Bozen – Bei gut 530.000 Einwohnern zählt Südtirol 116 Gemeinden, die größte – Bozen – hat 108.000 Bewohner, die kleinste – Waidbruck – etwa 200. Insgesamt gibt es im Land (Stand Ende 2018) 15 Gemeinden mit weniger als 1.000 Einwohnern und weitere 53 mit einer Einwohnerzahl zwischen 1.000 und 3.000. Alles in allem haben 95 der 116 Gemeinden im Land weniger als 5.000 Einwohner.
Im Schnitt zählt jede Südtiroler Kommune ca. 4.600 Einwohner, im benachbarten Trentino sind es gar nur etwa 3.100 Einwohner pro Gemeinde – und die Zahl der Gemeinden ist dort mit 175 noch deutlich höher als hierzulande. Fast 70 der Trentiner Gemeinden haben weniger als 1.000 Einwohner, 105 weniger als 1.500.
Kommunale Fragmentierung hat Vor-, aber auch Nachteile
Diese Kleinteiligkeit hat einerseits Vorteile, sorgt andererseits aber für zusätzliche Kosten und Probleme. Gerade weil die Aufgaben, die Gemeinden zu bewältigen haben, zunehmend vielfältig, vielschichtig und kompliziert werden, und zugleich der Arbeits- bzw. Fachkräftemangel längst auch die öffentliche Verwaltung erreicht hat.
Es gibt deshalb in Südtirol bereits seit Jahren Gemeinden, die ob ihrer Größe – oder vielmehr: „Kleine“ – in bestimmten Bereichen mit einer oder mehreren anderen Gemeinden zusammenarbeiten. „Zum Beispiel mit den Bezirksgemeinschaften bei der Müllabfuhr, beim Trinkwasser, bei der Abwasserentsorgung, bei Recyclinghöfen, bei der Kleinkinderbetreuung … Wo es eindeutig noch ein wenig Nachholbedarf gibt, ist bei den sogenannten Verwaltungsdiensten, sprich beim Gemeindesekretär, beim Meldeamt, der Buchhaltung, beim Bauamt usw.“, erklärt Andreas Schatzer, Präsident des Gemeindenverbands, gegenüber der SWZ.
Solche Kooperationen bei den Verwaltungstätigkeiten werden fortan finanziell gefördert. „Damit die Gemeinden auch in Zukunft ihr breites und komplexes Aufgabenspektrum gut bewältigen können und Qualität und Wirksamkeit der öffentlichen Dienstleistungen garantiert sind, sieht die Neuordnung der örtlichen Körperschaften die zwischengemeindliche Zusammenarbeit vor“, erklärte Landeshauptmann und Gemeindenlandesrat Arno Kompatscher am Montag bei einer Pressekonferenz zur übergemeindlichen Zusammenarbeit in Bozen. Es handle sich dabei um freiwillige Kooperationen, zu denen „wir mit zusätzlichen Finanzierungen ermutigen“, formulierte es der Landeshauptmann. Und Schatzer sagt, die finanziellen Anreize sollten die Gemeinden „ein bisschen anschupfen“. Die fürs „Anschupfen“ vorgesehenen sieben Millionen Euro kommen aus dem Topf der Region.
Optimale Dienstleistungen bei Einheiten zwischen 5.000 und 15.000 Einwohnern
Definiert wurden 25 sogenannte Einzugsgebiete für die zwischengemeindliche Zusammenarbeit, in denen insgesamt 105 Gemeinden zusammengefasst wurden (einige Gemeinden wurden ob ihrer Größe keinem Einzugsgebiet zugeordnet). Diese Einzugsgebiete haben zwischen 5.000 und 20.000 Einwohner. Die Vorarbeiten zur Festlegung der Einzugsgebiete seien, so Schatzer, „nicht ganz einfach“ gewesen, auch weil eine gute Kooperation und das Anbieten gemeinsamer bzw. übergemeindlicher Dienste eine gewisse Homogenität voraussetze.
Die Gemeinde Algund arbeitet in einigen Bereichen bereits seit Längerem mit der Gemeinde Tscherms zusammen, nun bilden die beiden mit Marling eines der 25 Einzugsgebiete. Optimale Dienstleistungen für die Bürger könnten bei Einheiten zwischen 5.000 und 15.000 Einwohnern geboten werden, erklärte der Bürgermeister von Algund, Ulrich Gamper, bei der Pressekonferenz.
Nun ist in Südtirol – wie in zahlreichen anderen Provinzen Italiens (siehe dazu Infobox) – die zwischengemeindliche Zusammenarbeit eine Möglichkeit, solch eine Einwohnerzahl zu erreichen. Die Landesregierung hat vergangene Woche die Weichen für diese Kooperationen gestellt, indem sie die Einzugsgebiete für die zwischengemeindliche Zusammenarbeit festgelegt sowie die Zusatzvereinbarung zur Gemeindenfinanzierung genehmigt hat. Neben der freiwilligen Zusammenarbeit eine andere Möglichkeit wäre es, Gemeinden zusammenzuschließen bzw. Kleingemeinden in benachbarte größere zu integrieren.
„Es gibt in Südtirol eindeutig die politische Ausrichtung“, unterstreicht Gemeindenverbandspräsident Schatzer, „dass die Gemeinden so bestehen bleiben, wie sie heute sind; sie werden nicht zusammengelegt. Außer natürlich – denn diese Möglichkeit gibt es rein theoretisch – eine Gemeinde möchte das und macht es freiwillig.“
Wäre es möglich, dass die zwischengemeindliche Kooperation so gut funktioniert, dass in einem zweiten Moment Gemeinden sagen, sie möchten sich zusammenschließen? „Es ist eindeutig weder der Grund noch ein Hintergrund der zwischengemeindlichen Zusammenarbeit, dass morgen aus einem Einzugsgebiet eine Gemeinde werden soll“, betont Schatzer. „Die Zusammenarbeit muss freiwillig sein und freiwillig bleiben – und ein möglicher Zusammenschluss umso mehr.
Info
Ein Blick auf Italien
Insgesamt werden in Italien bei fast 60,5 Millionen Einwohnern 7.978 Gemeinden gezählt – das sind im Schnitt 7.581 Einwohner pro Kommune. Allerdings zählen 2.846 Gemeinden bzw. 35 Prozent aller Kommunen im Land weniger als 1.500 Einwohner; alles in allem wohnen in diesen Gemeinden 2,5 Millionen Menschen – 3,6 Prozent der Gesamtbevölkerung Italiens. Mehr als 3.000 Einwohner haben indes nur 307 Gemeinden bzw. 3,8 Prozent der Kommunen. In diesen werden rund 27 Millionen Einwohner gezählt, das entspricht 45 Prozent der Gesamtbevölkerung des Landes. Diese Fragmentierung, schrieb die Tageszeitung „Corriere della Sera“ vor einigen Wochen, sei mit ein Grund dafür, dass jede Handwerkerzone bzw. jedes Industriezentrum, Kreisverkehre, Straßen usw. durch Grenzen getrennt seien, und große Projekte kaum umgesetzt würden und wenn, dann sehr langsam. In diesem Sinne trage die komplexe und kleinteilige öffentliche Verwaltungsstruktur dazu bei, dass Italien viele Probleme habe und es kaum wirtschaftliche Weiterentwicklung und Wachstum gebe.
Einsparungspotenzial bei den Kosten für die Gemeindepolitik, aber vor allem auch eine mögliche Effizienzsteigerung bei den angebotenen Dienstleistungen sieht der „Corriere“ in Konsortien von Gemeinden, die mindestens 20.000 Einwohner haben sollten. „Die Verwaltungszentren – mit einem Bürgermeister und zusammengelegten Ämtern sowie betraut mit Raum- und Entwicklungsplanung – würden sich damit um ein Drittel verringern“, heißt es im „Corriere“. Dieser verweist gleichzeitig auf einen weiteren Fragmentierungs- und Kostenfaktor: die Provinzen und Regionen. Würden alle Provinzen mit weniger als einer Million Einwohner mit anderen zusammengeschlossen bzw. in diese integriert, dann würde sich die Zahl der Provinzen von derzeit mehr als 80 auf weniger als 55 verringern. Doch auch einige der aktuellen Regionen sind gemessen an der Einwohnerzahl relativ klein, etwa Aosta, Molise, Basilicata, Umbrien, Marken, Abruzzen und nicht zuletzt Trentino-Südtirol. „Regionen, die sehr klein sind, in denen aber ein großer Teil der Beschäftigung auf die öffentliche Verwaltung entfällt“, so der „Corriere“ und weist auf ein Projekt der Agnelli-Stiftung hin, das nicht mehr als elf Regionen empfiehlt – also fast eine Halbierung der derzeitigen 20.