Bozen – Weite Teile der Bevölkerung in Italien sind sich einig: Die Arbeit kostet zu viel. Immer wieder fordern Verbände und Gewerkschaften, die Steuern und Abgaben für beide Seiten zu senken. Erst kürzlich, am Tag der Arbeit, kam die Regierung den Forderungen ein kleines Stückchen nach: Mit der Verabschiedung des Arbeitsdekrets wurden die Steuern auf niedrige und mittlere Einkommen – vorerst bis Jahresende – gesenkt.
Die einen jubeln, die anderen sagen, das sei zu wenig. Dabei verrät ein Blick in die Studie „Taxing Wages 2023“, die jährlich von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) herausgegeben wird: Italien schafft es beim Wettbewerb um die höchsten Steuer- und Sozialabgaben für Erwerbstätige nicht aufs Siegertreppchen.
Belgien ist Weltmeister
Eines vorweg: Ganz unumstritten sind die Zahlen der OECD nicht. Während sie für die einen ein Hinweis dafür sind, dass die Abgabenlast die arbeitende Bevölkerung in manchen Staaten beinahe erdrückt, warnen andere davor, zu viel in die Zahlen hineinzuinterpretieren, da sie nur begrenzt miteinander vergleichbar seien. Einige Rückschlüsse auf die Systeme der einzelnen Staaten sind trotzdem möglich.
Die durchschnittlichen Abgaben liegen in der Industrieländerorganisation OECD weit auseinander.
In den Angaben der OECD-Studie enthalten sind die jeweilige Einkommenssteuer sowie die Sozialabgaben, die Arbeitnehmende und Arbeitgeber auf durchschnittliche Gehälter zahlen. Die durchschnittlichen Abgaben liegen in der Industrieländerorganisation weit auseinander. Die höchste Belastung liegt auf den Schultern der Belgier:innen. Ein Single mit Durchschnittsgehalt gab dort 2022 rund 53 Prozent seines Gehalts ab (siehe Grafik). Auf dem zweiten Platz rangiert Deutschland mit 47,8 Prozent. Italien liegt in diesem Ranking auf dem fünften Platz. Im Stiefelstaat flossen bei Alleinstehenden mit durchschnittlichem Gehalt 45,9 Prozent an Steuern und Sozialabgaben an den Fiskus.
Vergleicht man die Zahlen mit jenen des vergangenen Jahres, fällt auf, dass die Kosten für Arbeit – insbesondere bei Alleinstehenden – im Steigen begriffen sind: In 23 der 38 Mitgliedsstaaten waren höhere Einkommenssteuern und Sozialabgaben fällig.
Die Belastung für Familien
Sieht man sich die Belastung für Familien an, ändert sich im Ranking einiges. Eine Familie mit zwei Kindern, in der beide Elternteile arbeiten, muss im Durchschnitt 29,4 Prozent von ihrem Einkommen in Form von Steuern und Sozialabgaben an den Fiskus abtreten. Auch in diesem Ranking nehmen die Belgier:innen mit Abgaben in Höhe von 45,5 Prozent den ersten Platz ein, an zweiter Stelle folgt Deutschland mit 40,8 Prozent. Italien findet sich auf dieser Rangliste mit Abgaben in Höhe von 37,4 Prozent des Einkommens auf dem siebten Platz wieder.
Insgesamt noch niedriger sind die Abgaben für Haushalte bestehend aus zwei Kindern und zwei Erwachsenen, wovon nur einer erwerbstätig ist. Die Abgaben für diese Haushalte liegen im OECD-Schnitt bei 25,6 Prozent. Mit 34,9 Prozent des Einkommens, die Italiener:innen an den Fiskus abgeben müssen, befindet sich der Stiefelstaat auf dieser Rangliste auf dem fünften Platz.
In einigen Ländern, etwa in den USA, Großbritannien, Neuseeland oder Griechenland, sind die Abgaben verhältnismäßig niedrig. Diese Länder verfügen in der Regel über weniger ausgebaute Sozialsysteme, weshalb Arbeitnehmer:innen mehr Mittel für die eigene Absicherung aufwenden müssen.