Bozen/Brüssel – Das EU-Parlament hat beschlossen, dass künftig nur noch Produkte aus echtem Fleisch Bezeichnungen wie Wurst, Schnitzel oder Burger tragen dürfen. Demnach werden Begriffe wie Veggie-Burger oder Tofu-Wurst verboten. Damit wolle man Verbraucher:innen vor Täuschung schützen, lautet die Begründung.
„Liegt hier wirklich eine Täuschung vor?“, stellt die Verbraucherzentrale Südtirol (VZS) infrage und meint: „Das Thema offenbart, dass es in der europäischen Politik an den Prioritäten hapert. Während dringende Fragen liegen bleiben – etwa das Problem des Plastikmülls, die Einführung klarer und ehrlicher Gütesiegel, die Stärkung regionaler Wertschöpfung oder die realen Missstände in der Tierhaltung –, beschäftigt man sich mit Wortspielen. Denn hinter der Fleischproduktion stehen nach wie vor große Herausforderungen: Konventionell gehaltene Schweine leben auf lediglich 0,75 Quadratmetern pro Tier in Ställen, und Transportbedingungen sind oft problematisch. Die EU debattiert über die Wurst, während diese echten Probleme weiter garen.“
„Im Sprachgebrauch längst angekommen“
Auch bei Gütesiegeln zeige sich, „wie heuchlerisch das Argument der Verbrauchertäuschung oft ist“, so die VZS: „Das Label der geschützten geografischen Angabe (g.g.A.) etwa soll Regionalität garantieren – und doch stammen die Rohstoffe vieler dieser Produkte aus Drittländern. Wenn etwa eine ‚Südtiroler Spezialität g.g.A.‘ mit Rohstoffen aus den Niederlanden hergestellt wird, kann dies in der Tat für Verwirrung sorgen. Hier wäre Regulierung notwendig, nicht bei Begriffen, die längst im allgemeinen Sprachgebrauch angekommen sind.“
Die VZS betont: Niemand glaube ernsthaft, dass ein Veggie-Burger aus Rindfleisch besteht, denn normalerweise würden eindeutige Bezeichnungen wie Veggie, pflanzlich oder plant-based bereits gut sichtbar auf die pflanzliche Herkunft der Zutaten hinweisen.
„Hinter dieser Entscheidung steckt eine mächtige Lobby: die Fleischindustrie. Sie sieht sich zunehmend unter Druck, weil immer mehr Menschen bewusster essen und Alternativen ausprobieren. Statt mit Qualität und Innovation zu überzeugen, greift man zu Sprachverboten – die Jagd auf die Linse ist eröffnet“, meint die VZS.
„Den Blick für das Wesentliche verloren“
Reinhard Bauer, Rechtsberater der VZS, kommentiert: „Wer über Wurstbegriffe debattiert, hat den Blick für das Wesentliche offenkundig verloren. Statt neue Verbote zu erfinden, sollten Verbraucher:innen dort geschützt werden, wo sie tatsächlich getäuscht werden – etwa durch Greenwashing.“
Die Frage, ob man einen Veggie-Burger auch so nennen darf, sei nebensächlich. Entscheidend sei, ob es der EU gelingt, eine verlässliche Instanz für Transparenz zu werden und eine vertrauenswürdige Grundlage für die Verbraucher:innen zu schaffen. „Durch klare Herkunftskennzeichnung, nachvollziehbare Standards und den Mut, sich den echten Herausforderungen zu stellen. Wer die Zukunft gestaltet, sollte nicht darüber streiten, wie man eine Wurst nennt, sondern ob wir sie als Verbraucher:innen guten Gewissens genießen können“, so Bauer.
Für die Umsetzung der Bestimmung ist noch die Zustimmung der 27 EU-Staaten erforderlich.















