Wattens – Zwei Historiker haben sich kürzlich mit dem Gebaren der Familie Swarovski und dem gleichnamigen Tiroler Unternehmen während der Zeit des Nationalsozialismus auseinandergesetzt. Ihre Ergebnisse könnten unterschiedlicher nicht sein, wie die Österreichische Presseagentur (Apa) berichtet. Demnach sieht der Wirtschaftshistoriker Dieter Stiefel ein „Mitläufertum“ und eine „nötige Anpassung“ des Tiroler Kristallkonzerns, während der Zeitgeschichtler Horst Schreiber zum Schluss kommt, dass die Swarovskis die „Errichtung einer Diktatur“ aktiv unterstützt hätten.
NSDAP-Mitgliedschaft wirft Fragen auf
Die Historiker untermauern ihre wissenschaftlichen Arbeiten mit unterschiedlichen Argumenten. „Die Swarovskis haben Strömungen unterstützt, die autoritär waren, einen Führerstaat forcierten und die Demokratie abschaffen wollten“, sagte Schreiber im Gespräch mit der Apa. Führende Familienmitglieder hätten sich bei der Heimwehr engagiert, einer dem christlichsozialen Lager nahestehenden bewaffneten paramilitärischen Einheit in der Zwischenkriegszeit. Zudem nennt Schreiber die niedrigen Parteinummern, die auf eine illegale Mitgliedschaft während der Verbotszeit hinweisen. Auch wenn sie sich nicht illegal betätigt hätten, „wollten sie Illegale sein und die Vorteile haben.“
Es entspreche der Wahrheit, dass alle männlichen Swarovski-Familienmitglieder bei der NSDAP waren. „1938 hat es einen Familienbeschluss gegeben, dass im Interesse der Firma alle zur Partei gehen“, berichtete Stiefel der Apa. „Während der Verbotszeit hat aber keiner etwas gemacht“, so der Historiker Stiefel. Die niedrigen Parteinummern wurden dem Wirtschaftshistoriker zufolge als eine Art „Auszeichnung“ vergeben, man wollte sich quasi mit den Swarovskis schmücken.
Als deutlichen Hinweis für das Engagement zum Vorantreiben des Nationalsozialismus wertet Schreiber in seiner Arbeit ein Ereignis, das sich im Februar 1938 zugetragen haben soll: Ein Fackelzug unter starker Beteiligung der Arbeiterschaft von Swarovski sowie von Familienmitgliedern, bei denen für den Anschluss an das Deutsche Reich demonstriert wurde. Stiefel rückt eine andere Frage in den Vordergrund: Man müsse sich eher fragen: „Wie haben sich die Swarovskis während des Krieges verhalten“ und hier sei eigentlich nichts „extrem Unfaires“ geschehen.
Jüdische Beteiligung
Die antisemitische Haltung der NSDAP sei für die Swarovskis eigentlich eine „Katastrophe“ gewesen, wird Stiefel von der Apa zitiert. Immerhin habe man in den USA jüdische Geschäftspartner gehabt. Ein Miteigentümer und ein Financier der ersten Stunde waren Juden: „Während des Krieges haben sie es geschafft, die jüdische Beteiligung aufrecht zu erhalten“, so Stiefel.
Auch Schreiber räumt ein: „Die Swarovskis sind in diesem Bereich anständig geblieben.“ Dass dies gelungen sei, erklärt der Histroriker mit den „guten Verbindungen“ eines Teils der Familie Swarovski zu den Spitzen der Tiroler NSDAP zurück.
„Politische Haltung beim Portier abgeben“
Für Stiefels Fazit ist folgendes: „Die Swarovskis waren echte Mitläufer aus rationalen und wirtschaftlichen Gründen. Es wäre ein Heldentum gewesen, es nicht zu tun. Aber dann wäre die Firma wahrscheinlich weg gewesen“. Eine Enteignung durch die Nationalsozialisten wäre dann wahrscheinlich gewesen, so der Histroiker. Für die aus dem böhmischen Gablonz stammende Unternehmerfamilie sei stets „die Firma die Politik“ gewesen. Von Firmengründer Daniel Swarovski soll der Satz stammen: „Jeder kann eine politische Haltung haben, aber die soll er beim Arbeiten beim Portier abgeben“. Während es laut Schreiber in Quellen Hinweise darauf gibt, dass in der Arbeiterschaft der Firma Swarovski Nationalsozialisten besonders willkommen waren, entgegnete Stiefel wiederum, dass die Zahl der NSDAP-Mitglieder sich im österreichischen Schnitt bewegt hätten.
Aufarbeitung mal zwei
Die Aufarbeitung der NS-Zeit nahm indes einiges an Zeit in Anspruch. Das von Swarovski selbst vor über zehn Jahren in Auftrag gegebene über 400 Seiten starke Werk Stiefels „Daniel Swarovski (1862-1956)“ wird nun erst im Herbst nach mehreren Anläufen im Böhlau Verlag publiziert, zuvor hatte sich innerhalb der weit verzweigten und an Köpfen reichen Familie Widerstand geregt. Dabei sei es weniger „um die Nazi-Geschichten“ gegangen, sondern die Notwendigkeit wurde infrage gestellt. „Wenn man so eine Firma in so einem Ort hat, dann ist das aber keine Privatsache mehr“, so Stiefel.
Laut Schreiber, der im kürzlich sein Werk „Das Unternehmen Swarovski im Nationalsozialismus“ im StudienVerlag publiziert hat, war der Umgang der Swarovskis mit der NS-Zeit eine „vollkommene Verleugnung bis heute“. Die Swarovskis seien nicht „besonders nationalsozialistisch“ im Vergleich zu anderen Unternehmern gewesen. Dass aber die jüdischen Anteile nicht arisiert worden seien, weise auf einen „Handlungsspielraum“ hin, der damals bestanden habe. Es gehe ihm darum aufzuzeigen, dass man auch als Unternehmer „immer eine Wahl“ und eine „Verantwortung“ habe.















