Bozen – Die Mutter deutschsprachig, der Vater italienischsprachig: Francesca Bortolotti ist zweisprachig aufgewachsen. Der Vater war der Bauunternehmer Graziano Bortolotti, der bei einem Helikopterunfall tödlich verunglückt ist. Und Opa Orfeo Cesaro war Südtirols allererster Masseverwalter. Gewissermaßen wandelte Francesca Bortolotti also auf Großvaters Spuren, als sie schon mit jungen 27 Jahren Richterin und später Konkursrichterin wurde. Seit Herbst 2022 ist sie nun Gerichtspräsidentin – und nebenbei weiterhin Konkursrichterin.
Die schwer nachvollziehbare Sprache der Richter:innen
Für die neue Folge von „Die SWZ trifft“ haben wir Francesca Bortolotti im imposanten Bozner Gerichtspalast besucht und eine Frau erlebt, die die Dinge nicht schönredet, sondern offen anspricht. Zum Beispiel sagt Bortolotti: Ein Problem der Richter:innen – und der gesamten Justiz – sei die „besondere, schwer nachvollziehbare Sprache“, die oft beinahe archaisch klinge; sie bemühe sich darum, dass die Richter:innen eine bürgernähere Sprache verwenden. Und ja, sie verstehe, dass sich Betroffene eine schnellere Rechtsprechung wünschen würden, anstatt oft jahrelange, belastende Prozesse aushalten zu müssen. Bortolotti nennt mehrere Gründe dafür, dass die Mühlen der Justiz nicht schneller mahlen, darunter die mangelnden Ressourcen: In Italien kommen auf 100.000 Einwohner:innen elf Richter:innen, in Deutschland seien es mehr als doppelt so viele. Zugleich zähle Italien rund 230.000 Anwälte und Anwältinnen, das größere Deutschland rund 170.000.
Bei der Frage, warum die Gerichtsferien dann den gesamten August dauern, schmunzelt Bortolotti: Gerichtsferien würden nicht bedeuten, dass am Landesgericht alles stillstehe; im Gegenteil, dringende Verfahren würden weitergeführt. Im Übrigen seien die Gerichtsferien nicht zum Schutz der Richter:innen, sondern zum Schutz der Rechtsanwälte und -anwältinnen eingeführt worden.
Sind Richter:innen immer hundertprozentig objektiv?
Bortolottis Arbeitstage sind lang, denn als Gerichtspräsidentin hat sich nicht nur organisatorische Aufgaben, sondern muss parallel „mindestens 30 Prozent der Geschäfte eines Vollzeitrichters übernehmen“. Bortolotti befasst sich in dieser Zeit mit Konkursen sowie Scheidungen und Trennungen. Sie erzählt, wie tief man bei der Bearbeitung von Fällen manchmal eintauche – und sie verrät ihre Strategie, wie sie dann wieder Abstand findet.
Können Richter:innen immer hundertprozentig objektiv sein? Sie versuchen es, antwortet Bortolotti, wenngleich Richter:innen Menschen seien, die persönliche Erfahrungen und Orientierungen mitbringen. Das spiele in die Urteile notgedrungen hinein.
Wann für Francesca Bortolotti klar war, dass sie Richterin und nicht Rechtsanwältin werden will, weiß sie noch ganz genau: Es war 1990, und sie hielt sich in Berlin auf. Was der Auslöser war, das erzählt sie in dieser Podcast-Folge. Auch spricht sie über ihre zwei Leidenschaften: erstens das Skifahren, das sie in Kindesjahren bis zur Italienmeisterschaft führte, und zweitens das Kitesurfen, mit dem sie von ihren zwei Kindern infiziert wurde. Wo sie lieber Urlaub macht, am Meer oder am Berg, was sie glücklich macht und welches der beste Ratschlag war, den sie je bekommen hat, das erzählt Francesca Bortolotti ebenfalls.
Abrufbar unter swz.it/podcast
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