Bozen – Kreative und nachhaltige Menüs inspirieren Gäste. Gleichzeitig fördern Restaurantküchen mit ihrem Einkauf die Produktion ökologischer und lokaler Lebensmittel. Trotz vielversprechender Ansätze in Südtirol gibt es noch Hürden, die eine Zusammenarbeit der Betriebe erschweren. Das zeigt eine Studie von Eurac Research mit knapp 80 Befragten aus Landwirtschaft, Lebensmittelverarbeitung, Großhandel und Gastronomie. Sie ist Teil des Forschungsprojekts „NEST – Gestaltung eines nachhaltigen Ernährungssystems in Südtirol“, eine vom Land Südtirol geförderte Initiative, koordiniert von Eurac Research und unterstützt von IDM. Über die Studie wurde gestern in Bozen diskutiert.
Trotz des Willens zur Zusammenarbeit hakt es vor allem an der Schnittstelle zwischen Angebot und Nachfrage: Obwohl Regionalität in den Restaurantküchen höher als ökologische Kriterien gewertet wird, ist der Anteil der Menüs mit regionalen Produkten gering. „Die Küchenchefs müssen an einer Umstellung ihrer Menüs mitarbeiten“, unterstreicht Verena Kircher von Eurac Research.
Ernährungsumstellung, ein nachhaltiger Beschaffungsprozess, Ökologisierung, das Stärken von regionalen Kreisläufen und einer Anpassung der Landnutzung sind Grundlage eines nachhaltigen Ernährungssystems. Gut funktioniert die Zusammenarbeit im Eggental mit der Initiative „Eggental Taste Local“. „Bei den Koodinatoren beider Seiten fließen Angebot und Bestellungen zusammen. Die Bauern liefern direkt an den Gastbetrieb“, sagt Stephanie Völser, die das Projekt für Eggental Tourismus koordiniert.
Auf Grundlage der Befragung arbeitete das Forschungsteam Empfehlungen für eine regionalere, ökologischere und fairere Ernährung aus. Ein gemeinsamer Anbauplanung vor der Aussaat biete den Küchen und der Landwirtschaft mehr Sicherheit. „Nur so können durchgehende Lieferungen von lokalen Produkten garantiert werden. Für Bauern wird die Abnahme sichergestellt“, sagt Manfred Rinner, der in der Küche des Apipura Hotels am Ritten biologisch angebaute und regionale Produkte verarbeitet.
Im Projektverlauf werden die Empfehlungen mit Vertretern aus Landwirtschaft, Großhandel, Veredelung und Gastronomie ausgearbeitet und publiziert.
Zur Eurac-Studie ist diese Stellungnahme in der Redaktion eingelangt:
Außer öffentliche Polemik keine konkreten Denkansätze!
Für das Ausland ist die Entwicklung der Südtiroler Küche und ihrer Protagonisten ein Vorzeigemodell für Identität und Terroir-Bezug im Netzwerk von Tourismus und Landwirtschaft. Und in Südtirol selbst sind wir und die Südtiroler Gastronomie die „Prügelknaben“ der Eurac, der Öffentlichkeit und der Presse. Kurz vor dem Hochsommer muss noch schnell eine Studie mit wenig Inhalt und konkreten Lösungsansätzen veröffentlicht werden. Wahrscheinlich, um die monatelangen Arbeiten an theoretischen Studien zu rechtfertigen. Und wenn dann das Resümee der Forscher darauf hinausläuft, dass man „die Schwierigkeiten erst besser verstehen muss!“ bzw. dass „die Küchenchefs an einer Umstellung der Menüs nicht mitarbeiten“, dann ist das einfach zu kurz gegriffen. Noch dazu, wenn im NEST-Forschungsprojekt die Köchinnen und Köche als Akteure nicht aufscheinen.
Prozesse und Entwicklungen müssen wachsen. Und so muss erwähnt werden, dass es bis ins Jahr 2000 praktisch (bis auf wenige Ausnahmen) keine eigene Literatur über die Südtiroler Küche gab. Darauf aufbauend, wurde durch intensivste Bemühungen durch Ausbildung, Schulungen, Weiterbildung und großer Begeisterung das Erfolgsprojekt einer eigenen Südtiroler Küche aufgebaut. Und es ist unbestritten, dass die Südtiroler Küche und ihre Protagonisten die Treiberfunktion für das Genussland Südtirol auslöste. Und darauf aufbauend, wurde eine ganz eigene Identität, eine tiefe Begeisterung für das Kochen und die eigenen Produkte, eine Kreativ- und Innovationskraft entwickelt, ja eine Entwicklung vorangetrieben, die im gesamten internationalen Ausland Vorbildcharakter genießt.
Wenn aber jetzt im Jahre 2024 Forscher der Eurac „erst verstehen müssen“ und wenn Forscher in den Raum stellen, dass „Küchenchefs an der Umstellung der Menüs sinngemäß nicht mitarbeiten“, dann fehlt hier ganz einfach der Praxisbezug und die Tiefe in den Studien und den Erfahrungen selbst. Ja, man gewinnt den Eindruck, dass man nach monatelangen theoretischen Studien noch eine schnelle Lösung vor den Sommerferien präsentieren wollte. Zudem widerspricht sich die Vorgehensweise gänzlich mit den Zielen der NEST-Plattform von Eurac Reserarch und IDM. Diese lautet wortwörtlich: „Es geht insbesondere darum, die Zusammenarbeit zwischen sämtlichen Praktizierenden aus Landwirtschaft, Verarbeitung, Logistik und Gastronomie zu unterstützen, um gemeinsam umsetzbare Lösungen und Möglichkeiten für eine nachhaltigere Ernährung zu entwickeln. Transparenz, Partizipation, Teilhabe und Begeisterung für Nachhaltigkeit sollen Hindernisse, Vorurteile und Skepsis überwinden helfen“.
Wenn dann noch dazu die Medien über diesen so scheinbar einfachen Lösungsansatz in aller Breite berichten, dann muss hier eine fundierte zweite Meinung Raum finden. Denn die Vorgehensweise kommt einem unqualifizierten Frontalangriff gegenüber den Südtiroler Köchinnen und Köchen, den Südtiroler Gastronomen gleich. Wir alle werden zu Prügelknaben der „Südtiroler Öffentlichkeit“ gemacht. Im internationalen Ausland sind Südtiroler Köchinnen und Köche hoch gefragt und für die Interpretation der eigenen Südtiroler Produkte in den Menüs und Speisekarten ein Vorzeigemodell für Entwicklungsmöglichkeiten. Und vor Ort werden wir zu „Arbeitsverweigerern, ja zu Prügelknaben“ der Öffentlichkeit. Wertschätzung sieht wahrlich anders aus. Vor diesem Hintergrund muss die Frage erlaubt sein, ob es für junge Menschen, für Lehrlinge noch Sinn macht, den Kochberuf zu ergreifen. Um dabei Menschen, Südtiroler und Gäste offenbar „unglücklich“ zu machen!
Am Ende erwähnenswert ist, dass es immer Optimierungs- und Verbesserungspotential gibt. Monatelange theoretische Studien müssen aber tiefergehende Auseinandersetzungen und konkrete Lösungsansätze aufzeigen. Pauschale Schuldzuweisungen und mangelnde Kenntnis der Sachlage als Ergebnis sind ganz einfach zu wenig!
Reinhard Steger