Bozen – Immer mehr Menschen nutzen private Gesundheitseinrichtungen, um lange Wartezeiten im öffentlichen Gesundheitswesen zu vermeiden. Das wachsende Interesse an privaten Krankenversicherungen bestätigt dies, wie aus dem Sonderteil des aktuellen Afi-Barometers – Sommer 2024 hervorgeht. Die Ergebnisse deuten auf eine gewisse „Kapitulation vor den Umständen“ hin. Aufgrund der chronischen Organisationsmängel im öffentlichen Gesundheitswesen wird die Inanspruchnahme privater Dienstleistungen oft zur Notlösung. „Nicht zuletzt wegen der Versicherungen, die einen breiten Schutz versprechen und die Erwartungen der Kunden offenbar ausreichend erfüllen, greifen viele auf eine kostenpflichtige Versorgung zurück“, sagt Afi-Direktor Stefan Perini.
Afi-Präsident Andreas Dorigoni warnt: „Wir dürfen nicht vergessen, dass die hypothetische Ausbreitung eines privaten Systems vor dem Hintergrund eines öffentlichen Gesundheitswesens, das nur auf Notfälle ausgerichtet ist, für chronisch oder schwer kranke Menschen zu unzumutbaren Situationen führen würde.“
Privatausgaben hauptsächlich für Fachvisiten
Wie das Afi-Barometer verdeutlicht, haben in den letzten zwölf Monaten 42 Prozent der Befragten private medizinische Leistungen in Anspruch genommen. 67 Prozent der Antwortenden gaben an, sich aufgrund von dringenden Umständen an private Gesundheitseinrichtungen gewandt zu haben, während für 33 Prozent hingegen die vermutete bessere Qualität ausschlaggebend gewesen ist.
Nur etwa jede fünfte Person gab in den vergangenen zwölf Monaten keinen Cent für medizinische Versorgung oder Medikamente aus, während jede zweite zwischen 0 und 500 Euro aus der eigenen Tasche bezahlt hat. Jede fünfte wiederum gab zwischen 500 und 2.000 Euro aus. Mehr als 2.000 Euro gaben zwischen fünf und sieben Prozent der Befragten aus – entweder für sich oder für die eigene Familie. Bei den Gesundheitsausgaben sind Fachvisiten der wichtigste Posten. Hier schwankt der Anteil zwischen 58 Prozenten und 53 Prozent, je nachdem, ob die Ausgaben die eigene Person oder die Familienangehörigen betreffen. Es folgen die Ausgaben für Medikamente (37 Prozent bzw. 39 Prozenten) und schließlich die Ausgaben für chirurgische Eingriffe (fünf bzw. acht Prozent).
Ein Drittel hat private Krankenversicherung
Etwa ein Drittel der Befragten hat bereits eine Krankenversicherung für sich selbst oder für die ganze Familie abgeschlossen, während 18 Prozent diese Möglichkeit in Betracht ziehen. Aufgeschlüsselt nach Sprachgruppen steigt der Anteil der bereits versicherten Personen bei den deutschsprachigen Befragten auf 35 Prozent, während er bei den italienischsprachigen bei etwa 25 Prozent liegt – eine Zahl, die mit den gesamtstaatlichen Daten einer von der Wirtschaftszeitschrift Milano Finanza im Jahr 2023 veröffentlichten Studie übereinstimmt. „Die Hiobsbotschaften über den Zustand des öffentlichen Gesundheitswesens und eine verstärkte Werbung für Versicherungsprodukte haben offensichtlich bereits die Gewohnheiten der Südtiroler Arbeitnehmer beeinflusst“, stellt Afi-Forscherin Maria Elena Iarossi fest.
In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass die Zufriedenheit mit den privaten Krankenversicherungen aktuell recht hoch ist: Auf einer Skala von eins (überhaupt nicht) bis fünf (sehr) geben 67 Prozent derjenigen, die eine Krankenversicherung abgeschlossen haben, an, zufrieden zu sein (Bewertungen zwischen vier und fünf Punkten). Andererseits waren nicht unerhebliche zwölf Prozent der Versicherten unzufrieden (Bewertung ein oder zwei Punkte).
Bei diesen Ergebnissen muss man sich allerdings vor Augen halten, dass die Befragten der Gruppe der Erwerbstätigen angehören, d.h. sie sind weniger als 65 Jahre alt, in der Regel bei guter Gesundheit oder haben zumindest keine größeren gesundheitlichen Probleme. Sie zählen somit zur idealen Klientel für Versicherungsgesellschaften: Die Versicherten stellen eine ausreichend große und zudem kostengünstige Gruppe in Bezug auf die Leistungen dar, die im Schadensfall bedarfsgerecht unterstützt werden müssten. Allerdings warnen Expertinnen und Experten bezüglich der Erweiterung des Versichertenkreises bereits vor künftigen Anpassungen der Versicherungen, die durch eine aufmerksame Kalibrierung der Selbstbeteiligungen und Zuzahlungen die Rentabilität für die Versicherungsgesellschaften auf einem angemessenen Niveau halten sollen.