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„Roboter in jedem Haushalt“

Seit er ein Bub in Lana war, ist Hanns Tappeiner begeistert von Robotik. Doch weil es die Roboter, die er sich vorstellte, nirgends zu kaufen gab, gründete er als Student eine Firma, die das ändern sollte. Heute ist Tappeiner Präsident von Anki Inc., einem erfolgreichen Start-up im Silicon Valley.

Simone Treibenreif von Simone Treibenreif
30. Juni 2017
in Interview, Südtirol
Lesezeit: 5 mins read

SWZ: Herr Tappeiner, Sie waren kürzlich auf PR-Tour: 32 Interviews in vier Tagen. Sie sind ständig in den Medien präsent – aber bei allem Erfolg bis dato noch nicht in Südtirol. Was denken Sie weshalb?
Hanns Wolfram Tappeiner: Die Interviews kommen immer phasenweise, vor allem wenn wir ein neues Produkt oder neue Produktfeatures auf den Markt bringen. Die letzten paar Wochen waren recht PR-intensiv, weil wir unser neuestes Produkt, Cozmo – einen Roboter – in den USA und dann im September auch in Deutschland, Frankreich, England und Skandinavien auf den Markt bringen. Anki-Produkte gibt es bis dato leider noch nicht in Südtirol direkt zu kaufen, sie können lediglich online aus einem anderen Land bestellt werden, daher hat es hierzulande noch nicht viele Pressetermine gegeben.

Sie und Ihre beiden Anki-Mitgründer haben in den vergangenen Jahren 200 Millionen Dollar von verschiedenen wichtigen Kapitalgebern eingesammelt. Im Februar 2015 hat das Magazin Fast Company Anki unter die Top 50 der innovativsten Unternehmen der Welt und sogar auf den ersten Platz der Top Ten im Bereich Robotik gewählt. Wie fühlt sich so etwas an?
Es auf die Fast-Company-Liste der innovativsten Unternehmen weltweit geschafft zu haben, war unglaublich. Das ganze Team hat sich sehr darüber gefreut, denn nicht wenige in der Firma haben die letzten paar Jahre Tag und Nacht gearbeitet, um Produkte wie Cozmo und OverDrive überhaupt erst möglich zu machen. Spezieller Dank gilt auch unseren Investoren, die von Anfang an an den Erfolg von Anki geglaubt haben, auch schon als wir nur drei Leute mit einem zum „Büro“ umfunktionierten Wohnzimmer waren.

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Wie kommt es, dass Sie heute ein erfolgreiches Start-up in Kalifornien leiten?
Zufall spielt immer eine Rolle. Ich würde mal sagen 30 bis 40 Prozent Zufall, 60 bis 70 Prozent Plan. Wir haben die Firma gegründet, als wir noch Doktoranden waren und mit der Idee spielten, Produkte rund um Robotik und Künstliche Intelligenz (KI) zu entwickeln. Ich war schon immer, seit ich acht Jahre alt war, in Robotik vernarrt, und das ist heute immer noch so. Allerdings gab es die Roboter, die ich mir immer vorgestellt habe, nirgends zu kaufen. Also war es nur konsequent, eine Firma zu gründen, die das ändert.

In Ihrem Steckbrief auf der Unternehmenswebsite steht, dass Sie an Wochenenden entweder arbeiten oder Motorrad fahren. Das klingt nicht nach viel Freizeit. Ist das Leben, so wie Sie es führen, rastlos? Oder andersrum gefragt: Wie lebt und arbeitet es sich im bzw. um das Silicon Valley?
Motorrad bin ich schon länger nicht mehr gefahren, aber ich fahre in meiner Freizeit viel mit dem Auto … Ich arbeite zwar viel, aber als Kind hat mir mein Vater immer gesagt: „Such Dir einen Beruf, den Du auch in Deiner Freizeit als Hobby machen möchtest.“ Das war ein sehr guter Rat, den ich auch umgesetzt habe. Aber eine gewisse Toleranz für lange Arbeitszeiten und Arbeit an Wochenenden ist schon notwendig. Zum Glück ist meine Frau auch ein Workaholic …

Wie wichtig ist in Ihrem Tätigkeitsbereich, wo ein Unternehmen angesiedelt ist? Wäre Anki, wäre es aus einem andern Standort als dem Silicon Valley heraus gewachsen, ebenso erfolgreich?
Als wir die Firma 2011 von Pittsburgh nach San Francisco umgesiedelt haben, haben wir das vor allem wegen des Standorts gemacht. In Silicon Valley gab es mehr und besseren Zugriff auf Venture Capital, und das war für Anki notwendig, denn es kostet viel Geld, Hightechprodukte zu entwickeln, zu produzieren, und weltweit zu verkaufen. Heute gibt es andere Standorte, von denen aus das sicher auch möglich wäre, auch weil Venture-Capital-Firmen inzwischen öfter bereit sind, in Unternehmen zu investieren, die an ganz anderen Orten angesiedelt sind. 2011 was das noch eher selten.

Sie haben Anki 2010 gegründet, die erste Produktidee hatten Sie und Ihre Partner allerdings schon früher. Erzählen Sie doch, wie es dazu kam.
Wir wussten von Anfang an, dass Anki eine Firma im Bereich Robotik sein muss. Robotik kann in unzähligen Industrien angewandt werden, also mussten wir irgendwo beginnen. Wir haben uns dann verschiedene Industrien angeschaut, wo Robotik und künstliche Intelligenz in zwei bis vier Jahren einen großen Einfluss haben könnten. In Englisch nennt man das „Ripe for disruption“. Dabei sind wir auf die Spielzeugindustrie gestoßen. Ein riesiger Markt, wo Technologie und Software mehr oder weniger noch keinen Einzug gehalten hatten und die Schwergewichte wie Mattel, Lego, Hasbro etc. vor allem Marketing- bzw. Branding-Firmen waren, die relativ wenig von Technologie verstanden. Anki Drive war dann unser erstes Produkt in diesem Bereich.

Anki hat zwei verschiedene Produkte am Markt …
Ja, Cozmo und OverDrive, eine Weiterentwicklung von Drive. Beide zählen zu den bestverkauften Produkten in der Entertainment-Kategorie in fast allen Ländern, wo sie auf dem Markt sind. Angefangen haben wir mit OverDrive, einer Mischung aus Autorennbahn, Videospiel und Robotik, bei der man gegen kleine autonome Wagen Rennen fährt. Und Cozmo ist ein kleiner Roboter. Die Idee war, einen echten Roboter mit „Persönlichkeit“ zu entwickeln, wie man ihn nur aus Filmen kennt, etwa Wall-E von Pixar, R2D2 aus „Krieg der Sterne“ oder Johnny 5 aus „Nummer 5 lebt“. Wir haben dazu neben dem Robotikteam ein Animationsstudio aufgebaut, mit Experten in Character Animation und Film, die vorher bei Studios wie Pixar, Lucas Arts oder Dreamworks gearbeitet haben.

Was ist der nächste Schritt?
Mir kommt es immer so vor, als ob wir gerade erst angefangen hätten. Wir entwickeln alles, was wir machen, als Bausteine, die in unterschiedlichsten Produkten und Industrien verwendet werden können. Das heißt, viel Technologie von OverDrive wurde nachher in Cozmo verwendet, und viel von Cozmo wird in zukünftigen Produkten – auch in ganz anderen Sektoren – verwendet werden. Robotik ist keine Industrie, sondern ein Werkzeug, das ganze Industrien verändert hat und verändern wird. Diese Werkzeuge entwickeln wir.

Wo sehen Sie sich in fünf Jahren? Wo Anki?
In fünf Jahren wird Anki weitere Produkte auf dem Markt haben, in mindestens zwei oder drei verschiedenen Sektoren. Persönlichkeit und Charakter werden dabei eine große Rolle für uns spielen.
Für Cozmo gibt es zum Beispiel ein sehr konkretes Ziel: In fünf Jahren sollen Familien darüber diskutieren, ob sie sich einen Hund, eine Katze oder einen Cozmo anschaffen. Kurz gesagt, ist unser Ziel: ein Roboter in jedem Haushalt.
Ich selbst – so hoffe ich – werde in fünf Jahren immer noch mehr oder weniger dasselbe machen wie heute: Mithilfe von Anki fantastische neue Produkte entwickeln und unsere Führungsposition im Bereich Consumer Robotics weiter ausbauen.

PR-Touren, Unternehmensstandorte in mehreren Ländern: Sie sind beruflich sehr viel. Wo fühlen Sie sich zu Hause?
Ich wohne in San Francisco und fühle mich dort auch zu Hause. Aber jedes Mal, wenn ich nach Südtirol komme, fühlt es sich so an, als ob ich immer noch dort wohnen würde.

Was bedeutet Ihnen Südtirol?
Ich freue mich jedes Mal sehr, nach Südtirol zu kommen und meine Familie und Freunde wieder zu treffen. Normalerweise ist das einmal im Jahr – und zwar zu Weihnachten. Allerdings war ich vor ein paar Wochen wieder einmal in der warmen Jahreszeit in Lana, bei der Hochzeit meines besten Freundes. Ich hatte ganz vergessen, wie toll es in der Gegend im Sommer ist: vom Wetter über Wandern in Gröden bis zu einem kurzen Ausflug nach Sirmione. Ich werde ab jetzt versuchen, jedes Jahr auch im Sommer wieder hier zu sein.

Gab es – seit Sie zum Studium nach Wien und damit weg aus Südtirol sind – jemals die Option bzw. die Intention, wieder zurückzukehren?
Ich habe immer mal wieder mit dem Gedanken gespielt, aber in meinem Tätigkeitsbereich ist das nicht einfach. Inzwischen wäre es sogar recht schwer –
mit einer Firma hier in San Francisco und einer Ehefrau, die kein Deutsch oder Italienisch spricht. Aber ich hoffe, dass ich in Zukunft mehr Zeit haben werde, jedes Jahr für ein paar Wochen am Stück zurückzukommen.

Schlagwörter: 26-17freenomedia

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Das Silicon Valley und die SWZ-Serie
Das Silicon Valley ist einer der bedeutendsten Standorte der internationalen IT- und Hightechindustrie – und der Name ist zugleich Synonym für Start-ups, Digitalisierung, Innovationen, Visionen und ein ganz spezielles, vorwärts gerichtetes und tatkräftiges Unternehmertum, aber auch für Risikokapitalgeber, die – wenn es mal schiefläuft – auch Millionen-Investitionen nicht nachtrauern, sondern sich nach dem nächsten interessanten Projekt mit Potenzial umsehen.
Im „Siliziumtal“ – geografisch handelt es sich dabei um die Metropolregion um die Städte San Francisco und San José im US-amerikanischen Bundesstaat Kalifornien – haben denn auch zahlreiche Vorzeigeunternehmen der IT- und Hightechbranche ihre Hauptsitze: Apple, Google, Facebook, Tesla – um nur einige wenige zu nennen.
Seinen Ursprung als Tech-Region hat das Silicon Valley in den 1950er Jahren: Damals entstand nahe der Stanford University in der Stadt Palo Alto ein Forschungs- und Industriegebiet, der Stanford Industrial Park (heute Stanford Research Park). Durch die Entwicklung der Computertechnik in den 1960er und 1970er-Jahren siedelten sich immer mehr Unternehmen, die in dem Bereich tätig waren, in der Gegend an.
Heute ist die Gründung eines Start-ups im Silicon Valley oder ein Job dort das Ziel zahlreicher Menschen aus aller Welt. Wenn auch dort nicht alles Gold ist, was glänzt. So ist kürzlich etwa Travis Kalanick, Chef des Fahrdienstvermittlers Uber, zurückgetreten. Zuletzt hatte es immer wieder Negativmeldungen aus dem Hause Uber gegeben – diese reichten von Sexismus und Diskriminierung über Mobbing, Pöbeleien und Suff bis hin zu Managementversagen und mutmaßlicher Firmenspionage. Ein Mitglied des Uber-Verwaltungsrates versicherte, dass es in Zukunft im Unternehmen keine Toleranz mehr für „brillante Arschlöcher“ geben werde.
Als „brillante Arschlöcher“ gelten Manager, denen es zwar gelingt, Unternehmen bzw. Unternehmensbereiche innerhalb kürzester Zeit enorm wachsen zu lassen, zugleich aber ihre Mitarbeiter dafür darben lassen. Eine „Spezies“, die im Silicon Valley sehr verbreitet sein soll.
Grundsätzlich ist der Blick von außen ins Silicon Valley und auch die Inneneinschätzung aber eine ganz andere – eine durchaus positive. „Es ist die Freude an Kreativität, am Schaffen von neuen Produkten und Dienstleistungen, am technischen Wissen, am Wettbewerb, am Aufbau von Unternehmen, das Streben nach persönlicher Verwirklichung, nach Anerkennung und auch nach Millionen, was die Kultur im Silicon Valley prägt“, schrieb die „Neue Zürcher Zeitung“ im vergangenen Dezember in ihrer Onlineausgabe. „Das Valley zieht denn auch die Stärksten, die Besten und die Ehrgeizigsten an, und das aus aller Herren Ländern. Der Glaube an den Erfolg ist grenzenlos, der Optimismus und der persönliche Einsatz sind es ebenfalls, und Fehler sind nur ein weiterer Schritt zum Erfolg. Die Zukunft ist verheißungsvoll.“
In diesem Umfeld arbeiten auch einige Südtiroler, zum Teil als Mitarbeiter, zum Teil sind sie selbst Unternehmensgründer. In den folgenden Wochen werden wir Interviews mit Südtirolern, die im Silicon Valley tätig waren oder sind, veröffentlichen.
Beim Suchen und Finden von Südtirolern im Silicon Valley und dessen Umgebung war der SWZ Südstern, das Netzwerk der Südtiroler im Ausland, behilflich.
 
Zur Person
Hanns Wolfram Tappeiner, Jahrgang 1979, ist in Lana aufgewachsen und hat an der Gewerbeoberschule Max Valier (Fachrichtung Informatik) in Bozen maturiert. Nach dem Informatikstudium an der TU Wien ging er nach Pittsburgh (US-Bundesstaat Pennsylvania), wo er am Robotics Institute der renommierten Carnegie Mellon University sein Robotikstudium mit dem PhD, dem wissenschaftlichen Doktorgrad, abschloss. Tappeiner ist verheiratet und zählt Autos und Wandern zu seinen Hobbys.
2010 gründete er in Pittsburgh gemeinsam mit seinen Studienkollegen Boris Sofman, gebürtiger Russe, der 1989 mit seiner Familie in die USA einwanderte, und dem US-Amerikaner Mark Palatucci das Unternehmen Anki. 2011 zogen sie von Pittsburgh in das kalifornische San Francisco. Heute hat Anki neben dem dortigen Hauptsitz Niederlassungen im chinesischen Shenzhen, in London, München und Paris und beschäftigt etwa 180 Mitarbeiter.
Seit seiner Gründung sammelte Anki mehr als 200 Millionen Dollar (ca. 180 Millionen Euro) Venture Capital von verschiedenen Investoren ein, darunter so Namen wie Andreessen Horowitz, Index Ventures, JPM Morgan und TwoSigma. Im Verwaltungsrat sitzen denn auch neben den drei Gründern Marc Andreessen, Mitgründer und Partner von Andreessen Horowitz, und Danny Rimer, Partner von Index Ventures.
Doch was macht Anki eigentlich? „Wir versuchen, künstliche Intelligenz für jeden erreichbar zu machen, und bauen dabei auf Dekaden wissenschaftlicher Erkenntnisse auf. Unser Ziel ist es, Robotik in die Unterhaltungselektronik und für den tagtäglichen Gebrauch nutzbar zu machen“, erklären die Gründer die Unternehmenstätigkeit auf dem Anki-Onlineportal.
Das erste Produkt, das das Start-up auf den Markt brachte, war eine Rennbahn, deren Autos sich per App über Smartphone oder Tablet steuern lassen – ein Erfolg (das Starter Kit ist online ab ca. 180,00 Euro erhältlich). Der ersten Version von OverDrive verschaffte Apple-Chef Tim Cook besondere Aufmerksamkeit, als er sie 2013 bei der Entwicklerkonferenz des Konzerns auf die Bühne holte. Mittlerweile hat Anki auch den interaktiven Miniroboter „Cozmo“ lanciert, auch dieser bedienbar per App (online um ca. 230 Euro erhältlich). Cozmo entwickelt sich dank künstlicher Intelligenz (KI) stetig weiter und kann auch „Emotionen“ zeigen.
Die Ziele von Anki gehen jedoch weit über die Spielzeugbranche hinaus: In den nächsten Jahren sollen auch in anderen Sektoren Projekte angegangen werden.

Ausgabe 26-17, Seite 6

Simone Treibenreif

Simone Treibenreif

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