Wir alle haben es gemerkt: Die Restaurants sind wieder zu, weil das Virus umgeht. Das ist ein Problem für deren Inhaber und für Gäste, für pendelnde Berufstätige etwa, die kein Mittagessen mehr bekommen. Aber darum geht es nicht in diesem Text, sondern darum, dass der Mensch ungemein erfindungsreich ist, wenn es ums Geld geht oder gar ums nackte betriebswirtschaftliche Überleben. Und es geht um jene Schläue, Flexibilität, Anpassungsfähigkeit, vielleicht auch Dreistigkeit, die gern den Italienern angedichtet wird, obwohl sie in allen Völkern verbreitet ist, wenn vielleicht auch nicht in der gleich starken Ausprägung, Wenn es aber stimmt, dass die Italiener Meister im Aufspüren von Gesetzeslücken und im mehr oder weniger eleganten Umgehen von Regeln sind – gewissermaßen juridische Trüffelscheine –, dann haben die Südtiroler in den vergangenen hundert Jahren sehr viel gelernt. Zuweilen entsteht gar den Eindruck, die Schüler seien drauf und dran, den Lehrer zu überholen.
Wir basteln uns einen Hotelgast
Und damit zurück zu den geschlossenen Restaurants. Wer nur ein Speiselokal führt, musste wohl abermals die Schotten dichtmachen, es sei denn, es haben sich Firmenkunden gefunden, die einen Verköstigungsvertrag für ihre Mitarbeiter abschließen, was in Einzelfällen durchaus geschieht, denn so etwas wie Mensadienste dürfen ausgeübt werden. Dann gibt es aber auch Hotels, und Hotels dürfen erstens offenhalten und haben zweitens auch ein Restaurant. Jene Beherbergungsbetriebe, die traditionell in erster Linie die Hausgäste verköstigen, halten derzeit geschlossen. Aber Hotels, deren Restaurants auch bei Einheimischen beliebt sind, würden diese gerne uneingeschränkt weiterhin bedienen, anstatt nur die nicht oder kaum vorhandenen Hotelgäste.
Da ist guter Rat gefragt. Obwohl: Die Lösung ist eigentlich ganz einfach, da braucht es nur ein wenig Fantasie: Der Restaurantbesucher wird im Handumdrehen zum Kurzzeit-Hotelgast gemacht. „Buchen Sie ein Zimmer bei uns, Sie können jederzeit kostenlos stornieren“, lautet das Rezept und wird indirekt verkündet. Und der Kunde versteht, er ist ja auch nicht auf den Kopf gefallen. Er kommt, meldet sich als Hotelgast an, checkt ein oder gibt zumindest seinen Ausweis zwecks Registrierung an der Rezeption ab, speist im Restaurant (bis 23 Uhr darf er das), storniert dann kostenlos, und weg ist er. Aber das macht ja nichts: Anbieter und Nachfrager haben ihr Ziel erreicht – und dem Gesetz wurde Genüge getan.
Eine ähnliche Methode besteht darin, die Übernachtung nicht zu stornieren, sondern das Abendessen als Übernachtung mit Frühstück zu verrechnen.
Das nennt man die Wiedergeburt der Stundenhotels. Nur gehen die Gäste nicht für ein Schäferstündchen aufs Zimmer, sondern für ein Gaumenerlebnis ins Restaurant. Beides scheint eines gemeinsam zu haben: den Reiz des Verbotenen.
Info
Leser*innen haben das Wort
Dank an die„Schlaumeier“
Zum Blitzlicht „Die Renaissance der Stundenhotels“ in der SWZ 5/21
Ich habe gerade Ihr „Blitzlicht“ gelesen, in dem Sie Hoteliers aufs Korn nehmen, die das Verbot der Bedienung im Restaurant ohne Übernachtung umgehen. Als Gast, der dies nutzt, möchte ich gerne etwas ergänzen.
Ich bin Frächter für einen bedeutenden Südtiroler Betrieb und hauptsächlich in Süditalien unterwegs. Nun wird es bald ein Jahr (Sommer 2020 ausgenommen), dass wir Transporteure geschlossene Verpflegungsstätten vorfinden. Das heißt im Klartext: Wir sind gezwungen, uns selbst zu verpflegen, also von zu Hause Lebensmittel und vorgekochte Gerichte mitzunehmen, und zwar für fünf bis sechs Tage in der Woche, anstatt uns zumindest gelegentlich an einen Tisch setzen und frisch gekochte, warme Speisen genießen zu können. Immer alleine in der Kabine zu sein und belegte Brote zu essen, ist zermürbend! Da sind wir froh, dass es Dienstleister gibt, die sich etwas einfallen lassen.
Abgesehen davon bieten viele dieser Restaurants Parkplätze zum sicheren Abstellen der Lkws samt Ladung an (über Lkw-Diebstähle unterwegs wird leider selten berichtet), und die meisten Restaurants bieten gegen ein kleines Entgelt auch Duschmöglichkeiten an. Diese Mindestbedürfnisse der Fahrer wurden einfach vergessen. Gäbe es da nicht das eine oder andere Hotel, wie in Ihrem Artikel beschrieben, wäre unsere Lage noch schlimmer.
Und genau das wollte ich kommentieren: Es geht gar nicht um Verbotenes und die Umgehung von Regeln oder ein besonderes Gaumenerlebnis, sondern vielmehr darum, einigermaßen menschenwürdig arbeiten zu dürfen! Und dafür sind wir diesen „Schlaumeiern“ dankbar.
Nichtsdestotrotz: Ich bin ein begeisterter Leser der SWZ!
Gerhard Thaler, Terlan