In Frankreich hat der Sozialist François Hollande die erste Runde der Präsidentschaftswahlen knapp für sich entschieden und gilt nun als Favorit für die Stichwahl, auch wenn das Rennen noch offen und es keinesfalls sicher ist, dass Nicolas Sarkozy seinen Platz im Élysée-Palast räumen muss. Was Anlass zur Sorge gibt, ist weniger ein möglicher Machtwechsel von den Konservativen zu den Sozialisten, sondern der Umstand, auf welcher Grundlage er erfolgt. Hollande verspricht den Franzosen nämlich Brot und Spiele, genauer: ein Ende des Sparkurses, um neues Wachstum zu treiben, und einen Ausstieg aus der Rentenreform, die eine schrittweise Anhebung des Eintrittsalters auf 62 vorsieht, zumal die französischen Pensionskassen mit 32 Milliarden Euro im Minus sind und das Defizit jedes Jahr zunimmt.
Den Wunsch des Volkes nach „panem et circenses“ hat schon der römische Dichter Juvenal aufs Korn genommen und beschrieben, wie sich seine entpolitisierten Landsleute in dem von Abnutzungserscheinungen gezeichneten Reich ängstlich nur noch für (gutes) Essen und (seichte) Unterhaltung interessieren und nur darauf bedacht sind, in einer sich ändernden Welt ihr angenehmes Leben zu sichern. Heute wird der Ausdruck häufig in Zusammenhang mit Wahlversprechen gebraucht, die inzwischen niemand mehr erfüllen kann, da sie auf Pump gebaut sind. Es finden sich nämlich immer weniger Menschen, die übriges Geld haben, um es dem Staat zu leihen, der seine Schulden kaum noch bedienen kann. 70 Prozent Steuern für die Reichen – und alle können wieder früher in Rente gehen! So einfach ist die populistische Formel, mit der Hollande punkten will, ohne zu beachten, dass das Römische Reich mitsamt seiner Spiele untergegangen ist, zerbrochen an der Unfähigkeit, in der Not zu alten Tugenden zurückzukehren.
Die Fachleute streiten darüber, ob die Politik des eisernen Sparens, wie sie die EU derzeit verordnet, das richtige Rezept in der Schuldenkrise ist. Aber es herrscht Einigkeit darüber, dass viele Dinge nicht mehr so wie bisher bezahlbar sind, insbesondere die Renten.
Aus der Geschichte kann man lernen, heißt es. Wieso können dann noch so viele Politiker Wein predigen, während uns das Wasser bis zum Hals steht?