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„Südtiroler“ Unternehmen Alerion: Gegenwind an der Börse

ALERION – Erst im Höhenflug, dann zwei Jahre abwärts: Die Aktie des einzigen börsennotierten Unternehmens in Südtiroler Hand, Alerion, hat in zwei Jahren rund 60 Prozent ihres Wertes verloren. Warum das passiert ist – und wie der Erzeuger von grünem Strom weiterhin lukrative Geschäfte macht.

Heinrich Schwarz von Heinrich Schwarz
8. November 2024
in Südtirol
Lesezeit: 4 mins read

Windräder und ein riesiger Fotovoltaikpark von Alerion auf Sardinien (Foto: Google Street View)

Bozen/Mailand – Vom „Südtiroler Börsenwunder“ schrieb die SWZ vor ziemlich genau zwei Jahren. Das von der Familie Gostner kontrollierte Unternehmen Alerion, das in Mailand seinen Sitz hat und an der dortigen Börse notiert, hatte damals die Zwei-Milliarden-Euro-Marke an Marktkapitalisierung geknackt. Damit lag der Betreiber von Windparks und Fotovoltaikanlagen ungefähr an der 50. Stelle der größten börsennotierten Unternehmen Italiens. In nur drei Jahren konnte der Aktienwert vervierzehnfacht (!) werden.

Seither ging es für die Alerion-Aktie aber wieder kontinuierlich bergab. Wurde sie vor zwei Jahren noch um mehr als 35 Euro gehandelt, sind es jetzt nur noch gut 15 Euro. Das ist ein Minus von rund 60 Prozent.

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Die Achterbahnfahrt

Eines ist vorauszuschicken: Man kann nur bedingt von einer Talfahrt der Aktie sprechen, denn sie befindet sich weiterhin auf einem hohen Niveau.

Als die Gostner-Brüder mit ihrer Fri-el-Gruppe vor acht Jahren bei Alerion einstiegen (Anfang 2017 übernahmen sie dann die Mehrheit und halten heute 88 Prozent der Aktien), bezahlten sie gerade einmal 2,60 Euro pro Aktie. Anfang 2020 war die Aktie dann gut drei Euro wert, ehe der Kurs zwei Jahre lang steil nach oben kletterte. Das Hoch im August 2022 lag sogar bei 44,50 Euro.

Somit lässt sich sagen: Gegenüber dem Höchststand hat die Alerion-Aktie inzwischen zwar zwei Drittel ihres Wertes verloren, seit dem Einstieg von Fri-el 2016 aber ein Plus von fast 500 Prozent erzielt.

Die Marktkapitalisierung von Alerion beträgt derzeit rund 850 Millionen Euro. Damit liegt der Grünstromerzeuger unter den italienischen Börsenunternehmen auf dem 81. Rang, knapp vor dem Fahrzeugkonzern Piaggio. Ebenfalls hinter Alerion liegen bekannte Namen wie OVS, Mondadori und Juventus FC.

Die Gründe für die Entwicklung

Warum der kontinuierliche Abwärtstrend nach dem Höhenflug vor zwei Jahren? Alerion-Präsident Josef Gostner muss nicht lange überlegen: „Es gibt mehrere einfache Gründe. Erstens waren die Strompreise im Jahr 2022 enorm hoch und haben sich wieder normalisiert. Zweitens sind die Zinsen stark gestiegen, was sich negativ auswirkt. Drittens befindet sich Europa in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage, was den ganzen Marktindex im Energiebereich belastet. Und generell gibt es immer wieder Hypes, woraufhin sich alles wieder stabilisiert.“

„Italien und ganz Europa brauchen solche Pumpspeicherkraftwerke, ansonsten ist der Umstieg auf grüne Energie nicht machbar.“

Für einen Hype bei Unternehmen für erneuerbare Energie – wie eben Alerion – hatte Ende 2019 die Bekanntgabe des „Green Deal“ der EU-Kommission gesorgt, der Milliardeninvestitionen zur Senkung der Treibhausgasemissionen vorsah. Hinzu kamen nach der Strompreisexplosion infolge der Abhängigkeit von russischem Gas politische Aussagen in Europa, jetzt noch schneller auf grüne Energie umsteigen zu wollen. Die Nachhaltigkeitsoffensive in Europa hat sich inzwischen aber wieder verlangsamt.

„Was politisch angekündigt wurde“, sagt dazu Josef Gostner, „kann nicht umgesetzt werden, denn der Bau der Anlagen ist so schnell nicht möglich. In Italien war etwa von 60.000 Megawatt an zusätzlicher Leistung innerhalb 2030 die Rede. Dafür benötigt man aber nicht sechs, sondern mindestens 16 Jahre.“

Hervorragende Umsatz- und Gewinnentwicklung

Dem Alerion-Präsidenten und gleichzeitigen CEO von Fri-el bereitet der rückläufige Aktienkurs jedenfalls keine Sorgen: „Der Aktienkurs ist eine Bewertung, mit der wir nicht viel anfangen können. Wir führen Alerion als Industrieunternehmen.“

Demnach zählen für Gostner hauptsächlich die Geschäftsergebnisse. Diese können sich im Zeitverlauf durchaus sehen lassen. Und auch für die Zukunft sind keine Anzeichen für größere Probleme festzustellen.

Vor der Übernahme durch Fri-el schrieb Alerion einen jährlichen operativen Umsatz von weniger als 50 Millionen Euro – und dazu teilweise hohe Verluste, etwa im Jahr 2014 mit 26,8 Millionen Euro. Nach der erfolgreichen Sanierung des Unternehmens durch die Fri-el-Führung kletterte der Umsatz bereits 2019 auf 70 Millionen Euro bei einem Gewinn von 21 Millionen. Ein Jahr später wurde die 100-Millionen-Umsatzmarke geknackt (Gewinn 31 Millionen), 2021 waren es knapp 150 Millionen Euro (Gewinn 49 Millionen) – und im darauffolgenden Jahr der hohen Strompreise sogar 263 Millionen (Gewinn 71 Millionen).

Im Vorjahr normalisierte sich die Situation wieder. Vom Ausnahmejahr 2022 einmal abgesehen ging es für Alerion aber weiter aufwärts: Der Umsatz lag bei 164 Millionen Euro, der Gewinn bei knapp 67 Millionen.

Expansion mit Verzögerung

Die Halbjahresbilanz 2024 lässt vermuten, dass Alerion heuer nicht an die Ergebnisse des Vorjahres anknüpfen können wird, zumindest nicht an den Gewinn. So schrieb das Unternehmen im ersten Semester dieses Jahres einen Umsatz von 81,5 Millionen Euro und einen Gewinn von 18 Millionen. In der Bilanz ist zwar von einer gestiegenen Stromproduktion die Rede, allerdings sind die Preise deutlich gesunken.

Freilich kann die Bilanzsituation bis Jahresende anders aussehen. Josef Gostner darf dazu keine Angaben machen. Am 14. November werden die Ergebnisse des dritten Quartals genehmigt, dann wird man schon mehr wissen.

Auch interessant: Alerion wollte ursprünglich bis zum Jahr 2025 eine installierte Gesamtleistung von 3.800 Megawatt haben. Derzeit sind es aber gerade einmal 912 Megawatt. Im neuen Industrieplan des Unternehmens, der im Vorjahr genehmigt wurde, mussten die Zukunftspläne revidiert werden. Demnach will Alerion nun bis 2028 die 3.000-Megawatt-Grenze erreichen – durch Investitionen in Höhe von mehr als zwei Milliarden Euro.

„Derzeit sind 600 bis 700 Megawatt genehmigt und teils im Bau. In drei bis vier Jahren werden wir eine dreimal so hohe Produktion haben“, ist Josef Gostner zuversichtlich.

Warum aber die große Verzögerung? „In Italien“, so der Bozner Energiepionier, „kommt es immer wieder zu administrativen Verspätungen bei den Genehmigungen. Auch hat das sogenannte Fer-X-Dekret, das Zuschüsse für den Bau neuer Anlagen vorsieht und den Betreibern erst ein sicheres Einkommen ermöglicht, zwei Jahre Verspätung. Zudem werden die Bauten immer komplizierter.“

Eintritt in die Wasserkraft

Die aktuell über 900 Megawatt an installierter Leistung von Alerion beziehen sich vorwiegend auf Windparks, die sich hauptsächlich in Italien (im Süden) befinden, aber inzwischen auch in Spanien und Bulgarien. Hinzu kommen seit wenigen Jahren riesige Fotovoltaikparks in Rumänien und auf Sardinien.

Der Mutterkonzern Fri-el führt einige weitere Windparks, produziert dazu noch Strom aus Biogas, Biomasse und Wasserkraft, investiert hohe Summen in Geothermie und betreibt großflächige Landwirtschaft in Italien und Rumänien. Alerion macht in der Fri-el-Gruppe nur knapp die Hälfte des Umsatzes aus.

Ein weiteres Großprojekt von Fri-el soll an Alerion übergehen, wie vor zwei Wochen bekannt gegeben wurde: ein Pumpspeicherkraftwerk in der Basilikata. Damit tritt Alerion auch in den Bereich Wasserkraft ein.

Das geplante Kraftwerk, das derzeit in der Genehmigungsphase ist, soll eine Leistung von 200 Megawatt haben. „Und mit einer Produktion von 1.200 Gigawattstunden wird es fast so viel Energie produzieren wie Alerion aktuell insgesamt“, erklärt Gostner.

Zum Vergleich: Das Wasserkraftwerk Kardaun, Südtirols Flaggschiff, hat laut Angaben des Betreibers Alperia eine maximale Leistung von 165 Megawatt und eine Jahresproduktion von gut 600 Gigawattstunden.

„Italien und ganz Europa brauchen solche Pumpspeicherkraftwerke, ansonsten ist der Umstieg auf grüne Energie nicht machbar. Denn erneuerbare Energieträger sind nicht rund um die Uhr und das ganze Jahr über verfügbar“, betont Josef Gostner.

Die Fri-el-Gruppe will in den nächsten zehn Jahren gleich vier Pumpspeicherkraftwerke mit rund 200 Megawatt Leistung bauen – bei Investitionen von mindestens 300 Millionen Euro pro Werk.

Schlagwörter: 43-24free

Ausgabe 43-24, Seite 6

Heinrich Schwarz

Heinrich Schwarz

Der Passeirer arbeitete ab 2013 bei der „Südtiroler Tageszeitung“ in den Bereichen Wirtschaft und Politik und ist seit 2022 Teil der SWZ-Redaktion. Er liebt die Recherche und Aufbereitung wichtiger und spannender Themen.

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