Mein Unternehmerfreund ist wirklich ein exzellenter Skifahrer und auch körperlich noch gut in Form. Den Grundstein dafür hat er in seiner Jugend gelegt: Er war eine der größten Abfahrtshoffnungen in der Region, bis ein schwerer Sturz seine junge Sportlerkarriere abrupt beendete. Nach der Matura hatte er sich dann als Skilehrer in den Dolomitentälern einen Namen gemacht und so nebenbei sein Studium finanziert. Sein Spitzname war damals „Bugs Bunny“, ein wilder Kerl auf und abseits der Piste. Eine der Geschichten, die er im Freundeskreis am liebsten zum Besten gibt, ist jene von der französischen Studentin, der er gegen Saisonende das Buckelpistenfahren beibringen sollte. Im sulzigen Schnee und auf halbem Weg mitten im Hang nahm er die verzweifelte Skifahrerin irgendwann zur Sicherheit auf seinen Rücken. Blöderweise erinnerten sich die beiden erst später am Nachmittag, dass Ski und Stöcke auf der Piste zurückgeblieben waren. Er kann darüber bis heute herzhaft lachen, sogar in Zeiten wie diesen, in denen ihm die schwierige Marktlage für sein Unternehmen tagtäglich einiges abverlangt.
Der Tourismus als Hauptleidtragender der Pandemie
Bereits vor einigen Wochen hatte er mich angerufen, und wir hatten uns in Vorfreude auf einen gemeinsamen vorweihnachtlichen Skitag verabredet. Vergangene Woche dann sein erneuter Anruf mit bedrückter Stimme: „Du, das wird nix! Rom verbietet die Öffnung der Skigebiete über Weihnachten und den Jahreswechsel, und die Politiker in anderen Teilen Europas tun es den Italienern gleich. Selbst die Österreicher, bei denen der Skitourismus vier Prozent des Bruttosozialprodukts bzw. acht Prozent der Arbeitsplätze im Winter ausmacht, öffnen die Pisten ausschließlich für Einheimische. Nur die Eidgenossen halten dagegen und werben derzeit großspurig mit ‚Die Schweiz fährt Ski!‘. Das wird wohl eine richtig vermurkste Saison!“
Ich erwiderte kleinlaut: „Echt schwierig! Einerseits ist ein Ausfall des Weihnachtsgeschäfts natürlich ein sehr harter Schlag für alle Tourismustreibenden, andererseits schaut es im Alpenraum derzeit leider nicht allzu rosig aus mit dem Infektionsgeschehen. Die Politik will die Mobilität der Menschen absolut verhindern. Blöderweise schwingt Ischgl immer noch nach. Man müsste halt differenziert öffnen können, mit Skihütten, die beispielsweise Speisen nur im Außenbereich servieren, und mit fixen Zeitfenstern zum Skifahren, um Menschenansammlungen zu vermeiden. Es stellt sich natürlich die Frage, ob eine Gondelfahrt wirklich viel riskanter ist als eine Fahrt in einem Pendlerzug irgendwo in Europa. Aber für solche Diskussionen und Lösungen ist im aktuellen Zentralismus anscheinend kein Platz.“
Bei TUI, einem der größten Touristikkonzerne weltweit, hat sich der Wert der Aktie seit Jahresanfang halbiert.
Wir waren uns einig, dass die Tourismusindustrie und deren Anhängsel zu den Hauptleidtragenden dieser Pandemie gehören, wir sahen aber beide auch Licht am Ende des Tunnels. Denn unser Ländchen hat das Potenzial, im Nach-Corona-Zeitalter mit seinem Genusstourismus und der guten Erreichbarkeit zu den absoluten Gewinnern zu gehören.
Tourismusaktien mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen
Irgendwann im Gespräch meinte dann mein Unternehmerfreund: „Wie geht es eigentlich den Reiseaktien?“ Zufällig hatte ich mir erst wenige Tage zuvor eine Liste an Branchenunternehmen zusammengestellt, und es dauerte nur einen Moment, bis sie aktualisiert war. Nun hatte ich die Zusammenfassung vor mir am Bildschirm und konnte die gewünschten Informationen geben:
- Bei TUI, einem der größten Touristikkonzerne weltweit, ist die Lage momentan sehr schwierig, weitere Staatshilfen sind nicht auszuschließen. Seit Anfang des Jahres hat sich der Wert der Aktie halbiert. TUI befindet sich allerdings schon länger in Schwierigkeiten, und die Schuldenlast ist groß. Seit den Glanzzeiten Anfang 2018 hat die Aktie über 70 Prozent an Wert verloren.
- Ein ähnliches Bild bietet sich beim Kreuzfahrtunternehmen Carnival. Bei einem Kursverlust im heurigen Jahr von 50 Prozent bemüht man sich aktuell um stabilisierende Maßnahmen in Form von Umschuldungen und Kapitalerhöhungen.
- Trotz der nicht einfachen Flugsituation gehört Ryanair zu den Branchengewinnern. Das Unternehmen ist solide finanziert und wird als Billigfluglinie sehr effizient geführt. Hier scheint die Börse eine Erholung bereits vorwegzunehmen, denn die Aktie ist im Jahresverlauf nun sogar leicht im Plus. Die Lufthansa hingegen schwächelt, und die Aktie liegt in diesem Jahr bei minus 40 Prozent. Natürlich hat Lufthansa eine ganz andere Kostenstruktur als Ryanair und ein weitaus komplexeres, weltweites Flugnetz.
- Auch eine der größten und bestgeführten Hotelgruppen weltweit, die Intercontinental Hotels Group (u.a. Intercontinental, Regent, Crowne Plaza, Holiday Inn, Six Senses) schlägt sich tapfer, befindet sich heuer leicht im Plus und ist nur mehr 20 Prozent vom Allzeithoch entfernt.
- Die Internet-Buchungsplattformen Booking.com und Expedia haben sich seit den Tiefs im März, am Höhepunkt der Unsicherheit, im Aktienkurs verdoppelt und liegen im Vergleich zum Jahresanfang nun wieder leicht vorne. Auch hier also ein positives Bild.
Zu den Gewinnern gehört das Unternehmen Vail Resorts, welches 34 Skigebiete in Nordamerika betreibt und dessen Aktie heuer um 16 Prozent im Plus liegt. Vail Resorts profitiert von der Stadtflucht der Amerikaner.
Mein Freund war über die sehr unterschiedlichen Ergebnisse bei den Reiseaktien etwas verwundert und ging nun nochmals auf die anstehende Wintersaison ein: „Gibt es eigentlich auch börsenquotierte Unternehmen, welche Skigebiete betreiben, also die jetzt auch von der Öffnungsthematik betroffen sind?“ Darauf ich: „Ja klar, sogar einige.“
- Der größte europäische Skigebietsbetreiber mit Aufstiegsanlagen, Hotels etc. ist sicherlich die nordische Skistar. Gegenüber Jahresanfang steht die Aktie noch bei minus 20 Prozent.
- Der wichtigste Betreiber im Alpenraum ist die französische Compagnie des Alpes. Aktuell liegt sie bei minus 35 Prozent seit Jahresanfang.
- Aber auch in der Schweiz gibt es diverse Gebiete, welche börsennotiert sind, so die Jungfraubahn AG (minus 18 Prozent fürs Jahr) und die Bergbahnen Titlis (minus 30 Prozent seit Jahresanfang). Beide Unternehmen erwirtschaften vor allem im Sommer erhebliche Umsätze mit internationalen Gästen und stemmen gerade riesige Investitionsprogramme, um den Berg noch stärker zu einem Erlebnis zu machen. Es geht dabei um Hunderte Millionen Franken, und das inmitten der Coronakrise.
- Ein Gewinner ist das Unternehmen Vail Resorts, welches 34 Skigebiete in Nordamerika betreibt und dessen Aktie heuer sogar um 16 Prozent im Plus liegt. Vail Resorts profitiert aktuell von der Stadtflucht der Amerikaner. So konnte der Vorverkauf der Saisonskipässe heuer um sagenhafte 24 Prozent gesteigert werden. Trotzdem bleibt man in den Prognosen vorsichtig, denn Tagesskigäste und internationale Touristen werden wohl stark zurückgehen.
„Interessanter Überblick“, bedankte sich mein Unternehmerfreund und ergänzte: „Auch wenn es momentan trüb ausschaut, scheinen die Bergdestinationen doch nichts an Attraktivität eingebüßt zu haben. Jetzt heißt es durchhalten!“ Wir verabschiedeten uns noch und vereinbarten, gleich bei der ersten Möglichkeit nach Saisoneröffnung gemeinsam die Ski anzuschnallen.
Investissimus
INFO Alle bisher erschienenen Kolumnen von Investissimus, die von den Erlebnissen mit seinem Unternehmerfreund erzählen, können auf SWZonline (www.swz.it) und über die SWZapp nachgelesen werden.