Bozen – Es fällt derzeit ziemlich schwer, für Südtirol ein einigermaßen zuverlässiges Stimmungsbild zu malen. Nach der jüngsten Wifo-Umfrage, wonach die heimischen Unternehmen bei knapp 92 Prozent der Bevölkerung einen guten bis sehr guten Ruf genießen (was so gar nicht zur Diskussion um Overtourism, Bauwut, Verkehr, Lohngeiz usw. passt), hat nun das Arbeitsförderungsinstitut Afi festgestellt, dass 30 Prozent der Südtiroler*innen gerne weniger arbeiten und dafür eine proportionale Lohnsenkung in Kauf nehmen würden. Das wiederum passt überhaupt nicht zur regelmäßig wiederkehrenden Debatte über unbefriedigende Löhne. Afi-Direktor Stefan Perini weiß das. Er mutmaßt: „Vielleicht haben die Befragten den Lohn-Nebensatz in unserer Frage nicht ganz ernst genommen.“
Eine andere mögliche (Teil-)Erklärung wäre, dass neben dem oft beklagten Lohngefälle auch ein kaum thematisiertes Arbeitsgefälle existiert. Denn vor allem jene Befragten, die mehr als 40 Wochenstunden arbeiten, möchten laut Afi kürzertreten: 52 Prozent. Südtirols Unternehmen haben sehr viele tüchtige Mitarbeiter*innen, denen die gute Wirtschaftslage, kombiniert mit dem akuten Mitarbeitermangel, einen hohen Arbeitsrhythmus abverlangt – weil sie ihre Chefs mit der vielen Arbeit nicht einfach im Stich lassen. Diesen Leistungsträger*innen wird es allerdings so langsam zuviel.
Weiters bestätigt die Afi-Umfrage den Trend, den es in allen entwickelten Ländern gibt: Immer mehr Menschen wollen der Arbeit nicht mehr alles unterordnen. Vielmehr wünschen sie sich mehr Zeit abseits des Brotjobs – für Familie, Freizeit oder ehrenamtliche Engagements, und sie arbeiten bewusst an ihrer Work-Life-Balance.
Die Diskussion darüber, wie viel Beruf im Leben stecken soll, wird in den nächsten Jahren noch viel stärker kommen.