St. Martin in Passeier – Es ist ein gewöhnungsbedürftiges Bild: Nicht eine Person mittleren Alters in Businesskleidung bittet zum Termin ins Bürgermeisterbüro, sondern ein junger Mann in lockerer Alltagskleidung und noch lockererem Auftreten. Das soll aber nichts heißen: Sobald man mit Dominik Alber näher ins Gespräch kommt, merkt man, dass er in seinem neuen Amt voll aufgeht. Und dass er nun einmal keiner ist, der sich verstellt, sondern sich so gibt, wie er ist. Sein Engagement und seine Authentizität sind wohl auch die Gründe, warum er sowohl die SVP-interne Vorwahl als auch die offizielle Bürgermeisterwahl Ende Mai klar gewinnen konnte.
Dominik Alber ist mit 28 Jahren Südtirols jüngster Bürgermeister. Seit etwas mehr als zwei Monaten leitet er die Geschicke der Gemeinde St. Martin in Passeier. Dort ist er Nachfolger von Rosmarie Pamer, die im Herbst in den Landtag gewählt wurde, sodass vorgezogene Neuwahlen nötig waren.
Alber ist nicht nur aufgrund seines jungen Alters eine Besonderheit, sondern auch aufgrund seines Werdegangs. So hat er etwa keinen Schulabschluss – aus Gründen, die ihn noch immer stark beschäftigen, wie er sagt. Und seine bisherige berufliche Laufbahn lässt sich vielmehr als ehrenamtliche beschreiben.
Schule abgebrochen
Der Passeirer wuchs schon früh und intensiv ins Vereinsleben und Ehrenamt hinein: Ministranten, Alpenvereinsjugend, kurzzeitig Kegeln und Tennis, Katholische Jugend, Jungschar, Theaterverein. Verantwortungsrollen sollten bereits im Schulalter folgen: Ministrantenleiter, AVS-Jugendbetreuer, Mitglied der Jungschar-Diözesanleitung in Bozen. Auch beim Jugendtreff von St. Martin – seinem späteren Arbeitgeber – brachte sich Alber stark ein. Ebenso im Bildungsausschuss und im Museum Passeier.
Zeitlich sei es immer schwieriger geworden, die vielen Tätigkeiten unter einen Hut zu bringen, blickt er zurück: „Ich hatte Lust, stets überall dabei zu sein, musste irgendwann aber Prioritäten setzen.“
Der Zeitmangel für seine Leidenschaften sei auch ein Grund gewesen, warum er zu Beginn der 4. Oberstufe an der Fos in Meran die Schule abbrach. Als Hauptgrund dafür nennt er aber vielmehr seine Kritik am Schulsystem: „Ich bin sehr gerne zur Schule gegangen und habe sehr gerne gelernt, aber es hat mich immer gestört, dass man nur aufgrund der Noten lernt. Ich sah es für mich als effizienter an, mich außerhalb der Schule weiterzubilden, und legte mir einen eigenen Bildungsplan zurecht.“
Die Schule habe ihm zwar Alternativen angeboten, sein Entschluss habe aber festgestanden. „Ich habe es bisher nicht bereut, würde diesen Weg gleichzeitig aber niemandem empfehlen, da es sehr anstrengend sein kann, alles selbst zu organisieren“, sagt Dominik Alber.
Nach seinem Schulabbruch wurde er von der Fos eingeladen, als externes Mitglied in einem Arbeitskreis zur Weiterentwicklung der Schule mitzuarbeiten. Und der kritische Blick aufs Schulsystem lässt Alber weiterhin nicht los: „Immer wenn das Thema aufkommt, denke ich mir, dass man unbedingt einiges ändern müsste.“
Vom Hausmeister zum Geschäftsführer
Seine schullose Zeit widmete er weiterhin vor allem dem Ehrenamt. Und infolge seines Engagements im örtlichen Jugendtreff wurde Alber irgendwann darum gebeten, hauptamtlich für den Jugenddienst zu arbeiten. „Ich wehrte mich lange dagegen, weil ich mir dachte, diese Arbeit nicht mehr so gerne zu machen, wenn ich dafür bezahlt werde. Zum Glück ist es nicht so weit gekommen. Und ich kann noch immer sagen: Ich arbeite, wofür ich eine Leidenschaft habe – und nicht wegen des Geldes“, betont der 28-Jährige.
Zuerst war Dominik Alber neben der Arbeit mit den Jugendlichen für Hausmeistertätigkeiten zuständig, die auch das Dorfhaus und das Vereinshaus in St. Martin umfassten. Später wurde er Geschäftsführer und blieb dies sechs Jahre lang bis zu seiner Wahl zum Bürgermeister.
Mit 24 Jahren der Meistgewählte
Die Gemeindepolitik spielte bereits in Albers Kindheit eine Rolle. Sein Vater war von 2010 bis 2015 Vizebürgermeister, seine Mutter ist Gemeindeangestellte. Aktiv mit Politik setzte er sich ab 2017 mit der Gründung des Jugendbeirates in St. Martin auseinander. Und 2020 kandidierte er erstmals für den Gemeinderat, wo Alber mit Abstand die meisten Vorzugsstimmen auf der SVP-Liste erhielt.
„Ich wollte auch gleich in den Gemeindeausschuss“, erzählt der Jungpolitiker, der schließlich Assessor für Jugend, Kultur, Ehrenamt und Umwelt wurde. Sorgen darüber, zu jung für etwas zu sein, habe er sich noch nie gemacht, betont er. „Mich interessiert vieles und ich kann mich schnell für Dinge begeistern. Es macht mir nichts aus, mich tagelang mit etwas auseinanderzusetzen, bis ich es verstehe.“
Worauf er nach seiner vierjährigen Amtszeit als Assessor besonders stolz ist, fragen wir ihn. „Als junger Mensch in einer so machtgefüllten Institution Fuß gefasst zu haben und nicht untergegangen zu sein. Ich kann behaupten, meinen Werten treu geblieben zu sein und stets Nein gesagt zu haben, wo Nein zu sagen war. Und ich habe nie mit Spielchen angefangen, was wir als Gemeinde so weiterführen werden.“
Einer, der zuhören kann
Heute fühle er sich fachlich sicher genug, zu sagen, er könne im Sinne der Gemeinde entscheiden. „Das beruht immer darauf, den Menschen zuzuhören“, sagt Dominik Alber. Eines ist ihm dabei besonders wichtig: Er will sich von niemandem etwas einflüstern lassen. Er tue zwar nichts lieber, als allen Menschen und deren Anliegen zuzuhören, bilde sich daraus aber selbst eine Meinung, die er als die beste für das Gemeinwohl erachtet und die er dann in den Gemeindegremien vorstelle. Notiz am Rande: Das Einflüstern übernimmt Dominik Alber stattdessen selbst, nämlich als langjähriger Souffleur im örtlichen Theaterverein.
„Je mehr Stimmen man im Dorf hört, desto besser ist das Gesamtbild, das man erhält. Es fällt mir sehr leicht, Dinge herauszufiltern und in einen Kontext zu stellen“, erklärt der Neo-Bürgermeister.
Dass sich in einem Dorf meist immer dieselben Menschen zu Wort melden und Einfluss nehmen wollen, ist ihm bewusst: „Ich habe meine Werte und weiß um den richtigen Weg. Wenn eine Forderung für die Gemeinde nicht sinnvoll ist, brauche ich auch nicht immer Nein zu sagen – oft reicht ein Blick, um dem Gegenüber meine Meinung zu verstehen zu geben. Als Bürgermeister hat man immer auch jene Menschen mitzuberücksichtigen, die nichts sagen.“
„Ich wollte nicht warten“
Dominik Alber hätte durchaus die Möglichkeit gehabt, noch zwei Amtsperioden Assessor zu bleiben und danach Bürgermeister zu werden. Nun könnte es je nach Mandatsregelung dazu kommen, dass er das höchste Gemeindeamt bereits abgeben muss, wenn er um die 40 Jahre alt ist. Warum also der schnelle Schritt nach oben?
Die Antwort Albers kommt – typisch für ihn – wie aus der Pistole geschossen: „Ich habe in den vergangenen Jahren gesehen, dass einiges in der Gemeinde anzugehen wäre. Warum sollte ich das also nicht jetzt tun, wenn ich jetzt die Möglichkeit dazu habe? Was wäre ich für ein Politiker, wenn ich noch zehn Jahre damit warten würde? Die Entscheidung zu kandidieren, fiel mir aus diesem Grund sehr leicht.“
Drei große Punkte will Alber in der nun laufenden Amtszeit von sechs Jahren umsetzen. Erstens: die Bürger:innen besser informieren und beteiligen. „Sie sollen alles über die Projekte der Gemeinde wissen und selbst einen Beitrag leisten können. Sie sollen sich von der Politik verstanden fühlen und sich bestenfalls selbst für Politik interessieren“, erklärt Alber.
Zweitens: die Infrastrukturen verbessern, unter anderem die Trinkwasserleitungen, die Schutzbauten, das Mehrzweckgebäude und das Gemeindegebäude. Und drittens: im Rahmen des Gemeindeentwicklungsprogramms gemeinsam mit der Bevölkerung einen Umsetzungsplan erarbeiten, um die Probleme und Herausforderungen Schritt für Schritt anzugehen.
Was Rosmarie Pamer über ihn sagt
Rosmarie Pamer beschreibt ihren Nachfolger als sehr offen, engagiert und lernwillig. Er habe es in den vergangenen zehn Jahren geschafft, für die Jugend Akzente zu setzen und Jugendliche für Politik und Mitbestimmung zu begeistern. „Wenn es in den Gemeinden mehr solche Menschen geben würde, wäre die Politikverdrossenheit weit niedriger“, meint Pamer.
Was die politische Ausrichtung betrifft, sei Dominik Alber sehr sozial und nachhaltigkeitsbewusst. Zudem habe er eine liberale und offene Einstellung. Und er lege seit jeher viel Wert auf die Einbindung aller. „Er hat einen neuen politischen Stil, der Vorbild in Südtirol sein soll“, lobt die Ex-Bürgermeisterin und nunmehrige Vizelandeshauptfrau.
Was kommt danach?
Sein neues Amt sieht Dominik Alber als Vollzeitjob. Derzeit arbeite er rund 80 Stunden in der Woche. Das werde sich aber wohl einpendeln, sobald er sich mithilfe der Gemeindebeamten voll eingearbeitet hat, ist er sich sicher.
Weit in die Zukunft denke er noch nicht. Auf jeden Fall wolle er zumindest zwei Amtszeiten lang Bürgermeister sein. „Dann kommt es auf die Projektfortschritte an – und ob es gute potenzielle Nachfolger gibt, die man aufbauen kann“, meint der „Mortiner“, der sich charakterlich als empathisch, kommunikativ, lösungsorientiert, „ein bisschen naiv“ und kopforientiert beschreibt.
Was nach dem Bürgermeisteramt kommt, lässt er völlig offen – „auch weil ich sehr viele Interessen habe“. Sein (weiterhin bestehender) Kindheitstraum sei es, Hubschrauberpilot zu werden. „Vorstellen könnte ich mir aber vieles, auch Busfahrer, ohne dies abwertend zu meinen“, sagt er.
In der Freizeit „Vollzeit-Ehrenamtlicher“
Eines kann man sich bei Dominik Alber derweil sicher sein: Das Ehrenamt wird bei ihm trotz Bürgermeisteramt nicht zu kurz kommen. Das zeigte sich bereits Mitte Juli während des Hüttenlagers der „Mortiner“ Ministranten unterhalb des Timmelsjochs: Eine Woche lang fuhr Alber als Betreuer stets am Abend ins Hüttenlager und morgens wieder zur Arbeit – und eine weitere Woche nahm er sich ganz frei, um die Kinder und Jugendlichen rund um die Uhr betreuen zu können.
„Ich hatte vorab versprochen, dass ich als Betreuer helfe. Nächstes Jahr wird das vermutlich nicht mehr möglich sein. Aber das Ehrenamt wird weiterhin einen wichtigen Platz einnehmen, wenngleich ich viele Funktionen mit der Wahl zum Bürgermeister abgelegt habe. Es gibt mir einen Ausgleich zum Beruflichen und ist irgendwo mein Leben“, sagt er mit strahlenden Augen.
Einen „richtigen Entspannungsurlaub“ will er Mitte August machen – auf einer Berghütte hoch über St. Martin: „Dort werde ich die Wiesen mähen und Holzarbeiten erledigen“, lacht er.
DIE SERIE In der Serie „Jung & hungrig“ stellt die SWZ junge Menschen in und aus Südtirol mit den verschiedensten Lebensläufen vor. Eines haben sie jedoch alle gemeinsam: Sie sind jung und hungrig nach Erfolg. Alle bisher erschienenen Artikel aus der Reihe finden Sie auf SWZonline und in der SWZapp.