Bozen – Noch vor einigen Jahren wäre so etwas undenkbar gewesen. Im Kino zeigt der Film „Honig im Kopf“ mit Til Schweiger und Dieter Hallervorden beeindruckende Südtirol-Landschaften, die Lust machen, das Land kennenzulernen – und nennt die Orte auch noch bei ihrem Namen. Parallel läuft im ersten deutschen Fernsehen (Das Erste) am kommenden Donnerstag um 20.15 Uhr das Krimidrama „Kripo Bozen – Wer ohne Spuren geht“, das nicht nur in Südtirol spielt, sondern die Landeshauptstadt sogar im Titel trägt. Im italienischen Hauptabendprogramm von Rai 1 erlebt Förster Pietro (Terence Hill) derweil jeden Donnerstag in „Un passo dal cielo“ seine Abenteuer, und zwar im Hochpustertal – die bereits dritte Staffel umfasst 20 Folgen. Und am kommenden Montag läuft ebenfalls auf Rai 1 um 21.10 Uhr der Spielfilm „Max & Hélène“ in Anlehnung an den gleichnamigen Roman des Juden Simon Wiesenthal – gedreht wurde in Bozen, Brixen, Margreid, Prösels und Oberbozen.
Südtirol ist als Filmkulisse derzeit allgegenwärtig. Dass internationale Sportveranstaltungen bewegte Südtirolbilder in die Welt tragen, wie an diesem Wochenende der Biathlon-Weltcup in Antholz, ist Gewohnheit. Noch recht ungewohnt hingegen ist, dass Südtirol in Kino- und Fernsehfilmen erkennbar wird. Möglich gemacht wird dies durch die Filmförderung, die noch unter Wirtschaftslandesrat Thomas Widmann ersonnen wurde. Ende 2010 verabschiedete der Landtag ein Filmförderungsgesetz, seither kann die Business Location Südtirol (BLS) mit ihrer Filmsparte pro Jahr Landesgelder in der Höhe von rund fünf Millionen Euro einsetzen. Filmförderungen gibt es überall auf der Welt, aber die fünf Millionen sind vergleichsweise viel Geld für ein so kleines Land.
Im vergangenen Jahr wurden aus dem BLS-Fördertopf 5,15 Millionen Euro verteilt, informierte die BLS unlängst. 35 internationale Produktionen und Ko-Produktionen mit 627 Südtirol-Drehtagen hat die BLS gezählt, was bedeutet, dass rein statistisch fast jeden Tag an zwei verschiedenen Orten in Südtirol gedreht wurde.
Die Millionen werden dabei nicht wahllos verteilt, sondern an Bedingungen geknüpft. Unter anderem muss die geförderte Produktionsfirma mindestens 150 Prozent der Fördersumme in Südtirol ausgeben: Kommen 100.000 Euro aus dem Filmfonds, müssen 150.000 Euro vor Ort ausgegeben werden, für die Unterbringung und Verpflegung des Filmteams, für Kulissen, für Komparsen und Sonstiges. Widmann sprach immer von einer Art indirekten Wirtschaftsförderung, und tatsächlich haben einzelne heimische Unternehmen in der Filmbranche ein zusätzliches Standbein gefunden: Handwerker bauen Kulissen und Kamera-Bühnen, Dienstleister organisieren Helikopterflüge und Castings, Gastwirte wickeln das Catering ab. An der Landesberufsschule für Handel, Handwerk und Industrie „Luis Zuegg“ in Meran gibt es inzwischen einen Lehrgang für Kostümbildassistenz.
Übrigens: Der sogenannte „Südtirol-Effekt“ betrug im vergangenen Jahr nicht die angepeilten 150 Prozent, sondern 184 Prozent. Wenn 5,15 Millionen Euro aus dem Filmfonds verteilt wurden, dann haben Südtiroler Unternehmen demnach Aufträge für 9,5 Millionen Euro erhalten. Zu dieser indirekten Wirtschaftsförderung gesellt sich der touristische Werbeeffekt, der bei Filmen wie „Honig im Kopf“ und „Kripo Bozen“ zweifelsohne gegeben ist.
Trotzdem ist nicht alles Gold, was da glänzt. Produzenten loben zwar das Bemühen der BLS bei der Unterstützung der Filmteams, sie stellen im Filmland Südtirol aber genauso gewisse Schwächen fest – wenn auch nur hinter vorgehaltener Hand, weil es sich nicht geziemt, in den (Filmförderungs-)Teller zu spucken, aus dem sie essen. Beispielsweise bemängeln sie, dass an der Professionalität der Filmdienstleistungen vor Ort noch gearbeitet werden muss. Teilweise könne die Qualität nicht mit dem Preis Schritt halten, wohl auch deshalb, weil es noch zu wenig Wettbewerb gibt in der jungen Südtiroler Filmdienstleistungsbranche. Das (noch) geringe und teilweise teure Angebot an Dienstleistern in Kombination mit der recht großen Dichte an Filmproduktionen und der Pflicht, 150 Prozent der Förderung in Südtirol auszugeben, schmeckt nicht allen Produzenten. Allerdings handelt es sich wohl um eine unvermeidliche Kinderkrankheit eines noch jungen Filmlandes, die sich durchaus ausmerzen lässt.
Christiana Wertz, die Verantwortliche für die Filmsparte der BLS, kennt die kritischen Anmerkungen mancher Produzenten und wertet sie als Anreiz, besser zu werden. „Der allgemeine Tenor ist, dass Südtirol tolle Locations zu bieten hat und dass bemerkenswert ist, was da in nur fünf Jahren aufgebaut wurde. Aber zweifelsohne existiert Entwicklungspotenzial, wenn wir Südtirol mit etablierten Filmstandorten vergleichen“, so Wertz. Entwicklungspotenzial ortet Wertz auch beim Südtirol-Effekt, falls sich die Dienstleistungsbranche entwickelt: Andere Länder lägen weit über den 184 Prozent in Südtirol.
Unterm Strich spricht gerade die Tatsache, dass es der BLS gelingt, so viele Produktionen nach Südtirol zu holen, dafür, dass der Filmstandort Südtirol zwar verbesserungswürdig ist, aber keineswegs schlecht. Der Anfang ist gemacht. Jetzt muss Südtirol daran arbeiten, dass die Filmförderung nur ein Argument unter vielen ist, in Südtirol zu drehen. Dabei sollte sich Südtirol nicht allzu sehr auf seine Schönheit verlassen – schöne Filmkulissen gibt es überall auf der Welt.















