Wieder ist ein Schuljahr zu Ende gegangen – und was für eins! Die Schulreform und die Diskussion um die Fünftagewoche mit ihren nicht enden wollenden Leserbriefschlachten haben das Land in Atem gehalten. Irgendwie wollte jeder mitreden, jeder hatte Ideen und wusste es besser. Und ich war mitten drin. Als Klassenlehrerin einer reformierten Klasse habe ich die Schulreform hautnah zu spüren bekommen. Und weil es ja sonst auch jeder darf, möchte ich am Ende dieser Erfahrung nun auch meine Vorschläge für eine Verbesserung der Situation einbringen. Eins hat dieses Schuljahr nämlich deutlich gezeigt: So ist das alles nur eine halbe Sache.
Zunächst einmal gibt es immer noch viel zu viele Schulen. Löblicherweise hat man ja begonnen, Schulen zu fusionieren wie Banken, Lebensmittelkonzerne oder Automobilhersteller. So sind sie effizienter bei der Produktion von Maturanten. Da erfahrungsgemäß schon eine Schule mit 1.000 Schülern und 150 Lehrern zu völliger Unübersichtlichkeit, Chaos und Frustration führt, kann man das gleich ausnutzen und die Kapazitäten verdoppeln. Ab 2.000 Schülern und 300 Lehrern steigen Unübersichtlichkeit, Chaos und Frustration nämlich nicht mehr so stark und pendeln sich auf dem höchsten Niveau ein. Die Konsequenz muss daher lauten: Ganz Südtirol zu einem einzigen gigantischen Schulsprengel fusionieren. Für die Plenarkonferenzen der Lehrerschaft kann man ja das Bozner Drususstadion anmieten.
Apropos Konferenzen: Auch hierin steckt noch viel Potenzial. Es gibt nichts Schöneres, als in seiner Freizeit (von der Lehrer bekanntlich viel zu viel haben) zusammenzukommen, um stundenlang über die spannenden neuesten Entwicklungen informiert zu werden. Und da für Konferenzen nicht eigens bezahlt wird, weil sie zum Arbeitspensum gehören, gibt es noch viel Spielraum für mehr Sitzungen und noch mehr Beschlüsse, die am Ende niemanden interessieren.
Aber um Effizienz geht es ja nicht, sondern um Korrektheit und um penibelste, transparenteste Nachvollziehbarkeit eines jeden Schrittes, der in Schulen getan wird. Hier habe ich gleich zwei bahnbrechende Vorschläge: Erstens sollte künftig jedes Formular nicht nur von Lehrern und Direktor mehrmals gegengezeichnet werden, wie es jetzt schon der Fall ist, sondern auch von Schülervertretern, Elternvertretern und mindestens einem Mitglied des nicht unterrichtenden Personals. Erst, wenn alle ihr „nulla osta“ geben, dürfen künftig Schüler zur Toilette gehen, Lehrer sich die Nase putzen oder Schuldienerinnen den Boden wischen. Sonst läuft ja alles aus dem Ruder wie damals, in den frühen 90er- Jahren, bevor die Schule beim Land war. Gut, dass man den unhaltbaren Zuständen ein Ende bereitet hat. Damals hat ja jeder getan, was er wollte.
Damit das nie mehr passieren kann, folgt nun mein bahnbrechender Vorschlag Nummer zwei: Überwachungskameras im ganzen Schulgebäude. Jede Unterrichtsstunde wird mitgefilmt und kann jederzeit als Life-Stream über eine Internetseite aufgerufen werden. So wissen Eltern, Vorgesetzte oder auch einfach jeder Interessierte jederzeit, was gerade in der 3ZW los ist. Und auch den Lehrern ist geholfen. Derzeit sollen sie ja gleichzeitig unterrichten und für jeden einzelnen Schüler Kompetenzraster ausfüllen. Bisher ist immer eins von beiden auf der Strecke geblieben – im besseren Fall das Unterrichten, denn darauf kann getrost verzichtet werden, solange alle Protokolle richtig ausgefüllt sind. Wenn dann aber mitgefilmt wird, kann der Lehrer zuerst unterrichten und dann zu Hause in Ruhe seine soeben gehaltene Stunde noch einmal anschauen und sich selbst und jeden einzelnen Schüler analysieren. Die Nachbereitung der Lektionen dauert dann zwar viermal so lange wie die Lektion selbst, kann aber problemlos mit der 10-Minuten-Regelung ausgeglichen werden (Unterrichtsstunden dauern ja nicht 60, sondern nur 50 Minuten), mit der man schon jetzt alle Extra-Arbeiten ausgleicht.
Noch etwas: Der Schritt zur Fünftage-woche ist zwar ein mutiger, aber auch da ist nicht konsequent zu Ende gedacht worden. Schüler sollen nicht nur ganztägig in der Schule sein, sondern auch ganzjährig. Das heißt, Ferien, die über mehrere Wochen gehen, sollten gefälligst abgeschafft werden. Sonst müssen sich ja wieder die Eltern mit ihren Kindern herumschlagen, was in der heutigen Zeit einfach nicht mehr drin ist. Daher: Fünftage-woche und 50-Wochen-Schule. Nur so kriegt man die Kinder und Jugendlichen weg von der Straße. Damit der lange Verbleib in der Schule jedoch nicht zur frustrierenden Tretmühle wird, wird eine neue Losung ausgegeben. Bisher sollen ja bekanntlich im Widerspruch zum italienischen Notensystem keine Noten unter vier gegeben werden, ich aber plädiere für eine noch viel humanitärere Lösung: keine Note unter acht! Erstens ist dann kein Schüler mehr vom Lehrer enttäuscht, zweitens können wir dann mit strahlenden Ergebnissen nach außen treten und drittens bleibt uns viel bürokratischer Aufwand erspart. Bereits jetzt wenden manche Lehrer diese geniale Methode an, wodurch sie erstens für besonders fähig gehalten, zweitens von ihren Schülern geliebt, von den Eltern geachtet und von keiner Seite drangsaliert werden. Niemand muss positive Noten rechtfertigen, auch nicht, wenn sie keine Entsprechung in der Realität haben, während die negative Noten zum Spießrutenlauf zwischen rabiaten Eltern, zähneknirschenden Direktoren und nicht enden wollenden Aktenbergen führen.
Neben der Abschaffung aller Noten unter acht würde ich aber auch noch ein paar zusätzliche Kompetenzen einführen, um den kompetenzorientierten Unterricht zu verfeinern. Schüler isst während des Unterrichts sein Pausenbrot: Lebensmittelkompetenz. Schüler bohrt in der Nase: Hygienekompetenz. Schüler zwickt Banknachbarn: Selbstbehauptungskompetenz. Am Ende haben wir nicht nur Schüler mit brillanten Noten in den einzelnen Fächern, sondern auch mit einer weiten Palette von Kompetenzen, von denen wir früher nur geträumt haben.
Zum Schluss bleiben nur noch zwei Schritte: erstens die gänzliche Abschaffung der Fixanstellung für Lehrer. Das steigert die Motivation und mindert die Aufsässigkeit. Ich weiß, wovon ich spreche. Als langjährige Supplentin habe ich die ständige Existenzangst zu schätzen gelernt.
Und als Allerletztes, sozusagen als Krönung, bleibt konsequenterweise nur noch eines: die Abschaffung der Matura. Diese ist nämlich ein ständiges Ärgernis. Verschiedene Schulen handhaben sie unterschiedlich, weswegen schon Mittelschulabgänger sich teilweise für jene Schule entscheiden, in der man mit weniger Aufwand mehr Punkte ergattern kann. Nach der Matura können sie zwar nichts, aber davon wird an den Universitäten mittlerweile sowieso schon ausgegangen. Daher: Weg mit der lästigen Prüfung, die nur zu Stress und Neid führt. Am Ende aller Schuljahre bekommt jeder Schüler einfach ein Diplom mit einem „Daumen hoch“-Zeichen. Er hat dann fünf Jahre hinter sich, in denen er keine Note unter acht bekommen hat und ihm ununterbrochen die schönsten Kompetenzen bescheinigt wurden – er kann also der harschen Realität der Arbeitswelt mit einem tollen Selbstbewusstsein entgegentreten. Und dann kann sich ja getrost die Spreu vom Weizen trennen. Wenigstens ist dann nicht mehr die Schule schuld.
Dies also meine Vorschläge für eine effizientere Schulreform. Wenn sie konsequent durchgezogen wird, sind Schulen endlich kuschelige Aufbewahrungsstätten für Kinder und Jugendliche mit einem großen Wohlfühlfaktor, an denen Menschen arbeiten, deren Lebenstraum das Ausfüllen von Vordrucken ist. Gelernt wird da freilich nicht mehr viel. Aber das können wir ja getrost dem Leben überlassen. Das ist bekanntlich die beste Schule.