Bozen – Die EU-Kommission hat bis zur Schlichtung in der letzten Woche mit Italien über eine Schuldenverringerung im Ausmaß eines Anteils am BIP gestritten, der 0,2 bis 0,4 Prozent beträgt. Dies scheint Haarspalterei, denn die Bewertung des BIP ist alles andere als eine exakte Wissenschaft. Sie erfolgt über drei verschiedene Methoden (Entstehung, Verwendung und Verteilung). Theoretisch müssten alle drei Wege zum selben Ergebnis führen. In der Praxis gibt es jedoch Abweichungen, und die Festsetzung der Wirtschaftsleistung erfolgt durch Abgleichung der Zahlen. Dazu kommt, dass bestimmte Faktoren bei der Berechnung nur ansatzweise berücksichtigt werden können, etwa die Schattenwirtschaft, die nur auf der Konsumseite wirksam wird, aber in Italien und anderen Staaten ein wesentlicher Faktor ist.
Die Methoden zur Erhebung der Daten und zur Berechnung des BIP werden in unregelmäßigen Abständen überarbeitet. Schon seit den 1980er-Jahren wird der Wert der Schwarzarbeit geschätzt und eingerechnet (obwohl sie den messbaren Konsum treibt), seit 2005 werden die indirekten Entgelte der Banken aus dem Kredit- und Einlagengeschäft einbezogen und seit 2014 auch illegale Geschäfte wie Prostitution, Drogenhandel und Schmuggel. Dem italienischen BIP wurden auf diese Weise vor fünf Jahren kurzerhand an die 40 Milliarden hinzugefügt.
Um den historischen Vergleich zu gewährleisten, werden alle Daten für die vergangenen Jahre entsprechend angepasst. So kommt es, dass Eurostat die Gesamtverschuldung Italiens im Jahre 2007 einst mit 104 Prozent des BIP angegeben, später jedoch auf 99,7 Prozent gesenkt hat. Ohne diesen Kunstgriff würde die Schuldenquote des Staates heute nicht 132,5 Prozent, sondern etwa 136,5 Prozent betragen. Es ist kein Zufall, dass alle Änderungen der Berechnungsmethoden eine Erhöhung des BIP und damit eine Verringerung der Schuldenquote bewirkt haben. Wenn zu viel Schwarz im Bild ist, wird mit Rosafarbe nachgebessert.
Die Korrekturen an den Zahlen über die Wirtschaftsleistung, die auch ohne Methodenänderung in den Jahren nach der Ersterhebung angebracht werden, belegen, wie groß der Unsicherheitsfaktor ist. Dass die Angaben dennoch Anlass für Streitigkeiten etwa zwischen der EU-Kommission und Italien über Haushaltskorrekturen waren, scheint deshalb befremdlich.