglichkeit genutzt, in einen Kindergarten zu wechseln, weiß Innerkofler. Seit die Tariflöhne Anfang dieses Jahres angehoben wurden, stellt Innerkofler eine kleine Wende fest: „Die Kleinkindbetreuerinnen sehen die Gehaltserhöhung als eine Wertschätzung und sind zufriedener. Was sie leisten, leisten sie mit großer Leidenschaft.“
Sowohl „Die Kinderfreunde Südtirol“ als auch die Sozialgenossenschaft „Tagesmütter“ bemerken positive Auswirkungen der Lohnerhöhung. Es würden sich wieder mehr Interessierte für die Stellen in den Betreuungseinrichtungen melden. „Darunter befinden sich viele Bewerberinnen und Bewerber, die bereits früher in Kleinkindertagesstätten tätig waren und die entsprechende Ausbildung besitzen. Für Quereinsteiger gilt es, die Ausbildung beziehungsweise je nach Studium Weiterbildungsmodule nachzuholen“, sagt Christiane Innerkofler. Als einen großen Pluspunkt bezeichnet sie die Möglichkeit, die Ausbildung zur Kleinkindbetreuerin jetzt berufsbegleitend zu absolvieren. „Das gibt dem Berufsbild weitere Chancen und macht es attraktiver.“
Betreuer:innen fehlen vor allem in den Dörfern
In der Peripherie mangelt es stärker an Personal als in den Zentren. Für „Die Kinderfreunde Südtirol“ ist es nach wie vor einfacher, Kleinkindbetreuerinnen für die Einrichtungen in den Städten als für jene in den kleinen Dörfern zu finden: „Die Kita-Plätze in den Zentren sind bei den Betreuerinnen und Betreuern beliebter. Auch suchen die Eltern bevorzugt Betreuungsplätze in den Städten, weil diese meist näher an den Arbeitsplätzen liegen. Die Autofahrt bleibt ihnen erspart beziehungsweise kann als Arbeitszeit genutzt werden. Doch da besonders die zentral gelegenen Kitas sehr beliebt und die Wartelisten dementsprechend lang sind, müssen die Eltern auf die Dörfer ausweichen“, erklärt Innerkofler.
Betriebskitas: Der Trend verstärkt sich
Wenn es um Zeitersparnis geht, liegen Betriebskitas ganz vorne. Allerdings nehmen sie in Südtirol den kleinsten Teil der verschiedenen Betreuungsformen von Kleinkindern ein: Die meisten Betreuungsplätze bieten mit rund 42 Prozent die Gemeindekindertagesstätten. Knapp 29 Prozent stellen die Tagesmütter- und Tagesväterdienste, rund 17 Prozent die Kinderhorte der Städte Bozen, Meran, Brixen sowie Leifers und schließlich zwölf Prozent die betrieblichen Kindertagesstätten.
„Die Nachfrage nach Betriebskitas steigt stetig“, weiß Fulterer. Die Sozialgenossenschaft „Tagesmütter“ betreibt selbst fünf betriebliche Kindertagesstätten. „Im Wettstreit um die Fachkräfte machen sich Unternehmen mit betriebsinternen Kitas sehr beliebt. Die Betriebskitas ersparen den arbeitenden Eltern viel Zeit, die sie wiederum für die Arbeit gut nutzen können“, erklärt Fulterer. Zum einen entfalle der Stressfaktor, die Kinder täglich in eine Kita zu bringen, die nicht auf dem Arbeitsweg liegt. Zum anderen seien die Kita-Öffnungszeiten an jene des Betriebes angepasst. Meist sind es laut Fulterer größere Betriebe, die über eine eigene Kita verfügen. Doch es schließen sich auch immer öfter kleinere Betriebe zusammen und gründen gemeinsam eine betriebliche Kita.
2010 boten betriebliche Kitas in Südtirol in Summe 122 Betreuungsplätze, mittlerweile sind es 472 Plätze. „Diese Zahlen mögen auf den ersten Blick gering erscheinen, doch sprechen wir fast von einer Vervierfachung – mit einem erkennbaren Trend nach oben. Das zeigt, dass sich die Arbeitgeber ihrer sozialen Verantwortung bewusst sind und die Mitarbeitenden aktiv in der Betreuung unterstützen“, erklärt Carmen Plaseller, Direktorin der Familienagentur des Landes. Es gebe eine eigene Förderschiene, die von den Betrieben mehr und mehr genutzt werde.
54 Millionen Euro für neue Kita-Plätze
„Zwischen 2010 und 2022 wurden in Südtirol über 1.000 neue Kleinkinderbetreuungsplätze geschaffen“, erläutert Familienagentur-Direktorin Plaseller. „Man baut eine Kita nicht von heute auf morgen, zumal es für die Bautätigkeit bis vor Kurzem keine öffentlichen Förderungen gab. Grundsätzlich ist zu sagen, dass die Südtiroler Gemeinden sehr darum bemüht sind, Familien entweder direkt in ihrem Gemeindegebiet oder in der näheren Umgebung einen Betreuungsplatz anbieten zu können.“
„34 Gemeinden haben über den Recovery-Fonds eine Finanzierungszusage für einen Kita-Bau erhalten. Die Summe beläuft sich auf 54 Millionen Euro.“
Dank Geldern aus dem EU-Wiederaufbaufonds winkt jetzt eine Beschleunigung des Angebotsausbaus. „34 Südtiroler Gemeinden haben über den sogenannten Recovery-Fonds eine Finanzierungszusage für einen Kita-Bau erhalten. Die Summe beläuft sich auf 54 Millionen Euro. Damit ist ein konsistenter Ausbau der Betreuungsplätze in den Gemeindekitas sichergestellt“, erklärt Plaseller. Zudem betont die Familienagentur-Direktorin, dass die Gehälter des in der Betreuung der Kleinkinder eingesetzten Personals zuletzt mit 1. Januar angepasst worden seien, um das Berufsbild finanziell attraktiver zu machen. „Die dadurch entstandenen Mehrkosten wurden und werden durchwegs von der öffentlichen Hand und im betrieblichen Bereich von den Arbeitgebern mitgetragen – selbstverständlich ohne Abstriche in der Betreuungsqualität machen zu müssen“, so Plaseller.
Kurzum, Land und Gemeinden bemühen sich. Es bleibt allerdings die Frage offen, wie viele Jahre noch vergehen, bis das Defizit an Kleinkindbetreuungsplätzen beseitigt ist. Vielen Eltern geht der Ausbau jedenfalls zu langsam.
Sabine Kerschbaumer