Bozen – 200 Milliarden Euro sollen die unerklärten Vermögen von Italienern im Ausland betragen. Im Februar, noch bevor das Abkommen zwischen Italien und der Schweiz (23. Februar), dem Fürstentum Liechtenstein (am 26. Februar) und dem Fürstentum Monaco (am 2. März) rechtskräftig wurde, standen an zahlreichen Banken in diesen ehemaligen Steuerparadiesen, die Italien auf der sogenannten Black List führte, ungewohnt viele Menschen an. Die meisten davon waren Italiener – darunter auch Südtiroler. Ein SWZ-Leser, der nicht genannt werden will, berichtet, dass es sich in der Schweiz vielfach um Kontoinhaber handelte, die ihre Konten leerräumen wollten, bevor das Bankengeheimnis fällt.
Es sind dies vielleicht Unternehmer oder Freiberufler, die irgendwann eine Gelegenheit beim Schopf gepackt hatten, mehr oder minder große Schwarzgeldbeträge auf die hohe Schweizer Kante zu legen. Oftmals sind es aber nicht Steuerhinterzieher im herkömmlichen Sinne, sondern sie haben ursprünglich regulär versteuertes Geld auf dem Konto liegen, aber es versäumt, dieses Vermögen in Italien zu melden. Als Bürger einer Grenzregion haben sie vielleicht eine Weile im Ausland gearbeitet und dort Geld gespart oder einmal von einer dort lebenden Tante Bares oder eine Wohnung geerbt, dieses Vermögen aber weder nach Italien eingeführt noch im Formblatt RW der Steuererklärung angegeben, nach dem Prinzip „man weiß ja nie, was einmal kommt“. Manche dieser Menschen möchten eine Selbstanzeige, wie sie derzeit in Italien möglich ist, vermeiden, obwohl die Steuerberater dringend dazu raten, wobei Nachzahlungen und Strafen zuweilen erträglich scheinen, zuweilen auch einen großen Teil des Vermögens wegfressen. Noch dazu haben die Betroffenen ja in den vergangenen paar Jahren im Ausland eine Kapitalertragssteuer von bis zu 35 Prozent gezahlt, die so genannte Euro-Ritenuta, die vom jeweiligen Staat dem italienischen Steueramt überwiesen wurde, ohne aber den Vermögensinhaber preiszugeben. „Diese Steuer könnte man vermutlich sogar in Abzug bringen; die diesbezüglichen Zusagen fehlen allerdings noch“, sagt Manfred König von der Steuerberaterkanzlei König, Skocir, Kiem und Siebenförcher in Meran. Wer keine Selbstanzeige macht, riskiert eine Aufdeckung durch die Kontrollbehörden und einen Strafprozess.
Was wenige auf dem Weg zu ihren Auslandsbanken wissen, ist, dass diese keine großen Bargeldbehebungen mehr erlauben: In manchen Schweizer Banken sind es maximal 10.000 Euro pro Monat, in anderen 50.000 Euro pro Jahr. In Montecarlo beträgt das Limit meist 20.000 Euro pro Trimester. Außerdem braucht es in den meisten Fällen einen persönlichen Termin mit einem Bankberater, und den kann man nicht einfach per Telefon oder E-Mail vereinbaren. Auch Transferzahlungen in Drittländer, die noch auf der Black List stehen, sind nicht erlaubt. „Die Schweiz, die vorher nichts von ihren Kunden preisgeben wollte, hat eine 180-Grad-Wende vollzogen“, so König. Das ist vor allem eine Folge des Drucks der USA, welche die Eidgenossen in Sachen Bankgeheimnis in Verbindung mit Schwarzgeld und der Finanzierung des internationalen Terrorismus in die Knie gezwungen haben. „Wer nun eine Überweisung auch innerhalb der Schweiz tätigen will, muss sogar genau angeben, wofür“, so König.
Wer hingegen vor dem 23. Februar den Restbetrag von seinem Schweizer Konto beheben und dieses schließen konnte, dürfte gut davonkommen. Denn auf keinen Fall wird die Schweiz, aber auch nicht Liechtenstein und Monaco, Informationen über Konten preisgeben, die vor dem Termin des Abkommens aktuell waren. Wer diesen versäumt hat oder einfach zu viel Vermögen im Ausland besitzt, um es bar zu beheben, sollte mit dem eigenen Wirtschaftsberater die Selbstanzeige als Option ernsthaft ins Auge fassen.
Wenngleich man wissen sollte: Die Länder auf der White List, zu denen Österreich oder Deutschland seit jeher und aufgrund des Abkommens nun auch die Schweiz, Liechtenstein und Monaco zählen, werden laut aktueller Rechtslage bis 2017 dem italienischen Fiskus nur Auskunft geben, wenn dieser eine gezielte Anfrage über eine Person stellt. Das ließe folgende Vermutung zu: Wenn ein italienischer Steuerpflichtiger zwischen heute und Ende 2016 sein Vermögen in Österreich, Deutschland oder vergleichbaren Staaten nach und nach behebt und dann das Konto schließt, bliebe er von einer automatischen Meldung nach Italien verschont, es sei denn, er kommt in das Visier der Steuerfahnder und diese stellen eine gezielte Anfrage.
Hinzu kommt das Risiko der Gruppenanfrage („richiesta di gruppo“). Liechtenstein und Monaco erlauben seit dem Abkommen dem italienischen Fiskus, Anfragen über das ausländische Vermögen all jener italienischen Staatsbürger zu stellen, deren Konten seit Vertragsunterzeichnung inaktiv sind oder die ein Konto leergeräumt oder geschlossen haben. Ausgenommen sind jene Italiener, die in ihrer ausländischen Bank Angaben zur erfolgten Selbstanzeige hinterlegt haben. Diese Gruppenanfragen sind für die Schweiz vorerst etwas stärker eingeschränkt, denn in diesem Fall muss Italien beweisen, dass die Anfrage von „offensichtlicher Relevanz“ ist („verosimilmente rilevanti“), wie die italienische Tageszeitung „IlSole-24Ore“ berichtet hat. Man fragt sich aber, wie lange diese Einschränkung aufrecht bleibt und wie die Relevanz ausgelegt ist. Sicher ist: Der vollständige Datenaustausch wird ab 2017 erfolgen.
Österreich hat sich zusammen mit Luxemburg innerhalb der EU lange gesträubt, sein Bankgeheimnis aufzugeben, musste aber zuletzt klein beigeben. „Es ist nicht lange her, dass es in Österreich noch Inhaberkonten gab“, sagt König, der nach mehreren Versuchen der erste Ansprechpartner war, der Auskunft gegeben hat. Steuerberater sprechen nicht gerne öffentlich über das Thema, und die Banken müssen sich schon aus rechtlichen Gründen in Schweigen hüllen. Weder die Schweizer Bankenvereinigung noch die Schweizer UBS, die Raiffeisenkasse Sillian und die Hypo Tirol Bank in Innsbruck wollten sich gegenüber der SWZ dazu äußern, wie viel ein Südtiroler derzeit jeden Monat oder jedes Jahr von seinem Auslandskonto in bar beheben kann. Vermutlich gibt es in Österreich keine Grenzen. Aber eine Behebung von illegal im Ausland gehaltenem Geld löst das Problem nicht wirklich, denn sie gibt keine Antwort auf die Frage, wie es weitergehen soll: Was tun mit dem Geld, ohne Aufmerksamkeit zu erregen?
Auch ausländischer Immobilienbesitz sei keine Option, um ungemeldetes Geld unerkannt zu parken, so König. „Wer mit seinem unerklärten Auslandsvermögen Wohnungen gekauft hat und diese vermietet, ist beim ausländischen Steueramt gemeldet, und dieses kooperiert mittlerweile mit seinen ausländischen Kollegen.“ Außerdem wird ab 2017 auch das Bankkonto nach Italien gemeldet, auf das Einkünfte aus Immobilien eingehen.
„Dem italienischen Staat ist es gelungen, die Strafen so auszurichten, dass die Selbstanzeige heute in den meisten Fällen die einzig gute Option ist. Natürlich muss man aber zuerst den jeweiligen Fall und die Größenordnung des Vermögens prüfen und alles in die Waagschale legen, da die Selbstanzeige nur bei völliger Offenlegung strafbefreiende Wirkung hat“, sagt König (in der SWZ hat Walter Großmann in den letzten Wochen ausführlich über alle Aspekte der Selbstanzeige informiert). Eine strafrechtliche Dimension erhält ein ausländisches Vermögen vor allem dann, wenn die hinterzogene Steuer mehr als 50.000 Euro im Jahr ausmacht. Sicher ist: Wer keine Selbstanzeige macht und später ertappt wird, muss mit Folgen rechnen, die weit schlimmer sind als jene, die eine „voluntray disclosure“ nach sich zieht. Wer nur wenig Geld im Ausland liegen hat, kann es nach und nach beheben und privat ausgeben. Wer aber dort illegal kleinere oder größere Vermögen hält, für den bleibt wohl nur die Selbstanzeige, denn „Schwarzgeld geht immer mehr ins Auge“, wie König es formuliert. Er meint es vermutlich nicht nur im übertragenen Sinne.















