Bozen – Pfote trifft Profit, der Heimtiermarkt zeigt auf Wachstum. Ob Hund, Katze oder Kanarienvogel – Haustiere gehören heute zur Familie wie Mama, Papa und Kinder. Der Trend zum Tier ist längst nicht mehr nur ein Gefühl, sondern ein messbarer gesellschaftlicher Wandel. In Italien und Südtirol steigen sowohl die Tierzahlen als auch die Ausgaben für deren Pflege und Ernährung. Der Heimtiermarkt erlebt einen Boom, emotional wie wirtschaftlich.
Italien führt Europa mit durchschnittlich 0,57 Haustieren pro Kopf an. Besonders Hund und Katze sind beliebt: 2024 lebten rund 14,3 Millionen Hunde und über zehn Millionen registrierte Katzen im Land. Der Zuwachs ist rasant – vor rund zehn Jahren waren es 8,4 Millionen Hunde und 7,5 Millionen Katzen gewesen. In der Provinz Bozen sind aktuell laut dem Tierärztlichen Dienst rund 40.500 Hunde registriert, im Jahr 2015 waren es noch rund 32.000. Allein 2024 wurden 2.300 Hunde registriert. Zudem sind rund 8.500 Samtpfoten mit Besitzer:in gemeldet. Knapp 8.500 wildlebende Katzen sind im Besitz der Gemeinden.

In Deutschland besitzt fast jeder zweite Haushalt ein Heimtier – insgesamt über 34 Millionen Tiere leben hier in Familien. Besonders beliebt sind Katzen (15,7 Millionen) und Hunde (10,5 Millionen). Trotz angespannter wirtschaftlicher Lage und knapper Haushaltskassen wird bei Haustieren nicht gespart: Der Gesamtumsatz der deutschen Heimtierbranche lag 2024 bei rund 7,1 Milliarden Euro. Die Italiener:innen sind da etwas sparsamer. Sie rangieren europaweit mit rund 4,7 Milliarden auf Platz vier. Insgesamt wuchs der Heimtiermarkt in Westeuropa 2023 um 4,1 Prozent. Weltweit konnte der Markt sogar um sechs Prozent zulegen und erreichte laut Euromonitor International ein Marktvolumen von rund 182 Milliarden Euro.
Ein Pülverchen hier, ein Ölchen da
Auch in Südtirol wächst der Heimtiermarkt merklich: Laut Robert Hillebrand von Aspiag zeige das Tiernahrungs- und -zubehör-Segment in Despar-Filialen interessante und stetige Zuwächse. „Der Stellenwert der Haustiere hat sich einfach verändert“, so der Regionaldirektor.
Und wo es immer mehr Haustiere gibt, sprießen auch dazugehörige Geschäftsmodelle aus dem Boden. Hundetrainer, Hundefriseure, tierische Ernährungsberater:innen, Tierphysiotherapeuten und -therapeutinnen. Matratzen- und Bettenhersteller haben immer öfter ein Zusatzprodukt im Sortiment: Hundebetten, natürlich orthopädisch.
Das Geschäft mit gesunder, natürlicher Hundenahrung boomt ebenfalls. Nahrungsergänzungsmittel, Öle, Pülverchen – alles, was fürs Herrchen gesund ist, tut auch dem Vierbeiner gut. Diese Entwicklung schafft eine starke Nachfrage in entsprechenden Dienstleistungs- und Produktbereichen. Michaela Olbert führt seit sieben Jahren den Tierfutterhändler Barf Südtirol: „Wir sehen ganz klar den Trend dahingehend, dass Hunde-, genauso wie Katzenbesitzer immer mehr auf die gesunde und am liebsten regionale Ernährung ihres Vierbeiners achten. Am liebsten hätten sie bio, aber dafür ist die Zahlungsbereitschaft meistens doch nicht hoch genug.“
Ein Geschäftszweig von Barf Südtirol ist Barf-Fleisch (rohes Fleisch, das vom ganzen Tier kommt und in einem gewissen Mischverhältnis – Muskelfleisch, Innereien, Pansen –gefüttert wird). Die Tiere kommen aus Nord- und Südtirol, nur das Pferdefleisch (antiallergen) wird aus Frankreich importiert. Zudem hat Olbert noch eine eigene Tiernahrungslinie herausgebracht und führt ein 250 Quadratmeter großes Ladengeschäft mit Tierzubehör in Brixen.

Ergänzend bietet die gelernte Ernährungswissenschaftlerin Ernährungsberatung für Hund und Katz an. Kostenpunkt zwischen 50 und 80 Euro. „Die Menschen sind bereit, für gesunde Zusatzprodukte wie Öle oder Algenpulver bis zu 30 Euro auszugeben. Aber nur, wenn man ihnen auch erklärt, wieso dieses Produkt teurer ist als ein ähnliches aus dem Supermarkt. Reine und gute Inhaltsstoffe sind eben teurer“, so Olbert.
Insgesamt ist laut dem Zukunftsinstitut in Frankfurt ein klarer Trend zur Vermenschlichung („Humanisierung“) von Haustieren zu beobachten. Dabei übertragen Tierhalter zunehmend ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche auf ihre tierischen Begleiter. Laut dem Zukunftsinstitut beschränkt sich die Fürsorge für Haustiere längst nicht mehr nur aufs Füttern – sie werden umfassend umsorgt: gepflegt, gestylt, gekleidet und schließlich auch würdevoll bestattet.
Auch bei alltäglichen Produkten wie Katzenstreu oder Spielzeug wird auf natürliche Materialien geachtet. Biologische und hochwertige Markenprodukte wie Leinen aus weichem Hirschleder, Decken to go von „Save the duck“ oder das Regenmäntelchen von „Burberry“ gewinnen an Beliebtheit.
Darüber hinaus finden innovative Konzepte wie die Anwendung von Cannabidiol (CBD) zur Behandlung von Angst und Stress auch im Heimtierbereich Anklang. Sogar spezielle Dating-Plattformen für Haustiere und ihre Halter:innen existieren bereits. Im sogenannten Feelgood-Segment sieht das Zukunftsinstitut weiterhin großes Potenzial – Wellnessangebote für Tiere dürften künftig weiter ausgebaut werden.
Smarte Technik für Haustiere
Die Digitalisierung macht ebenfalls vor der Welt der Heimtiere nicht halt. Von der ferngesteuerten Spielmaus über automatische Futterspender bis hin zum per Smartphone steuerbaren Wlan-Futternapf – das Angebot an smarter Technik für Haustiere wächst rasant. Aktivitätstracker erfassen die Bewegungsdaten des Tiers und übermitteln sie an das Smartphone der Besitzerinnen, die daraufhin individuell über das weitere Bewegungsprogramm entscheiden können.

Auch beim Zugang zum Zuhause hält Technik Einzug: RFID-gesteuerte Haustierklappen öffnen sich automatisch für gechipte Tiere oder lassen sich bequem per App steuern. Für Unterhaltung sorgt ein interaktiver Spielball mit integrierter Kamera und Lautsprecher, über den Tierhalter:innen sogar aus dem Büro mit ihrem Haustier kommunizieren können. Zur Ortung geliebter Vierbeiner bieten GPS-Tracker zuverlässige Lösungen. Besonders innovativ: Eine Augmented-Reality-App zeigt in Echtzeit die Bewegungen des Tieres im Gelände an.
Nestlé: Milliardenumsätze mit Tiernahrung
Ein Blick auf die globalen Player zeigt: Der führende Schweizer Lebensmittelkonzern Nestlé hat sich zur treibenden Kraft im Heimtiersegment entwickelt. Obwohl der Konzern für Produkte wie Nespresso, Nestea oder Babynahrung bekannt ist, erzielt er inzwischen den zweitgrößten Umsatz mit Tiernahrung. 2023 belief sich der Umsatz in diesem Bereich auf 20,1 Milliarden Euro – das entspricht rund 20 Prozent des Gesamtumsatzes. Nestlé investiert massiv in diesen Bereich – mit 9,2 Milliarden Euro sogar mehr als in den Getränkesektor. Mit der 2001 übernommenen Marke Purina belegt Nestlé heute Platz zwei auf dem Weltmarkt, direkt hinter dem US-Konzern Mars (u. a. Whiskas, Pedigree, Sheba).
Tierliebe in Zahlen
In Italien geben laut einer 2024 durchgeführten Umfrage von Statista 28 Prozent der Haustierbesitzer:innen monatlich zwischen 31 und 50 Euro für Futter und Pflege aus, 32,3 Prozent sogar bis zu 100 Euro. Aber nicht nur Gadgets liegen im Trend, sondern auch Zeit ist ein weiterer Beweis für Zuneigung: Über die Hälfte der italienischen Haustierbesitzer:innen verbringt täglich ein bis drei Stunden mit ihren Tieren. Tierarztbesuche sind Routine – 33 Prozent der Hundebesitzer:innen gehen ein- bis zweimal jährlich zum Tierarzt, bei Katzenbesitzern sind es sogar 43 Prozent. Auch Krankenversicherungen für Haustiere sind im Kommen.
Mehr als ein Trend
Der Heimtierboom ist weit mehr als ein wirtschaftliches Phänomen – er spiegelt ein verändertes Verhältnis zwischen Menschen und Tier wider. In Italien, Südtirol und Deutschland investieren Menschen nicht nur Geld, sondern auch Zeit, Emotionen und Fürsorge in ihre tierischen Begleiter. Ein Wirtschaftsfaktor, der gerade wegen seiner Emotionalität nicht außer Acht zu lassen ist.
Dieser Artikel ist in der gedruckten SWZ mit folgendem Titel erschienen: Tierisch lukrativ