PORTRÄT – Moritz Schmieder ist Junior-Chef im Restaurant und Hotel Eggentaler. Er mag kein Rumgeschreie und keine Hierarchien, dafür gute Weine, Tattoos und exzellenten Service. Auf seinem Weg ins Familienunternehmen hat der 29-Jährige von der Skihütte bis zur Sterne-Gastronomie alles mitgenommen. Jetzt ist er angekommen.
Kardaun – Es ist 14.30 Uhr an einem Donnerstagmittag. Der Parkplatz vorm Restaurant Eggentaler in Kardaun leert sich langsam. Doch drinnen sind noch etliche Tische besetzt. Moritz Schmieder steht hinter der Bar, kontrolliert das letzte Dessert, wischt noch schnell einen Tropfen von der Schieferplatte, der dort nicht hingehört. Ein kurzer Blick, ein leises „Hallo, Du bist aber überpünktlich“, dann wird erst mal weitergearbeitet. Bis der letzte Gast versorgt ist.
Die Küche war sein Spielplatz
Moritz ist 29 Jahre alt und Junior-Chef im Eggentaler. Auf der Nase trägt er eine markante Brille von ‚Kuboraum‘ – davon hat er sieben unterschiedliche. Die Haare hat er über den kurz geschnittenen Seiten zu einem Knoten gebunden. Wenn er lächelt, lachen seine dunkelbraunen Augen mit. Doch sie haben auch eine Tiefe, die von viel Lebenserfahrung für sein junges Alter spricht.
Vor sieben Jahren stieg Moritz ins Familienunternehmen ein, ist dort für den Service und den Weinkeller verantwortlich. Und zusammen mit Vater Armin für die Küche. Der gelernte Koch und Sommelier arbeitet in seinem Elternhaus, in dem er als Einzelkind mit seinem Vater aufwuchs. „Die Küche war mein Spielplatz. Ich erinnere mich noch ganz genau, dass wir früher den Mozzarella für die Pizza durch den Fleischwolf gelassen haben und dann alle immer ganz besorgt um meine kleinen Hände waren.“
40 Jahre ist das Eggentaler nun schon in Familienhand. „Gestartet ist mein Vater mit einer Pizzeria und einem kleinen Fischrestaurant. Zu uns sind immer viele Skifahrer gekommen, da wir genau am Tal-Eingang liegen und früher die einzige Straße hier entlang führte.“ Mittlerweile verläuft die Straße nicht mehr am Eggentaler vorbei, doch der Parkplatz ist immer noch voll. Was ist das Erfolgsgeheimnis? „Mein Vater hat 40 Jahre eine super Vorarbeit geleistet und fast schon eine Marke geschaffen, die sehr eng mit ihm verknüpft ist. Ich versuche nun, sein Erbe so gut wie möglich fortzuführen.“
Während er erzählt, verabschieden sich die letzten Mittagsgäste. Sie wirken nicht wie Gäste, eher wie Freunde – Moritz kennt sie alle beim Namen. Bis zum nächsten Mal, sagen sie. Und das ist eher nächste Woche als in einem Monat.
„Jeder Wein braucht sein eigenes Glas. Ich möchte nicht die jahrelange Arbeit der Winzer versauen, indem ich ihre Weine in einem falschen Glas kredenze.“
Der Beruf zerrte an Freundschaften
„Schon als ich sieben war, haben alle gesagt: ‚Du wirst einmal Koch, wie dein Papa.‘ Also war es für mich irgendwie klar, dass ich die Hotelfachschule mache. Nach meinem Abschluss hab ich mich auf die Küche spezialisiert.“ Doch leicht war es für den Heranwachsenden nicht. „Wenn man immer seinen Freunden absagen muss, weil man arbeitet, dann zerrt das sehr an Beziehungen und Dynamiken“, sagt der Junior-Chef nachdenklich und schiebt den Ärmel seines schwarzen Hemdes ein Stückchen über den Ellenbogen. Ein Tattoo kommt zum Vorschein, eine Weinflasche und ein Glas. Wein ist Moritz‘ Hobby. 2019 hat er innerhalb eines Jahres alle drei Prüfungen zum Sommelier abgelegt. Den 600 Jahre alten Weinkeller, der früher die Kornkammer von Schloss Karneid war, von 70 Etiketten auf 500 ausgebaut. „Früher lagerten da unsere alten Mountainbikes und die Geranien.“ Jetzt ist es eine Schatzkammer, die vom Gault Millau ausgezeichnet wurde. Im Restaurant gibt es 17 verschiedene Weingläser. „Jeder Wein braucht sein eigenes Glas. Ich möchte nicht die jahrelange Arbeit der Winzer versauen, indem ich ihre Weine in einem falschen Glas kredenze.“
Signature-Dish auf die Wade tätowiert
Dann lüpft der Junior-Chef noch grinsend sein Hosenbein. Auf der rechten Wade hat er ein T-Bone-Steak tätowiert, natürlich blutig. „Das ist nur ein kleiner Teil“, sagt Moritz, „ich habe 27 Tattoos. Nur meine Unterarme sind frei, ansonsten bin ich ziemlich bunt.“
Als der Spagat zwischen Freunden und Job zu schwierig wurde, geht Moritz auf Saison nach Samnaun in die Schweiz, ins Restaurant des Hotels ‚Chasa Montana‘, das damals einen Michelin Stern hatte. „Dort haben alle diesen Job gemacht, so war es einfacher. Ich habe 16 Stunden am Tag gearbeitet und es geliebt.“
„Ich war zu jung und arrogant, er noch zu wenig alt“
Armin und Moritz Schmieder. Ein guter Tropfen Wein und ein gereiftes T-Bone-Steak dürfen nicht fehlen. (Foto: Alfred Tschager)
Als Moritz zurückkam, ging er zu seinem Vater in die Küche. Aber nur für eine Saison. Das Vater-Sohn-Gespann funktionierte noch nicht. „Ich war zu jung und arrogant und er noch zu wenig alt. Zwei Sturköpfe, das ging nicht gut.“ Also kam der Anruf eines Kumpels, der ihm vorschlug, auf Saison auf die Skihütte „Schwarzacher“ in Hinterglemm zu gehen, wie gerufen.
„Das war eine unglaublich intensive und lehrreiche Zeit“, erinnert sich Moritz. „Mittags hatten wir 600 Leute auf der Terrasse mit Kaiserschmarrn und bodenständigem Essen und abends haben wir im Zwei-Hauben-Restaurant mit Pinzette angerichtet.“ Das Hauben-Menü kam vom damaligen Chef des „Hangar-7“ in Salzburg, Roland Trettl. Vor Ort ausgeführt durch eine seiner Souschefinnen. In der Küche war der Ton rau, die Hierarchien hoch. Zu hoch für den jungen Koch. „Danach hatte ich trotz der tollen Erfahrungen die Küche irgendwie satt und bin erst mal mit einem Freund nach Spanien abgehauen. Wir haben uns treiben lassen, haben gegessen und getrunken.“
„Es gibt einen riesen Unterschied zwischen einfach kellnern und einem wirklich guten Service.“
In der „Kaiserkron“ lernte er den Service lieben
Die nächste Station im Leben von Moritz Schmieder bringt ihn dorthin, wo er jetzt ist – an den Gast. „Ich habe in Bozen in der ‚Kaiserkron‘ im Service angefangen. Köche denken immer, Service ist leicht. Aber es gibt einen riesigen Unterschied zwischen einfach kellnern und einem wirklich guten Service. Dort habe ich wahnsinnig viel von meinem Chef Robert Wieser gelernt und habe angefangen, den Service zu lieben.“
„Mein Vater hat zu mir gesagt: Moritz, erarbeite Dir den Respekt und fang mit Tellertragen an. Wenn Du gleich von Anfang an alles verändern willst, hast du nachher keine Mitarbeiter mehr.“
Vor sieben Jahren macht der damals 22-Jährige den zweiten Versuch ins Familienunternehmen einzusteigen – diesmal im Service. „Mein Vater hat an meinem ersten Arbeitstag zu mir gesagt: ,Moritz, tu dir einen Gefallen: Erarbeite dir den Respekt und fang mit Tellertragen an. Wenn du gleich von Anfang an alles verändern willst, hast du nachher keine Mitarbeiter mehr.‘ Und das habe ich gemacht.“ Erst Monate später verändert er Kleinigkeiten: wie das Brot im Brotkorb liegt oder das Fleisch aufgeschnitten wird. Moritz legt gern sein Augenmerk auf Details.
Das Vater-Sohn-Duo harmoniert – doch dann kommt Corona. „Ich erinnere mich noch an den ersten Tag des Lockdowns“, erzählt Moritz. Plötzlich verschwindet das Lächeln aus seinem Gesicht, die Augen werden ernst. „Wir saßen genau hier, wo wir jetzt sitzen, mit meinem Vater und ein paar Mitarbeitern und haben Speck gegessen – alle von einem Teller. Mein Vater hat schon etwas gehustet. Zwei Wochen später lag er in einem Zelt neben dem Krankenhaus und wurde intubiert. Wenig später auch meine Großmutter.“
Heute sind Vater und Sohn ein Ruhepol füreinander, teilen sich die Verantwortung. Armin Schmieder arbeitet nicht mehr Vollzeit in der Küche, Moritz kann als gelernter Koch einspringen, wenn mal Not am Mann ist.
„Wenn Du weißt, wovon Du sprichst, kannst Du Dir auch mal einen Witz erlauben.“
Nicht zu distanziert, aber immer professionell
Erlebt man Moritz im Service, weiß man aber: Das ist der Ort, wo er hingehört. Er strahlt Ruhe und Souveränität, Enthusiasmus und Freude aus. Nicht zu distanziert, aber immer professionell. Was macht guten Service für ihn aus? „Ich mache den Service so, wie ich selber gerne bedient werden würde. Wenn du weißt, wovon du sprichst, kannst du dir auch mal einen Witz erlauben.“ Und dazu müsse man informiert sein, wissen, was die anderen machen. Also geht Moritz im Schnitt alle eineinhalb Monate mit einem Freund in ein anderes gutes Restaurant. „Wir bestellen uns ein Shuttle für später und essen und trinken uns durch die Karte. Schauen, was sie für Geschirr haben, wie sie aufdecken, welche Outfits der Service trägt, welche Beleuchtung sie haben, welche Specials – einfach alles.“
„Rumgeschreie mag ich nicht“
Doch nicht nur der Service stimmt, auch die Stimmung im Team. Unter den Mitarbeitenden herrscht ein freundschaftliches Verhältnis, fast familiär. Immer wieder bindet Moritz einen seiner langjährigen Mitarbeiter ins Gespräch mit der SWZ ein, fragt ihn, wenn er sich an irgendetwas nicht mehr genau erinnert. „Ich habe ein neues System bei uns eingeführt. Im Service wie in der Küche. Es gibt keine Hierarchien und keine Zuständigkeiten. Wir haben auch keinen Chefkoch. Jeder ist für alles verantwortlich. So kann es zwar mal sein, dass man doppelt gefragt wird, ob man ein Dessert möchte. Aber besser zweimal als keinmal. Ich laufe selber am meisten und es gibt bei mir immer ein Bitte und ein Danke. Rumgeschreie mag ich nicht.“ Der 29-Jährige lächelt: „Mein Vater ist noch von der alten Schule. Er kann sich auch mal lautstark über ein misslungenes Kartoffelpüree aufregen.“
Nichtsdestotrotz kontrolliert der Junior-Chef fast alles, was im Eggentaler auf den Tisch kommt. Er vertraue seinen Mitarbeitenden, aber Kontrolle ist besser, sagt er schmunzelnd. Delegieren sei nie seine Stärke gewesen. „Bis 2020, da musste ich es lernen. Da hab ich ein bisschen Scheiße gebaut“, sagt Moritz und lacht laut. Er holt sein Handy raus und sucht ein Foto. Ein Auto steht unter einer Straßenlaterne, der vordere Teil komplett zusammengeschoben. Überall auf der Straße liegen Wrackteile. „Ich habe mir bei einem Autounfall zweimal die Wirbelsäule gebrochen, 300 Meter von zu Hause entfernt – wegen Sekundenschlaf.“
„Ein gebrochener Rücken hat mich das Delegieren gelehrt“
Nach ein paar Tagen steht Moritz in einem Drei-Punkte-Korsett wieder im Restaurant. „Ich durfte zwei Monate lang nicht mal einen Teller heben. Da lernt man zwangsweise Dinge abzugeben. Weil wir so ein tolles Team haben, hat das auch gut funktioniert.“ Insgesamt gibt es im Eggentaler (Restaurant und Hotel) 26 Mitarbeitende. Das Restaurant hat zwei Gault Millau Hauben und zwei Fallstaff Gabeln. „Als wir das Hotel ausgebaut haben, haben wir versucht, es vom Restaurant so weit wie möglich zu trennen. Denn keiner geht gerne in ein Hotel essen. Da fühlt man sich zwischen den Hotelgästen schnell als Externer. Deswegen bieten wir auch nur Frühstück an und haben unsere Rezeption dezent neben der Bar ‚versteckt‘.“
Wenn Moritz mal nicht im Eggentaler zu finden ist, dann ist er in der Natur. Am liebsten am Berg, wandern oder Ski fahren. „Irgendwo, wo es ruhig ist. Hier sind immer viele Köpfe und ich arbeite momentan sieben Tage die Woche, aber das ist ok so. Ich liebe, was ich mache, und das hier ist schließlich mein Baby.“ Eine Freundin hat Moritz momentan nicht. „Dafür arbeite ich zu viel. Das ist für den anderen nicht immer einfach zu verstehen, wenn so wenig Zeit für eine Beziehung übrig bleibt.“
„Hat man einen Stern, geht man nicht mehr einfach so zum Eggentaler.“
Nach den Sternen greifen?
Und ist ein Stern ein Ziel? Moritz winkt ab. „Nein, überhaupt nicht. Hat man einen Stern, geht man nicht mehr einfach so zum Eggentaler. Dann hat man vielleicht gerade eine Jeans an und das passt dann nicht zu einem Sternerestaurant. Mit einem Stern geht die Identität irgendwie verloren. Essen soll Spaß machen und Emotionen erzeugen. Mein Ziel ist es, die Gäste aus der Generation meines Vaters zu behalten und meine Generation dazuzugewinnen. Denn brauchen tue ich beide.“
Aufgewachsen im Norden, studiert in Göttingen und Wien, gearbeitet in Zürich, Berlin und Hamburg. Nach elf Jahren bei der BILD ihrem Herzen und ihrem Mann in seine Südtiroler Heimat gefolgt. Liebt weite Horizonte, herzhaftes Essen, mineralischen Wein und authentische Geschichten.
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