St. Jakob, Bozen, Taufers – Selbstständige Mütter leben im Spagat: zwischen Familie, Beruf und Beziehung. Drei Unternehmerinnen erzählen, wie sie diesen Alltag meistern – mit Struktur, Unterstützung und Entschlossenheit. Was sie antreibt? Der Wunsch, Berufliches zu gestalten, ohne das Private zu verlieren. Was sie zeigen: Selbstständigkeit mit Kind ist herausfordernd – aber möglich. Und was sie anderen Müttern raten, die auch von der Selbstständigkeit träumen.

Sarah Schrentewein (34)
Zwischen Laptop und Legosteinen
Mitten im Familienalltag erfüllte sich Sarah Schrentewein ihren Traum: eine eigene Social-Media-Agentur. Vor zwei Jahren wagte sie den Schritt in die Selbstständigkeit mit zwei kleinen Kindern im Gepäck, Victoria (heute sieben) und Alina (heute fünf).
Ihr Büro, ein Zimmer in ihrer Wohnung, ist ordentlich, mit rosa Jalousien an den Fenstern. Auf den ersten Blick sieht alles nach klassischem Büro aus. Doch wer genauer hinschaut, erkennt: Hier lebt und arbeitet eine Mama. In einem Filzsäckchen sind Legosteine verstaut, an den Wänden hängen Familienfotos. „Normalerweise ist es hier nicht ganz so ordentlich, da liegen die Legos schon mal überall herum“, lacht die 34-Jährige.
Mit 18 stieg Sarah Schrentewein ins Berufsleben ein: je fünf Jahre im Marketing zweier Südtiroler Familienunternehmen, danach fast fünf Jahre in einer Werbeagentur. Dort war sie mit 65 Prozent angestellt. „Ich hatte tolle Aufgaben, einen unbefristeten Vertrag, viele Freiheiten. Trotzdem war da immer dieses Gefühl: Da geht noch mehr.“
Verwirklichung trotz Verantwortung
„So eine Entscheidung trifft man natürlich nicht über Nacht“, erzählt Schrentewein. „Sie reift in einem.“ Mit ihrem Mann Alex sprach sie lange darüber – er unterstützte sie von Anfang an. Auch ihre Familie stand hinter ihr. „Die meisten Freunde auch – nur vereinzelt kamen kritische Stimmen: ‚Willst du dir das mit zwei kleinen Kindern wirklich antun?‘“
„Meine Familie steht an erster Stelle, aber ich will meine Träume nicht aufgeben, nur weil ich Mutter bin.“ Sarah Schrentewein
Doch für die zweifache Mutter war klar: „Ich mache das – für mich. Meine Familie steht an erster Stelle, aber ich will meine Träume nicht aufgeben, nur weil ich Mutter bin.“
Der Anfang war herausfordernd. „Nicht, weil ich gezweifelt hätte – aber weil man plötzlich so viel im Kopf hat. Als Angestellte lässt man die Arbeit im Büro. Als Selbstständige zieht sie bei einem ein.“ Ein Zimmer wurde zum Büro. „Abends verschwinde ich oft darin. Letzte Woche haben mein Mann und ich zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder Netflix angemacht“, sagt sie lachend.
Herausfordernd wird es, wenn die Kinder krank sind oder man nach einer schlaflosen Nacht einen Kunden gewinnen muss. „Aber ich habe das große Glück, einen Mann zu haben, der mich fantastisch unterstützt.“
„Meine Kunden wissen: Nachmittags bin ich in der Regel nicht erreichbar. Das muss man klar kommunizieren.“ Sarah Schrentewein
Sarah Schrentewein arbeitet auch heute nicht in Vollzeit – zumindest offiziell. „Mein Mann bringt morgens die Kinder weg, damit ich um acht am Schreibtisch sitze. Vormittags arbeite ich, der Nachmittag gehört den Kindern.“ Natürlich beantwortet sie auch mal am Spielplatz eine Mail. „Was ich vormittags nicht schaffe, hole ich abends nach. In Summe komme ich auf eine Vollzeitbelastung. Aber meine Kunden wissen: Nachmittags bin ich in der Regel nicht erreichbar. Das muss man klar kommunizieren.“
Inzwischen betreut sie 15 Klienten und Klientinnen – kleine und mittelständische Unternehmen und zwei Hotels. Neben der Agentur-Arbeit gibt die 34-Jährige noch Workshops und Schulungen. „Es ist mittlerweile so viel geworden, dass ich mit einer Freelancerin zusammenarbeite, die mich bei größeren Projekten unterstützt.“
Wirtschaftlich hat sich die Entscheidung gelohnt: „Ich bin schon stolz auf das, was ich geschafft habe – und auf das Einkommen, das ich mit meiner eigenen Firma erwirtschafte“, sagt sie.
Ohne Oma geht’s nicht
Ein wichtiger Baustein ihres Alltags: ihre Eltern. „Ohne Oma und Opa würde es nicht gehen“, sagt sie dankbar. „Sie helfen oft, passen regelmäßig auf die Kinder auf – auch wenn sie krank sind.“
Mit ihren Kindern spricht die Marketing-Expertin offen über ihre Arbeit. „Ich habe ihnen erklärt, dass Mama nicht mehr ins Büro fährt, sondern das Büro gleich neben ihrem Kinderzimmer ist – und warum ich so oft am Handy oder Laptop bin. Mir ist es wichtig, dass sie verstehen: Das ist meine Arbeit, ich tippe nicht zum Spaß herum.“
Und wie sieht sie ihre Zukunft? Sarah Schrentewein lacht. „Ich denke immer nur ein paar Monate voraus – in Jahreszeiten, sozusagen. Jetzt plane ich den Sommer, dann kommt der Herbst. Langfristig würde ich mir wünschen, mich weiter zu etablieren und zu wachsen. Vielleicht mit ein paar Mitarbeitern und einem eigenen Büro.“

Felizitas Wieser (31)
Auf festem Fundament
Felizitas Wieser ist Juniorchefin der Familienfirma Wieser-Bau, Mitgründerin des Netzwerks She Builds, Miteigentümerin eines Glampingplatzes – und Mutter von Tristan (zehn) und Mathilda (acht). „Mein Alltag ist bunt, intensiv und oft herausfordernd – aber auch unglaublich erfüllend“, sagt Wieser. „Ich bewege mich täglich zwischen Bauhelmen, Bürotätigkeiten, Kundenkontakten und Kinderalltag. Es ist ein ständiger Spagat – aber einer, der sich lohnt.“
Selbstständigkeit als Freiheit und Herausforderung
Ein typischer Tag beginnt früh für die Junior-Chefin. „Ich lege Wert auf ein gesundes Frühstück und bringe die Kinder auf den Weg. Danach geht es direkt ins Büro.“ Ihre Aufgaben reichen von Organisation und Strategie bis zu ganz praktischen Einsätzen – „manchmal begleite ich sogar Sondertransporte“. Abends versucht sie, bewusst Zeit mit der Familie zu verbringen. „Der Moment, in dem alles erledigt ist und man sich Zeit verdient hat – der kommt meistens nicht“, sagt Wieser lächelnd, „aber ich habe gelernt, mir bewusst Zeitinseln zu schaffen – beim Sport, beim Lesen oder einfach bei einer Tasse Tee.“
Trotz aller Bemühungen bleibt das schlechte Gewissen ein Begleiter. „Wenn ich im Büro bin, denke ich an die Kinder – und wenn ich mit den Kindern bin, plagt mich das Gefühl, im Betrieb nicht alles im Blick zu haben.“
Wenn alle an einem Strang ziehen
Nach den Geburten stieg die junge Mutter rasch, aber in Teilzeit, wieder in den Beruf ein. „Ich habe mir die Arbeit so organisiert, dass ich viel von zu Hause aus machen konnte.“ Heute arbeitet Felizitas Wieser flexibel, angepasst an den Stundenplan ihrer Kinder. „Sie sind sehr aktiv: Handball, Fußball, Feuerwehr, Pfadfinder, Klavier … An manchen Tagen arbeite ich durch, an anderen plane ich gemeinsame Nachmittage ein.“
„Ich wollte meiner Rolle im Betrieb gerecht werden, gleichzeitig aber die Zeit mit meinen Kindern genießen.“ Felizitas Wieser
Die größte Herausforderung war emotionaler Natur. „Ich wollte meiner Rolle im Betrieb gerecht werden, gleichzeitig aber die Zeit mit meinen Kindern genießen.“ Sie musste lernen, unvorhersehbare Situationen anzunehmen – etwa, wenn ein Kind krank wird – und ihre Ansprüche zu justieren.
Ihr Führungsstil sei gleich geblieben – „aber mein Blick auf Menschen ist vielleicht noch empathischer geworden, seit ich Mutter bin“. Auch gesellschaftlichen Erwartungen begegnet Felizitas Wieser gelassener: „Mein Selbstwert ist stabil – die Meinung anderer ist nebensächlich.“
Die Kinderbetreuung ist ein fein abgestimmtes Familiensystem. Eltern, Schwiegereltern, Opa mit Lebensgefährtin, Onkel, Tanten, Haushälterin – alle helfen mit. „Mein Mann arbeitet ebenfalls im Familienbetrieb – er trägt genauso Verantwortung. Er ist ein wunderbarer Vater und ein großartiger Partner“, so die Unternehmerin.
„Gerade bei der schulischen Nachmittagsbetreuung ist noch Luft nach oben.“ Felizitas Wieser
Nachholbedarf sieht Felizitas Wieser in der gesellschaftlichen Unterstützung für arbeitende Mütter: „Gerade bei der schulischen Nachmittagsbetreuung ist noch Luft nach oben.“ Ob sie sich als Vorbild sieht? „Ich glaube schon – und das freut mich. Aber ich betone gerne: Ein Zeitungsartikel oder Instagram-Post zeigt nie das ganze Bild.“
Ihr Rat an Frauen mit Selbstständigkeitsplänen: „Hört auf euer Bauchgefühl. Wenn es ja sagt – dann macht’s.“
Auch der stärkste Akku ist mal leer
Doch die Mehrfachbelastung geht auch an Felizitas Wieser nicht spurlos vorbei – trotz Unterstützung. „Ich habe viel Energie – aber ich habe auch gelernt, dass selbst die stärksten Akkus einmal leer sein können“, sagt sie ernst. „In meinem Leben gab es kürzlich Phasen, in denen die Kraft tatsächlich gefehlt hat. Diese Erfahrung war sehr prägend. Ich spreche nicht gern von Etiketten, aber ich kann sagen: Ich lerne gerade, auf mich zu achten, Grenzen zu setzen und nicht ständig im ‚Funktionieren‘ gefangen zu sein.“
Was bedeutet Erfolg heute für die junge Unternehmerin? Wieser lächelt und sagt ruhig: „Früher war Erfolg für mich vor allem wirtschaftlich. Heute ist es das Gefühl, Beruf und Familie im Einklang zu leben – und dabei selbst gesund und zufrieden zu bleiben.“

Esther Ausserhofer (39)
Neuanfang mal drei
Als Esther Ausserhofer, damals Vorstand für Personal, Organisation, Prozess- und Qualitätsmanagement bei Dr. Schär, mit Zwillingen schwanger wird, steht eine gravierende Veränderung an. Doch statt auf Sicherheit zu setzen, stellt sie auch noch ihr Berufsleben auf den Kopf. Gemeinsam mit Dorothea Mader gründete sie 2020 die Beratungsgesellschaft Human&Human. Heute hat sie drei Kinder, die Zwillinge Olivia und Fiona (sieben) und Felix (drei). Ihr Team zählt neun Personen: drei Partnerinnen, vier Mitarbeiterinnen – alle Mütter – und zwei freie Beraterinnen.
„Die Selbstständigkeit war die richtige Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt“, sagt Esther Ausserhofer. „Ich habe mich einfach auf das Abenteuer eingelassen – und auch mein Mann hat mich bei der Entscheidung sehr unterstützt.“
Loslassen lernen, Hilfe annehmen
Zudem konnte sie auf starke familiäre Unterstützung zählen: „Ich bin in der sehr glücklichen Position, dass sich beide Omas und Opas liebevoll um unsere Kinder gekümmert haben, als sie klein waren. Noch heute kommen sie einmal pro Woche zum Aufpassen. Da alle bereits in Pension sind, klappt das sehr gut.“ Auch das Kindermädchen ist eine große Entlastung – besonders, seit der kleine Felix dazukam. „Wir haben sie seit fünf Jahren – sie ist Gold wert“, so Ausserhofer. Gleichzeitig betont sie: „Man muss Hilfe auch annehmen und loslassen können. Sonst funktioniert es trotz Unterstützung nicht.“
„Man muss Hilfe auch annehmen und loslassen können. Sonst funktioniert es trotz Unterstützung nicht.“ Esther Ausserhofer
Ein Vorteil der Selbstständigkeit sei die Flexibilität. „Ich arbeite im Schnitt 80 Prozent, kann mir die Zeit aber gut einteilen. Natürlich klappt das nicht immer, und in arbeitsintensiven Phasen sitze ich abends, wenn die Kinder im Bett sind, noch einmal am Laptop.“ Und natürlich kommt mal der ein oder andere zu kurz. „Mutter, Ehefrau und Unternehmerin zu sein, ist nicht immer leicht. Aber das muss man akzeptieren und versuchen, die Zeit so gut wie möglich aufzuteilen.“
„Mami geht arbeiten – weil es Freude macht“
Wenn ihre Kinder zu Hause sind, versucht sie, die Arbeit beiseitezulassen. „Das klappt mal besser, mal schlechter – aber ich versuche auf jeden Fall, keine Calls zu machen.“ Auch „Nein“ zu Kunden und Kundinnen zu sagen, gehöre dazu: „Das macht man natürlich nicht gern, aber es geht manchmal nicht anders“, so die 39-Jährige.
Für ihre Kinder gehört die Arbeit zum Alltag. „Ich sage zum Beispiel nie: ‚Mami muss arbeiten gehen‘. Ich lasse das ‚muss‘ bewusst weg und erkläre ihnen, dass mir die Arbeit Spaß macht und wir dadurch natürlich auch Geld verdienen.“
Abendtermine nehme sie nicht selten wahr, achte dabei aber auf das richtige Maß: „Bevor ich ein Kindermädchen hole, das meine Kinder nicht kennen, sage ich lieber einen Termin ab. Ich will sie gut aufgehoben wissen.“
„Das Betreuungsangebot in Südtirol muss sich ändern – nicht nur punktuell, sondern Ganztagsbetreuung muss Standard werden.“ Esther Ausserhofer
Damit es Müttern leichter fällt, wieder in den Beruf einzusteigen, sieht Esther Ausserhofer Handlungsbedarf: „Das Betreuungsangebot in Südtirol muss sich ändern – nicht nur punktuell, sondern Ganztagsbetreuung muss Standard werden“, so die dreifache Mutter. Natürlich werde es nicht sofort zu 100 Prozent angenommen, aber: „Viele haben sich eben anders organisiert. Wird das Angebot geschaffen, werden sich die Familien anpassen – das dauert, aber es passiert. Gibt es kein Angebot, wird sich auch keiner umstellen.“ Und dann werde auch endlich das schlechte Gewissen berufstätiger Mütter weniger, da mehrere diesen Weg einschlagen.
Gemeinsam geht’s leichter
Müttern, die sich selbstständig machen wollen, rät Ausserhofer: „Zusammen ist vieles einfacher.“ Co-Working-Spaces, Gemeinschaftsbüros, aber vor allem Netzwerke seien hilfreich. „In der Selbstständigkeit muss man sehr gut organisiert und diszipliniert sein – das ist im Homeoffice neben dem Kinderzimmer nicht immer einfach.“ Der Austausch mit anderen gebe Impulse, Motivation und Denkanstöße.
Wo sieht sich Esther Ausserhofer in zehn Jahren? „Da muss ich kurz nachdenken – dann sind meine Mädels siebzehn, oh Gott“, lacht sie. Vollzeit? „Ich glaube nicht.“ Sie wolle etwa so viel arbeiten wie heute – „hoffentlich nur etwas entspannter“.
Ihre Entscheidung für die Selbstständigkeit hat sie nicht bereut: „Natürlich ist es nicht immer leicht, und man kommt auch mal an seine Grenzen. Die ersten eineinhalb Jahre waren für mich die schwierigsten. Aber man findet sich – und das Unternehmertum hat auch seine Vorteile. Ich möchte es nicht mehr missen.“
















