Es könnte alles so einfach sein. Ein Unternehmen hat die Idee, ein Gewinnspiel zu veranstalten, und alle freuen sich: die Teilnehmer, weil sie etwas gewinnen können, das Unternehmen, weil es Werbung in eigener Sache betreibt, und der Staat, weil dynamische Unternehmen auf gute Wirtschaftsdaten und sprudelnde Steuereinnahmen hoffen lassen. In Italiens Realität sieht es anders aus. Wer ein Gewinnspiel organisiert und darin nicht routiniert ist, den beschleicht das Gefühl, als wolle es der Staat unbedingt verhindern: Reglement formulieren und digital unterschreiben, Bürgschaft über den Gesamtwert des Gewinnspiels abschließen oder Kaution an die Banca d’Italia überweisen, mehrseitiges Online-Meldeformular auf der Seite des Ministeriums für Wirtschaftsentwicklung ausfüllen, Non-Profit-Organisation angeben für den Fall nicht abgeholter Preise, das Prozedere mindestens 15 Tage vor dem Start des Gewinnspiels abschließen, die Unterlagen samt Meldung auch an die Handelskammer schicken, welche die Aufsicht übernimmt und auch die Ermittlung der Gewinner übernimmt. Ob der Hauptpreis ein Auto ist oder ein Gutschein für ein SWZ-Abo, macht keinen Unterschied.
So weit, so gut. Wir bereiten also alles vor und sind kurz vor dem Ziel: nur noch dem Ministerium das Gewinnspiel digital melden und die Unterlagen hochladen. Das kann keine Hexerei mehr sein. Die Internetseite klingt sehr vielversprechend: www.impresainungiorno.gov.it. Wenn sich ein Unternehmen an einem Tag gründen lässt, dann muss das Gewinnspiel wohl eine Sache von Sekunden sein.
Von wegen! Frohen Mutes wollen wir mit unserer digitalen Unterschrift, gespeichert auf einer Smart Card, in das System einsteigen. Aber es passiert nichts. Die Tür bleibt zu. Anruf beim Help Desk. Nach 15 Minuten in der Warteschleife heißt es sinngemäß: „Leider sind alle Mitarbeiter beschäftigt. Versuchen Sie es später noch einmal.“ Wäre schön gewesen, wenn sie uns das 15 Minuten früher gesagt hätten.
Eine halbe Stunde später antwortet nach zehn Minuten Endlos-Tonband tatsächlich eine männliche Stimme. Freude! Wir erklären, wie uns geschah. „Sie benötigen die CNS, Carta Nazionale Servizi“, antwortet der Mitarbeiter. „Wir haben die Smart Card mit der digitalen Unterschrift“, entgegnen wir. „Nein, Sie brauchen die CNS. Mi dispiace.“
Funktioniert die Smart Card, die sonst überall funktioniert, hier etwa nicht? Einige Anrufe bei Bekannten ergeben: CNS und Smart Card sind ein und dasselbe! Neuer Anruf beim Help Desk des Ministeriums, diesmal kümmert sich eine Mitarbeiterin um uns. „Die Smart Card funktioniert nicht? Dann müssen Sie eine Aktualisierung vornehmen. Auf Wiedersehen.“ Wir tun, wie befohlen. Vergeblich.
Sind wir vielleicht wirklich zu deppert für das Zeitalter der Digitalisierung? Obwohl, bei anderen Stellen funktioniert das ganz gut. Und bei Amazon sowieso. Besuch bei einem befreundeten Unternehmer: „Wie macht ihr das immer?“ „Wir machen das so, und dann so … warum komme ich ins System nicht rein? Ich glaube, das System hängt.“ Triumphierend rufen wir beim Help Desk an, eine Mitarbeiterin antwortet, diesmal allerdings eine andere, immerhin schon nach rekordverdächtigen zwei Minuten. Abermals erzählen wir unsere Geschichte, mittlerweile zum dritten Mal, und fragen: „Kann es sein, dass euer System nicht funktioniert?“ Gegenfrage der Mitarbeiterin: „Warum?“ „Weil weder wir, noch ein befreundeter Unternehmer reinkommen.“ „Nein, das System funktioniert. Das Problem muss bei Ihnen liegen. Versuchen Sie mal, den Antivirus auf ihrem PC auszuschalten.“ Wie bitte? Amazon hat mich noch nie gebeten, den Antivirus auszuschalten! Doch die Mitarbeiterin bleibt hart: „Wenn Sie den Antivirus nicht ausschalten, kann ich Ihnen nicht weiterhelfen.“ Na dann, Auf Wiedersehen.
Nachdem der Ärger verflogen ist, rufen wir nochmal an. Diesmal dauert es wieder endlose 15 Minuten. Doch dann meldet sich eine (wieder andere) weibliche Stimme, die auf Anhieb einen geduldigen Eindruck macht. Sie geht alle Schritte am Telefon mit uns durch, fragt nach dem Browser, den wir verwenden. Firefox. „Haben Sie noch einen anderen Browser installiert?“ Ja, Internet Explorer. „Probieren Sie …“ Dann fällt die Linie. Es ist wie verhext! Internet Explorer funktioniert jedenfalls auch nicht. Aber wir versuchen es in der Not noch mit Google Chrome. Und siehe da, es geht! Wir sind drin! Das digitale Ausfüllen und Abschicken des Meldeformulars dauert „nur“ etwa 30 Minuten, dann ist es vollbracht. Mittlerweile wissen wir auch, dass die Smart Card als Träger der digitalen Unterschrift öfter zickt als der USB-Stick.
Die Geschichte klingt nach einem schlechten Witz. Und sie verleitet dazu, Stereotype zu bemühen: So ist die Digitalisierung nach Art der öffentlichen Hand eben! Oder: Kein Wunder, dass Italiens Wirtschaft lahmt, wenn die Unternehmen derart behindert werden!
Und doch hat die Sache etwas Gutes. Wer so lange verzweifelt um etwas kämpft, ist danach umso glücklicher, wenn es klappt. Hätte es sofort geklappt, wären die Glücksgefühle ganz sicher nicht so intensiv gewesen. Ach Italien, wie ist es schön, dein Bürger zu sein.
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