Zum Glück haben die Vereinten Nationen 2012 den 20. März zum Tag des Glücks erklärt und nicht den 13. März. Denn sonst wäre heuer – vor genau einer Woche – ein Freitag, der 13. der Tag des Glücks gewesen. Ein Tag des Glücks am sprichwörtlichen Tag des Unglücks wäre schon ziemlich fies gewesen.
Aber egal, wir wollen am Tag des Glücks nicht über Unglück philosophieren, sondern über Glück. Dazu gibt es eine ganze Menge von Redewendungen. Einmal ist der Mensch „seines eigenen Glückes Schmied“, ein anderes Mal hat er „Glück in der Liebe und Pech im Spiel“ (oder umgekehrt), oder aber er „tritt das Glück mit Füßen“. Wer denn nun eher zum Glück tendiert, darüber sind sich die Redewendungen uneinig: Das „Glück des Tüchtigen“ wird genauso bemüht wie der Sager „Die Dummen haben das Glück“. Vielleicht liegt das schlicht daran, dass sich Tüchtigkeit und Dummheit – entgegen anderslautenden Klischees – gar nicht zwingend gegenseitig ausschließen.
Das Coronavirus hat unsere Glückslatte empfindlich verschoben
Glück wünschen wir uns bei Verabschiedungen häufig so beiläufig: „Viel Glück!“ Aber was ist das eigentlich, Glück? Zum einen ist es das, was wir in etwas derbem Umgangston als „Schwein“ bezeichnen, also Glück haben. Zum anderen ist es ein Zustand des Glücklichseins, den der Duden definiert als eine „angenehme und freudige Gemütsverfassung, in der man sich befindet, wenn man in den Besitz oder Genuss von etwas kommt, was man sich gewünscht hat“. Glück ist demnach ein sehr subjektiver Zustand. Es ist für einen Konzernchef in einem Büroturm etwas völlig anderes als für einen Flüchtling in einem libyschen oder türkischen Lager, und für einen saudischen Prinzen etwas völlig anderes als für einen thailändischen Reisbauer.
Ein kleines Virus definiert Glück neu. Viele Südtiroler – und ich meine mich da durchaus mit – waren in ein übereifriges Streben nach Glück verfallen. Das aber macht garantiert unglücklich.
Glück ist zudem etwas sehr Dynamisches. Wer krank wird, definiert Glück plötzlich ganz anders als eben noch, als die Gesundheit gottgegeben erschien. Es ist aber gar nicht notwendig, krank zu werden, um eine empfindliche Verschiebung der Glückslatte zu erleben. Diese schmerzliche Erfahrung lässt uns in diesen Tagen das tückische Coronavirus erleiden, das wir noch vor Kurzem als weit entferntes chinesisches Problem betrachteten und das jetzt Selbstverständlichkeiten unseres Alltags weggewischt hat. Wer einen eigenen Garten hat, um an die frische Luft zu gehen, empfindet das jetzt als Glück. Wer nicht um den eigenen Arbeitsplatz bangen muss, wird sich ebenfalls bewusst, welch ein Glück das ist. Wer in einer intakten Familie lebt und nicht einsam und allein die Tage fristen muss, eingesperrt in den eigenen vier Wänden, lernt dieses Glück plötzlich wieder zu schätzen.
Früher war alles besser – diese Aussage klingt in Coronazeiten ganz neu
Schon interessant, bis vor ein paar Tagen war das alles kein Glück, sondern eine Selbstverständlichkeit. Glück war für die Mehrheit der Südtiroler die erste Skiabfahrt des Tages auf jungfräulichem Pulverschnee, das richtig temperierte Glas Wein in der Lieblingsbar, ein neues Kleidungsstück, eine Lohnerhöhung oder der Abschluss eines schönen Arbeitsauftrages. An solche Glücksmomente ist nicht mehr zu denken in einem Land, in dem uns verboten ist, unsere sozialen Kontakte zu pflegen, uns frei zu bewegen, ja – teilweise – sogar zu arbeiten. Wer hätte vor drei Wochen gedacht, dass wir uns das alles so widerstandslos verbieten lassen? Manche von uns sehnen sich paradoxerweise nach dem früheren Alltag, der uns eigentlich gar nicht hundertprozentig glücklich machte, weil zu stressig und zu belastend. Früher war alles besser – dieser Aussage hat das Coronavirus eine ganz neue Bedeutung gegeben.
Ein kleines Virus definiert Glück neu. Es lässt uns Dinge und Momente des Glücks wiederentdecken, die wir vergessen hatten. Und so einschneidend die gesundheitlichen und noch mehr wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie sein mögen, ist das vielleicht der positive Aspekt in einer zutiefst negativen Situation. Viele Südtiroler – und ich meine mich, obwohl ich eigentlich ein glücklicher Zeitgenosse bin, da durchaus mit – waren in ein übereifriges Streben nach Glück verfallen. Das aber macht garantiert unglücklich, hat 2018 eine Studie der Rutgers University Newark und der University of Toronto ergeben.