Kürzlich habe ich auf dem Dachboden die gebundenen Jahresausgaben 1907 von „Monika“, der „Zeitschrift für katholische Mütter und Hausfrauen“, entdeckt. Neugierig geworden, schlug ich eine der vorderen Seiten auf, und mein Blick fiel auf einen Beitrag mit dem Titel „Über die Erziehung im vorschulpflichtigen Alter“. Erzieherische Strenge und brutale Gewalt seien zwar etwas ganz Verschiedenes, verkündete der Autor und sprach von Liebe und Vorbild sowie davon, dass normalerweise „gewöhnliche Erziehung-Mittel“ ausreichen, merkte aber an, dass „bei vorsätzlichem demonstrativem Ungehorsam, bei Widersetzlichkeit und Trotz mit aller Strenge ein Exempel statuiert werden muß, aber bloß in der Absicht, den Eigensinn des Kindes zu brechen.“ Pädagogen aller Länder, vereinigt euch! Grauenhaft, werden viele heutige Zeitgenossen sagen, einige aber auch anmerken, dass die kleinen Terroristen damals ihren Eltern noch nicht auf der Nase herumtanzen durften.
In der Folge entdeckte ich Kostproben zuhauf, die deutlich machen, welche Sicht der Dinge damals verkündet wurde. Unter dem Titel „Zur Frauenfrage“ heißt es mit Blick auf eine konstatierte Not an Dienstboten: „Die Mädchen drängen und hasten vorwärts in alle erdenklichen Berufe, die ihnen mehr und würdiger scheinen als der des einfachen, schlichten Dienens. Lieber wollen sie Mangel und Not mit der zweifelhaften Aussicht auf eine Anstellung auf einem Bureau oder für eine sonstige `höhere und bessere Beschäftigung`, als daß sie sich in einem guten Dienste versorgen wollen, wo sie für eine Reihe von Jahren solid und gut aufgehoben wären.“ In Berlin, verkündet der Autor, komme es schon vor, dass sich Männer um eine Stelle als Hausmädchen bewerben. Und er schimpft: „So weit muss es kommen. Während die Frau mit glühendem Eifer die Welt mit allen Berufen erobern will und das Recht anstrebt, womöglich über dem Manne zu stehen, kommt still und bescheiden der Mann, um die Arbeit aufzunehmen, welche die Frau im Stiche gelassen hat. Das Ganze wäre ungemein heiter und würde zum Lachen sein, wenn es nicht eine gar so ernste Seite hätte, so daß jeder denkende Mensch voll trüber Ahnung sich fragen muß: Wohin soll dieser Zug der Zeit uns noch führen? Wohin verirrt sich das deutsche Weib, die deutsche Frau, die ehedem ein Muster aller häuslichen Tugenden gewesen ist?!“
Eine Werbeanzeige für das Buch „Das Recht der Frau oder: Leben und Wirken der christlichen Frau im Ehestande“, das „in gedrängter Reihenfolge die wichtigsten Pflichten der Hausfrau und Ehegattin“ auflistet, habe ich – nicht ohne dunkle Vorahnungen – überblättert. Stattdessen werfen wir einen Blick auf Erläuterungen über „Eine moderne Hausfrau“, in deren Folge eine Gattin zitiert wird, die verkündet: „Was soll aus der Welt werden, was vor allem aus euch armen Männern, wenn die Frauen und Mädchen nur noch am Quell der Wissenschaft sich herumtummeln? Meiner Ansicht nach besteht die erste Pflicht der Frauenbewegung darin, all jenen Müttern, denen es eine gütige Vorsehung beschieden hat, ein gesichertes Familienleben führen zu können, unbehelligt vom heißen Kampf ums Brot, immer und immer wieder ans Herz zu legen, ihre Töchter zu guten Hausfrauen heranzubilden, damit diese im späteren Leben auch wieder für all jene ein Beispiel von Familiensinn und Familienleben sind, die so gar keinen Wert mehr auf diesen Punkt legen.“
Wenig später bin ich auf den Titel „Charitative Fürsorge für Schwachsinnige und Krüppelhafte“ gestoßen. Political correct ist das nicht, nur brutal! Nach heutiger Lesart handelt es sich dabei um Menschen mit besonderen Fähigkeiten. Das nennt man eine Wende um 180 Grad.
Eine letzte Kostprobe, ein „Wort an die Ehemänner“. Da heißt es. „Keine Frau kann die Last und Bürde der häuslichen Arbeit tragen und die Sorge der Kindererziehung aushalten, wenn der Mann ihr nicht mithilft.“ Worin diese Hilfe besteht, wird anschließend erläutert. Verlangt wird keinesfalls der Griff zur Bodenbürste, sondern „ein freundlicher Blick, ein anerkennendes Wort, eine Ermunterung, welche die Aufopferung der Hausmutter belohnt“, denn „wo soll bei ihr die freudige Hingabe herkommen, die das Haus zur Heimat macht?“ Also: „Lobe alles Gute an Deiner Frau, zeige, daß Du ihre Mühe anerkennst“, dann – ja dann „wird die Gattin eifern, dich zu erfreuen und dein Lob zu verdienen.“
Nicht ärgern, sage ich da: Nur staunen!